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In der Kita tobt das pralle Leben. Kinder und Eltern bringen immer neue Themen und Ideen mit, und die Fachkräfte sind herausgefordert, diese aufzugreifen und mit den Kindern gemeinsam zu bearbeiten. Parallel ist auch die Kita selbst in ständiger Bewegung: Neue Gesetze und Vorgaben brauchen Umsetzung und Konzentration. Neue Kooperationspartner erfordern neue Wege, und jeder Tag bringt von Neuem die Frage, wie beispielsweise mit fehlendem Personal ein guter Gruppenund Kita-Alltag organisiert werden soll und gelingen kann.
Wäre die Kita ein Schiff, müsste sie angesichts dieser Herausforderungen ein kleines wendiges Lotsenboot sein, das durch Stromschnellen navigieren und schnell die Richtung ändern oder anhalten kann. Ein großes Containerschiff, das auf offener See Stabilität und Ruhe verspricht, würde in solch schnell fließenden Gewässern nicht zurechtkommen.
Agil bedeutet laut Duden von großer Beweglichkeit zeugend, regsam und wendig sein. Der Begriff des agilen Managements hat seinen Ursprung in der IT. Die Erfahrung war, dass Softwareprodukte zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung und Übergabe an Kunden schon veraltet waren oder im Laufe des Entwicklungsprozesses immer neue Anforderungen dazukamen, die nicht in angemessenen Zeiträumen umgesetzt werden konnten. Die übliche Organisation der Entwicklungsprozesse war nicht auf schnelle Veränderungen ausgelegt – weder mit Blick auf die Struktur noch mit Blick auf das Personal. Um sofort und selbstverständlich in der Lage zu sein, neue Aspekte zu integrieren, war eine neue Form der Arbeit notwendig. Das Konzept des agilen Managements bedeutet, konsequent an dem eigenen Anspruch und dem originären Auftrag entlang vorausschauend davon auszugehen, dass es immer wieder neue Aspekte geben wird, die das eigene Handeln verändern: Das bedeutet, sich also so zu organisieren, dass Pläne flexibel bleiben und Lösungen so lange welche sind, bis es andere braucht.
Im Kita-Alltag ist dieser Gedanke einerseits schon lange faktische Notwendigkeit. Immerhin gehen viele Pläne meistens nicht auf und müssen ständig angepasst werden. Andererseits sprechen wir trotz dieser Normalität davon, dass schon wieder eine neue Sau durch die Kita getrieben und es hoffentlich bald besser werde – wenn der Träger, die Eltern, die Politik und die Kinder anders wären. Fakt ist: Es wird nicht anders, es ist, wie es ist. Wir müssen die Realität lieben lernen.
Zwei Aspekte erleichtern es dabei, den Blick auf diese neue und ungewohnte Realität zu schärfen:
Mindset ist ein englischer Begriff und bedeutet Denkweise, Einstellung, Mentalität und Weltanschauung. Unsere Einstellung zu bestimmten Themen, wie wir denken, fühlen und handeln, hängt wechselseitig zusammen und ist geprägt von Erfahrungen, die wir gemacht haben. Ein Mindset arbeitet also vor dem Hintergrund unserer Prägungen wie ein Filter, der bestimmt, wie wir unsere Umgebung, aber vor allem unsere eigenen Möglichkeiten, wahrnehmen.
Es ist unsere Sicht auf die Kita-Welt und das, was unser Handeln bestimmt.
Fünf Aspekte eines agilen Mindsets können für den Kita-Alltag nützlich sein.
Das ist nicht immer selbstverständlich. In der Praxis verlieren wir schnell den Blick dafür, welche Veränderungen für Kinder und Eltern was bedeuten. Ein Schutzkonzept muss entwickelt werden? Kinder erfahren dadurch, welche Rechte sie haben und wie sie diese einfordern können. Eltern bekommen Sicherheit, wo und wie sie sich beschweren können und sehen, dass Mitarbeitende sensibel mit ihrer Macht umgehen. Wir brauchen ein Vertretungskarussell? Personalmangel und Krankheit bedeuten für die Eltern erhöhten Druck in der Balance zwischen Familie und Beruf und für die Kinder bedeutet es eine ständige Anpassungsleistung.
Eine gute Idee: Um die Perspektive der Kinder und Eltern immer im Blick zu haben, kann eine Fachkraft über einen bestimmten Zeitraum oder während einer Dienstbesprechung deren Rolle übernehmen. Sie ist sozusagen Wächterin der Kinder und argumentiert konsequent aus deren Sicht.
Die Planungen sind übersichtlich und zielen auf schnelle Ergebnisse. Ob Dienstplanung oder Sommerfest: Je komplexer Planungen und je länger die Zeitspannen werden, desto unflexibler werden die Prozesse und desto anfälliger sind sie dann auch für Veränderungen. To-do-Listen mit mehreren Seiten, lange Tabellen oder unstrukturierte Treffen können verwirren. Die Idee im agilen Handeln ist es, lieber schnell umzusetzen und dann zu verändern, statt lange, ausführlich und abschließend zu planen. Das bedeutet zum Beispiel, eine Dienstplanung mit den Menschen zu machen, die da sind, anstatt eine Planung zu versuchen mit allen, die aber nie da sind.
Als Methode bietet das agile Management das sogenannte Kanban-Board an. Kanban kommt aus dem Japanischen und bedeutet Tafel oder Karte. Notiert wird zunächst das Ziel, das als Erinnerung so immer präsent ist. Dann lassen sich in dieser Tabelle – die meistens gut sichtbar in Räumen für die Mitarbeitenden hängt – Aufgaben, die zu tun sind (To do), Stück für Stück als in Bearbeitung (Doing) und als abgeschlossen (Done) umhängen. Dafür sind einfache Post-its hilfreich. Am Ende hat so jeder den aktuellen Überblick über Geschehenes und Geplantes.
Müssen immer alle im Boot sein? Nein. Meistens gibt es für fast alle Themen Menschen, die Lust haben, Kompetenzen mitbringen oder sich entwickeln wollen. Auf der Suche nach dem ersten Schritt werden der große Wurf oder wichtige Anpassungen manchmal vergessen: Nicht immer muss alles im Konsens geschehen. Wer motiviert ist, darf starten und bekommt Unterstützung: Selbstorganisation hat immer Vorrang, und wer etwas übernimmt, darf bestimmen. Für Leiterinnen liegt die Rolle im agilen Management dann eher auf der Organisation der Prozesse der anderen als im tatsächlichen Tun. Hierarchie hat also weniger mit bestimmten Aufgaben oder Verantwortlichkeiten zu tun, sondern schafft eine Plattform für alle Handelnden und die Sicherung des Gesamten.
Wer hat Lust, eine Kinderkonferenz einzuführen? Wer kann gut mit Zahlen und Digitalem? Wer kann gut reden, gut planen oder hat kreative Ideen? Vorreiterinnen sind erlaubt, Mitgeherinnen erwünscht und Kritikerinnen notwendig, um Vorhaben anzupassen – und nicht, um sie zu blockieren oder zu verlangsamen. Dabei sind nicht nur die Fachkräfte und die Leitung angesprochen. Auch Eltern, Kinder und Träger sind Teil des Kita-Geschehens. In der Regel machen Träger Vorgaben und sind in Krisen präsent, Eltern werden informiert und Kinder beteiligt. Dagegen finden sich bunt zusammengesetzte Arbeitsgruppen selten. Konzeptionsentwicklung mit Eltern? Vertretungsregelungen mit Eltern, Kindern und Träger? Netzwerken auf vielen Schultern? Agiles Handeln bedeutet, wirklich allen einen Teil zu geben, die teilhaben.
Die Zeit für Austausch ist knapp. Der häufigste Wunsch von Fachkräften ist Zeit, um miteinander zu reden – und es ist nie genug. Im agilen Handeln geht man davon aus, dass langfristig geplante Besprechungszeiten mit festen Teilnehmenden in ständigen Veränderungen nur bedingt hilfreich sind. Vielmehr sind es flexible zeitlich begrenzte Treffen aller, die tatsächlich zur Lösung beitragen können, oder derjenigen, die schlicht anwesend sind. Es geht um kurze Absprachen und Informationen, die das Weiterarbeiten ermöglichen. In der Kita kann dies bedeuten, dass es nach dem Mittagessen ein kurzes
Treffen aller Mitarbeitenden gibt, in dem in maximal zehn Minuten Informationen ausgetauscht werden. Was ist jetzt und für heute wichtig? Im agilen Management bezeichnet man dies als Daily-Stand-up-Meeting.
Nur noch bis zur Schließzeit, nur noch bis nach der Eingewöhnung, nur noch bis die Kollegin wieder gesund ist – diese Aussagen helfen nicht. In der Realität kommt nach einem Danach auch immer wieder ein Davor. Es gibt kein Bald-wird-esweniger. Grundsatz im agilen Mindset ist, dass jetzt in diesem Moment die Kraftbalance so stimmen muss, dass sie auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten werden kann. Nachhaltigkeit bedeutet mit den eigenen
Ressourcen und mit denen der anderen gut umzugehen. „Am Ende war alles gut“ reicht nicht. Kein Ergebnis rechtfertigt einen Prozess, der für alle überfordernd und kräftezehrend war. Es sind Definitionen notwendig: Wann ist etwas fertig und kann beendet werden? Wie viele Dinge können gleichzeitig im Blick sein? Es geht um eine Begrenzung der parallelen Aufgaben und die Möglichkeit, Aktionen und Strukturen nicht nur anzupassen, sondern auch zu beenden und einzustampfen.
Ein Blick in eine agile Kita könnte so aussehen: Zu Beginn des Kita-Jahres beschreibt das Team alle Themen, Projekte und Arbeitseinheiten des Jahres. Dazu gehören nicht nur Feste und Projekte, sondern auch die Eingewöhnung, die Gestaltung von Schlüsselsituationen im Alltag, die Organisation von Fortbildungstagen und anderes. Diese Liste wird mit dem Träger und mit Elternvertretenden besprochen, ergänzt und korrigiert. Alle überprüfen, zu welchem Feld sie etwas beitragen möchten und wofür sie verantwortlich sein wollen. Wer verantwortlich sein will, bekommt die Freiheit, seine Aufgabe anzugehen: mit wem er will, in welchen Formen und mit welchen Ideen auch immer. Themen, die ohne Kümmerer bleiben – Eltern und Kinder können auch Kümmerer sein – werden im Team geprüft: Wie wichtig sind sie? Welche Prioritäten müssen gelten? Es wird nichts Unnötiges getan. Alle Fortschritte und Ereignisse werden im Kanban-Board festgehalten und sind für alle sichtbar. In den Treffen zwischendurch können die Verantwortlichen Unterstützungsbedarf anmelden und Informationen weitergeben. So erklärt sich eine Fachkraft für das Projekt mit den angehenden Schulkindern verantwortlich, eine andere kümmert sich um die Teamtage, wieder eine andere kümmert sich um alle Anforderungen eines sexualpädagogischen Konzepts. Bei ihr beteiligt sich auch ein Elternteil mit Interesse.
Die Themen werden in verschiedener Art und Weise bearbeitet. So sind manche Gruppen groß, andere Akteure arbeiten allein, manche in regelmäßigen Treffen, manche nur digital. Informationen fließen nicht automatisch in Erzählform in ohnehin knappe Besprechungszeiten, sondern werden gefiltert und so einfach wie möglich gemacht. Alle müssen einander das Vertrauen aussprechen, dass in Arbeitseinheiten gefundene und entwickelte Lösungen gut sind. Bei Bedarf werden sie angepasst und weiterentwickelt, aber in der Regel ausprobiert. Die Leiterin überblickt die verschiedenen Themen des Jahresanfangs und arbeitet selbst bei manchen Aufgabenstellungen aktiv mit. Sie dirigiert die vielen Menschen und Prozesse und leitet Rückkopplungsschleifen und Informationsfluss in Methoden wie das Kanban-Board oder das Stand-up-Meeting über.
Im agilen Handeln geht es um das Teilen von Verantwortung und Initiative zwischen all denen, die den Kita- Alltag prägen. Es geht um sinnvolle und transparente Hierarchien, deren Grundlage Vertrauen und Zutrauen ist: Träger, die eher tragen als begrenzen, Leitungskräfte, die führen und gleichzeitig führen lassen, Mitarbeitende, die sich führen lassen und gleichzeitig Initiative übernehmen, weil sie es wollen.
Herausfordernd und unrealistisch visionär? Tatsache ist: Wir bringen uns alle mit allen Fähigkeiten, Werten, Möglichkeiten, Erfahrungen und Erlebnissen im Alltag ein. Traditionen sind wichtig, und es hilft niemandem, alles Bewährte über Bord zu werfen. Sich behutsam, neugierig und gemeinsam mit anderen auf den Weg zu machen hilft, um sich von einer verrückten Welt nicht verrückt machen zu lassen. Zu einem agilen Mindset gehört übrigens noch
ein wesentlicher Grundsatz: Spaß und Schönheit in den Prozessen, den Aufgaben und dem Miteinander müssen sein – auch ein Thema, das mitbearbeitet werden darf!
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