Lob aus Gewohnheit
Zweifellos besteht die Herausforderung darin, die Anerkennung allen Kindern zu möglichst gleichen Teilen zukommen zu lassen. Um alle Kinder in den Blick zu nehmen, ist eine Auflistung aller Kindernamen der eigenen Gruppe eine nützliche Stütze. Mit Hilfe der Liste wird hinter jedem Kind mindestens einmal im Monat eine Handlung, ein Lernschritt oder eine Geste des Kindes eingetragen. Nach Möglichkeit gibt es von dem Ereignis sogar ein Foto, über das die Fachkraft mit dem Kind in ein anerkennendes Gespräch gehen kann. Diese Liste führt jede Fachkraft einzeln für sich, basierend auf ihren Beobachtungen. Durch den Austausch der Fachkräfte über die jeweiligen Situationen entsteht ein umfangreiches Bild der einzelnen Kinder.
Aber oft ist uns das Loben zur Gewohnheit geworden: Lässt sich unser Sprachgebrauch und die dahinter liegende Haltung einfach so in eine anerkennende, „lobfreie“ Haltung umkehren? Verhaltensänderung braucht Zeit und die selbstkritische Reflexion unseres erzieherischen Handelns. Feedback einer vertrauensvollen Kollegin kann helfen, im Außen eine Rückmeldung zum eigenen Wirken zu erhalten. Sich stereotyper Denkmuster bewusst zu werden, hat einen nachhaltigen Einfl uss auf die Interaktionsqualität zwischen mir und dem Kind. Diese Interaktionsqualität ist über stumpfes Loben nicht zu erreichen, vielmehr wird sie dadurch gehemmt.
Kleine, feine Änderungen im Sprachgebrauch können helfen
Schon kleine Änderungen im Sprachgebrauch machen den Unterschied: Anstatt zu sagen: „Das hast du toll gemacht“, kann man das Kind fragen: „Erzählst du mir, wie du das geschafft hast?“. Anschließend wird die Handlung des Kindes verbal anerkannt. Etwa so: „Ich bin beeindruckt, wie toll du die Bauecke aufgeräumt hast. Ich sehe, wie viel Mühe du dir gegeben hast, alles wieder an seinen Platz zu stellen.“ Hier erfährt das Kind tatsächlich Anerkennung und wird nicht nur auf sein positives Verhalten reduziert. Falsch wäre dagegen: „Toll aufgeräumt, du weltbester Aufräumer!“.
Permanentes Lob ist ähnlich wie ein Nein in Dauerschleife, die Kinder werden sprichwörtlich taub dafür. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn Kinder ständig für Alltäglichkeiten gelobt werden. Hiermit entkräften wir selbst die beabsichtigte Wirkung des positiven Zuspruchs. Wer schon tausendmal gehört hat, wie super er oder sie die Toilette abspült, wird unweigerlich die Ohren auf Durchzug schalten.
Wie Lob reduziert und herabsetzt
Genauso gilt es zu vermeiden, dass Kinder miteinander verglichen oder als Beispiel für andere genutzt werden, etwa nach dem Motto „Nimm dir gefälligst mal an Beispiel an Lukas, der kann das schon lange“. Kinder sind nur an sich selbst und ihrer persönlichen Entwicklung zu messen. Gut wäre beispielsweise: „Erinnerst du dich noch daran, wie du bei Ausflügen schon nach ein paar Minuten in den Kinderwagen wolltest? Und heute erlebe ich, wie ausdauernd du bist und dabei ganz allein deinen schweren Rucksack trägst. Es ist schön zu sehen, mit welcher Freude du an Ausflügen teilnimmst!“. In diesem Zusammenhang sollte die Fachkraft auf den Ausdruck „stolz“ verzichten. Denn das Kind hat nicht den Auftrag, die Fachkraft stolz zu machen. Es soll oder darf in Anbetracht dessen, was es selbstwirksam gemeistert hat, selbst Stolz empfinden. Die Herausforderung besteht für Fachkräfte darin, den Kindern losgelöst von deren Verhalten kongruent zu vermitteln, dass sie ohne eigenes Zutun vorbehaltlos angenommen und anerkannt sind.
Florian Esser-Greassidou ist Autor und Qualitätsleitung bei den Villa-Luna-Kindertagesstätten
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