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Lob ist ein Produkt unserer „Mikrowellen-Kultur“, in der alles höher, schneller, weiter sein muss. Eine toxische Gratifikation ohne Aussagekraft, so unverbindlich wie Google-Bewertungen. Lob hat das Potenzial, bei kontinuierlicher Verwendung eine ungesunde Form der emotionalen Abhängigkeit zu schaffen. Lob verfügt über eine direktive, gar manipulierende Komponente. Wer lobt, steht in der Hierarchie über dem Gelobten. Was unter Umständen in eine gegenseitige Abhängigkeit mündet. Hier avanciert der Lobende schnell zum Richter über „gut“ und „schlecht“, dem Gelobten wird die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung abgesprochen. Die Folge ist Unmündigkeit statt gestärktem Selbstbewusstsein und mangelndes Zutrauen in die eigenen Stärken.
Im Gegensatz zum verbalen Schulterklopfen, dem Lob, begegnen sich die Menschen bei echter Anerkennung auf Augenhöhe. Anerkennung bestätigt und stärkt das Kind in seinem positiven Selbstbild. Hier wird der Lernweg des Kindes, die individuelle Anstrengung, der Mut, sich eigenen Ängsten zu stellen, und das geduldige Ausharren gewürdigt. Das Kind wird eben nicht mit Lobeshymnen als Lohn für konformes Verhalten abgespeist. Echte Anerkennung ist eine Geste der Wertschätzung, ein konstruktiver Spiegel, den ich meinem Gegenüber wohlgesonnen vorhalte.
Häufig machen Fachkräfte den Fehler, Kindern nur dann Zuwendung oder Aufmerksamkeit zu schenken, wenn diese eine an sie gestellte Erwartung erfüllen. Das stellt ein großes Problem dar, denn den Kindern wird hierdurch vermittelt, dass sich Zuwendung nur durch eigene Leistung verdienen lässt. Daraus kann eine ambivalente Beziehung zwischen Kind und Fachkraft resultieren. Vielleicht werden sich die Kinder langfristig Verhaltens weisen aneignen, die ihnen die Gunst der Fachkraft sichert. Oder durch absichtliches Fehlverhalten und Grenzverletzungen die negative Aufmerksamkeit der Fachkraft auf sich ziehen, um eine Resonanz auf ihr Verhalten zu erzwingen. Auf dieses würdige Gerüst lässt sich schwerlich eine tragfähige, gleichberechtigte Beziehung zwischen Kind und Fachkraft aufbauen. Eben diese unbelastete Fachkraft-Kind- Beziehung ist aber essenziell für präventiven Kinderschutz in Kitas. Bedingung hierfür ist, das Kind als ebenbürtigen, vollwertigen Menschen anzuerkennen und in seiner Ganzheit zu akzeptieren.
Für Janusz Korczak, polnischer Kinderarzt und Pädagoge, besteht die Aufgabe der Fachkraft darin, dem Kind das Leben zu gewährleisten, ihm das Recht zu verschaffen, Kind zu sein. Zum Kindsein gehört auch die Freiheit, Fehler zu machen. So verdienen Kinder in Momenten der Schwäche, des Scheiterns und von Misserfolgen genauso unsere Anerkennung und Achtung wie bei Erfolgserbnissen. Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow beschreibt das Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe als das Gefühl, sich selbst als bedeutsam zu erleben und zu fühlen. Das Streben nach Anerkennung und Liebe beinhaltet also den Wunsch nach Achtung vor sich selbst sowie Achtung durch andere. Hieran wird die Diskrepanz zwischen Lob und Anerkennung sichtbar: Lob hebt nur das vermeintlich Gute hervor. Es belohnt lediglich das Untadelige. Lob besitzt aber nicht die Fähigkeit, aufzubauen, zu trösten und zu ermutigen. Praxisnahe Paradigmen für den achtsamen Umgang mit dem einzelnen Kind finden sich bei der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler. Jedem Kind wird hier die Zeit gegeben, die es benötigt.
Zweifellos besteht die Herausforderung darin, die Anerkennung allen Kindern zu möglichst gleichen Teilen zukommen zu lassen. Um alle Kinder in den Blick zu nehmen, ist eine Auflistung aller Kindernamen der eigenen Gruppe eine nützliche Stütze. Mit Hilfe der Liste wird hinter jedem Kind mindestens einmal im Monat eine Handlung, ein Lernschritt oder eine Geste des Kindes eingetragen. Nach Möglichkeit gibt es von dem Ereignis sogar ein Foto, über das die Fachkraft mit dem Kind in ein anerkennendes Gespräch gehen kann. Diese Liste führt jede Fachkraft einzeln für sich, basierend auf ihren Beobachtungen. Durch den Austausch der Fachkräfte über die jeweiligen Situationen entsteht ein umfangreiches Bild der einzelnen Kinder.
Aber oft ist uns das Loben zur Gewohnheit geworden: Lässt sich unser Sprachgebrauch und die dahinter liegende Haltung einfach so in eine anerkennende, „lobfreie“ Haltung umkehren? Verhaltensänderung braucht Zeit und die selbstkritische Reflexion unseres erzieherischen Handelns. Feedback einer vertrauensvollen Kollegin kann helfen, im Außen eine Rückmeldung zum eigenen Wirken zu erhalten. Sich stereotyper Denkmuster bewusst zu werden, hat einen nachhaltigen Einfl uss auf die Interaktionsqualität zwischen mir und dem Kind. Diese Interaktionsqualität ist über stumpfes Loben nicht zu erreichen, vielmehr wird sie dadurch gehemmt.
Schon kleine Änderungen im Sprachgebrauch machen den Unterschied: Anstatt zu sagen: „Das hast du toll gemacht“, kann man das Kind fragen: „Erzählst du mir, wie du das geschafft hast?“. Anschließend wird die Handlung des Kindes verbal anerkannt. Etwa so: „Ich bin beeindruckt, wie toll du die Bauecke aufgeräumt hast. Ich sehe, wie viel Mühe du dir gegeben hast, alles wieder an seinen Platz zu stellen.“ Hier erfährt das Kind tatsächlich Anerkennung und wird nicht nur auf sein positives Verhalten reduziert. Falsch wäre dagegen: „Toll aufgeräumt, du weltbester Aufräumer!“.
Permanentes Lob ist ähnlich wie ein Nein in Dauerschleife, die Kinder werden sprichwörtlich taub dafür. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn Kinder ständig für Alltäglichkeiten gelobt werden. Hiermit entkräften wir selbst die beabsichtigte Wirkung des positiven Zuspruchs. Wer schon tausendmal gehört hat, wie super er oder sie die Toilette abspült, wird unweigerlich die Ohren auf Durchzug schalten.
Genauso gilt es zu vermeiden, dass Kinder miteinander verglichen oder als Beispiel für andere genutzt werden, etwa nach dem Motto „Nimm dir gefälligst mal an Beispiel an Lukas, der kann das schon lange“. Kinder sind nur an sich selbst und ihrer persönlichen Entwicklung zu messen. Gut wäre beispielsweise: „Erinnerst du dich noch daran, wie du bei Ausflügen schon nach ein paar Minuten in den Kinderwagen wolltest? Und heute erlebe ich, wie ausdauernd du bist und dabei ganz allein deinen schweren Rucksack trägst. Es ist schön zu sehen, mit welcher Freude du an Ausflügen teilnimmst!“. In diesem Zusammenhang sollte die Fachkraft auf den Ausdruck „stolz“ verzichten. Denn das Kind hat nicht den Auftrag, die Fachkraft stolz zu machen. Es soll oder darf in Anbetracht dessen, was es selbstwirksam gemeistert hat, selbst Stolz empfinden. Die Herausforderung besteht für Fachkräfte darin, den Kindern losgelöst von deren Verhalten kongruent zu vermitteln, dass sie ohne eigenes Zutun vorbehaltlos angenommen und anerkannt sind.
Florian Esser-Greassidou ist Autor und Qualitätsleitung bei den Villa-Luna-Kindertagesstätten
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