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Siegunde und ich sitzen im Auto. Wir sind auf dem Weg zu einer Weiterbildung, rund vier Stunden Fahrt. Zeit, um mit meiner Freundin und Kollegin über Wesentliches zu sprechen: meine Leitungsposition. Vier Jahre ist dieses Gespräch nun her und in jener Zeit kam mir meine Stelle als Kita-Leiterin wie ein richtig einsamer Posten vor. Erst kurz zuvor hatte es einen grosen Konflikt mit den Familien in der Kita gegeben. Auslöser waren Unruhe im Team, permanente Spannungen, Anfeindungen untereinander, unterschiedliche pädagogische Auffassungen und noch viel mehr.
Ich gab damals mein Bestes, mit dem Team – bestehend aus zwei Lagern – einen Konsens zu finden. Gleichzeitig war ich so fokussiert darauf, jeden Tag neu schwelende Konflikte zu lösen, Mitarbeitergespräche zu fuhren, den Laden am Laufen zu halten und darauf zu achten, dass die Kinder möglichst davon verschont blieben, dass ich es nicht mehr schaffte, mit den Familien zu kommunizieren. Teammitglieder gaben Interna an die Eltern weiter und es kam zu einem großen Streit zwischen Eltern und Kita. Genauer gesagt, zwischen den Eltern und der Kita-Leitung – also mir. Das ging so weit, dass die Eltern mich sogar absetzen wollten. Mein Glück war, dass mein Träger hinter mir stand, mir den Rücken stärkte und diesem Wunsch der Eltern nicht nachkam.
An diese Situation muss ich also denken, als ich mit Siegunde im Auto sitze. Ich fühle mich allein mit der Erfahrung, dass andere an meinen Kompetenzen zweifeln. Dass ich selber an mir zweifle. „Wer sind eigentlich deine Unterstützer?“, fragt mich meine Freundin. Ich verstehe erst nicht, was sie meint. „Wer sind die Personen“, ergänzt sie, „die dich in deiner Leitungsfunktion unterstützen, die dir den Rucken starken, die dir Kraft geben, die für dich da sind?“ Eine sehr gute Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Denn zu diesem Zeitpunkt bin ich fest davon überzeugt, dass ich keine Unterstützer habe. Neben dem Beruf stellt auch meine Familie hohe Anforderungen an mich, meine Tochter ist gerade erst in die Krippe gekommen, meine beiden Söhne sind mitten in der Pubertät. Ich muss zu Hause funktionieren und meinen Aufgaben als Mutter gerecht werden. Gleichzeitig hat der Teamkonflikt in der Kita mein Vertrauen in mein Arbeitsumfeld erschüttert. Eine verfahrene Situation. Siegunde weis den Ausweg: „Such dir Unterstützer!“
Der Satz lässt mich nicht mehr los. Ich will mir klar werden, wie eine funktionierende Zusammenarbeit im Team und auch mit den Eltern aussehen kann. Ich will im Alltag aufmerksamer werden und mehr darauf achten, durch was ich mich von wem unterstützt fühle, was mir weiterhilft – und was mich bremst. Nach einiger Zeit sehe ich meine Unterstützer dann auch klar vor mir:
Einer der wichtigsten Unterstützer ist natürlich meine Familie. Ohne ein stabiles soziales Umfeld ist es als Mutter von drei Kindern kaum möglich, einen Leitungsjob mit den damit verbundenen Anforderungen zu meistern. So bin ich einerseits meinem Mann dankbar für die vielen Aufgaben, die er zu Hause übernimmt, für die Nachsicht bei den vielen Terminen, die sich mal wieder langer hinziehen – schlichtweg dafür, dass er mir den Rücken freihält.
Großartige Unterstützer sind andererseits auch meine Eltern. Nicht nur, weil sie mich regelmäßig durch die Betreuung der Enkelkinder unterstützen, sondern weil sie mir auch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Im Umgang miteinander sind wir ehrlich und aufrichtig. So ist mein Vater zu einem meiner wichtigsten Berater geworden. Ein Beispiel, an das ich mich noch gut erinnere: Als ich gerade von einem schlecht gelaufenen Vorstellungsgespräch nach Hause kam, ärgerte ich mich darüber, dass ich die Fragen nicht so souverän beantworten konnte, wie mir lieb gewesen wäre. Sein Vorschlag: das Gespräch abhaken und für die Zukunft nutzen. Ich sollte mir alle Fragen notieren und mich so für das nächste Gespräch wappnen. Auch heute nutzen mir diese Fragen noch, wenn ich selbst mit neuen Teammitgliedern im Vorstellungsgespräch sitze und ihnen einen Teil dieser Fragen stelle.
Aber nicht nur die Familie ist wichtig. Für mich ist klar: Im Team kommt man nur voran, wenn man eine Person hat, die einen unterstützt. Man braucht jemanden, der die eigenen Ideen und Vorhaben gut findet, mit dem man in einen Diskurs gehen, sich auseinandersetzen und Positionen verändern kann. In meinen zehn Jahren als Leitung habe ich mit zwei Stellvertreterinnen zusammengearbeitet. Beide waren sehr unterschiedlich, und beide haben mich absolut unterstützt. Mit Rebecca habe ich mich stundenlang in und außerhalb der Arbeitszeit über Pädagogik ausgetauscht. Wir haben überlegt, wie man im Team vorankommen kann, wie man das richtige Bild vom Kind entwickelt und was für uns eine am Kind orientierte Arbeit bedeutet. In vielen Standpunkten waren wir uns einig. Spannend waren aber die Punkte, in denen wir uns uneinig waren und für die wir dann zusammen nach einem passenden Konsens suchten. Die gemeinsamen Diskussionen haben uns beide vorangebracht und unsere gute Zusammenarbeit gefordert.
Die zweite Stellvertreterin ist Fee. Sie ist sehr strukturiert und ihre Starken liegen in der Analyse von Situationen. Gemeinsam haben wir neue Ideen ausprobiert, manche wieder verworfen und anderen eine Struktur gegeben und sie in die Teamarbeit implementiert. Sie stand immer loyal hinter mir. Durch sie habe ich mich geschätzt und unterstützt gefühlt. Und die gemeinsamen Erfahrungen haben sie dazu ermutigt, selbst eine Leitungsstelle zu übernehmen.
Siegunde, die Freundin und Kollegin, die mich auf das ganze Thema aufmerksam gemacht hatte, wurde selbst zu einer meiner wichtigsten Unterstützerinnen. Gemeinsam entwickeln wir heute Visionen einer zukunftsträchtigen Kita-Arbeit, sind auf der Suche nach neuen Projekten und spannenden Herausforderungen, die die Einrichtung, aber auch uns als Persönlichkeiten voranbringen.
Andere Teammitglieder sind engagiert in der Kirchengemeinde. Von ihnen lasse ich mich gerne zu religionspädagogischen Fragen beraten. Und wieder andere studieren parallel an der pädagogischen Hochschule und stellen für uns wichtige Verbindungen zu Lehrpersonen oder potenziellen neuen Teammitgliedern her. Eine Unterstützung von unmessbarem Wert.
Unterstützung im Team hat so viele verschiedene Gesichter, dass es nicht immer einfach ist, sie als diese wahrzunehmen und zu schätzen. Die größte Unterstützung meines Teams erfahre ich darin, dass alle zuverlässig und gerne zur Arbeit kommen und jede und jeder Einzelne das Beste gibt, die geplanten und besprochenen Ablaufe und Prozesse umzusetzen.
In all den Jahren als Leitung habe ich auch gelernt, dass es wichtig ist, den Träger als Unterstützer mit ins Boot zu holen. Große Träger verfügen meist über ein ausgeklügeltes Verwaltungssystem und eine Fachberatung. Bei kleinen Trägern mit nur wenigen Einrichtungen – wie das bei mir der Fall ist – übernehmen oft Personen Aufgaben rund um die Kita, denen die Kindergartenarbeit fremd ist. Für mich ist wichtig, dass ich die Personen gut kennenlerne, schätze und ihre Standpunkte verstehe. Schon ist, wenn daraus eine Wechselseitigkeit entsteht und es dem Träger genauso wichtig ist, wie mir selbst. Dann ist es mir gelungen, meine Haltung und meinen Standpunkt zur guten Zusammenarbeit weiterzutragen. Besonders bei kleineren Trägern ist es wichtig, dass die Leitung die Beratung des Trägers übernimmt, denn nur wenn er die pädagogischen Belange kennt und er die Intentionen versteht, die hinter den Forderungen stehen, kann er die Leitung und die Einrichtung bestmöglich unterstützen. Ohne das Vertrauen meines Trägervertreters in meine Arbeit und in mich als Person wäre der Konflikt mit den Kita-Eltern ganz anders ausgegangen.
Ab und an braucht es auch einen Blick von außen. Dann ist es wichtig, sich mit anderen Leitungskräften kollegial zu beraten. Hier differenziere ich nach Starken der Kolleginnen und entscheide so, an wen ich mich mit welcher Frage wende. Geht es um Angelegenheiten beim Träger, um Angelegenheiten in der Kommune, handelt es sich um Pädagogik oder Führungsaufgaben? Auch auf dieser Ebene finde ich den Austausch, die unterschiedlichen Sicht und Vorgehensweisen unglaublich bereichernd und nutze sie gerne. Besonders erinnere ich mich daran, wie mir meine Kollegin Barbara den Rat gab, mir vorzustellen, ich säße auf einem Schiedsrichterstuhl, wie er im Tennis üblich ist. Ich sollte mir die ganze Situation mal von oben anschauen und neu beurteilen, was ich von ihr halte. Seither wage ich den imaginären Ausflug auf diese Position immer wieder. Oder wenn meine Kolleginnen Katrin oder Britta in einem schwierigen Moment mit mir mitfiebern und mich dann in einer Nachricht fragen, wie es gelaufen ist. Dadurch fuhle ich mich unterstützt.
Unterstützung bekomme ich auch von meinen Kooperationspartnern. Hier erlebe ich die enge Zusammenarbeit mit der pädagogischen Hochschule als besonders bereichernd. Der gegenseitige Austausch über den Theorie-Praxis-Transfer oder Praxisbeispiele bereichern mittlerweile nicht nur die Lehrpersonen und mich, sondern auch viele Studierende. Als Unterstützung empfinde ich es auch, in einer Fachzeitschrift wie der TPS über meine pädagogische Meinung und meine Erfahrungen zu schreiben. Ich lerne dabei klar, intensiver über einzelne Themen nachzudenken. Heute stelle ich fest, meine Unterstützer sind mein Netzwerk. Und das ist unterschiedlich, vielseitig und bunt. Die wahre Unterstützung erfahre ich dadurch, dass mein Gegenuber für seinen Rat und sein Mitdenken keine Gegenleistung erwartet. Einen Unterstützer, der mir Achtung entgegenbringt, erkenne ich daran, dass er gut damit leben kann, wenn ich mir all seine Punkte anhöre, aber nicht jeden in die Tat umsetze. Ich brauche jemanden, der ein Thema mit mir durchspricht, durchdenkt. Meine Freundin Katrin hat dafür die Formulierung geprägt: „Kannst du mir mal eben denken helfen?“ Das ist es oftmals, was ein Unterstützer tut. Er hilft mir in meinem Denkprozess. Er unterstützt mich dabei, meinen Punkt klarer zu sehen und meine Perspektive zu erweitern. Oder ein Thema intensiv zu reflektieren. Unterstützung hilft mir, über meinen Tellerrand zu schauen. Ich suche gerne Coaching, Rat und Resonanz. Und gebe direkt Feedback. Dies fordert zum einen die Beziehung unter einander und zum anderen verbessert es die Kommunikation und zeigt meinem Gegenuber konkret, was ich brauche und wie ich ticke. Ich habe auch Spaß daran und sehe es als Bereicherung, meine Unterstützerinnen und Unterstützer in ihren Denkprozessen zu begleiten. Manchmal ist es aber auch so, dass sich die Wege wieder trennen, weil man einen anderen Fokus setzt oder sich in eine andere Richtung entwickelt. Auch das empfinde ich als ganz normal. Das alles kann aber nur funktionieren, wenn ich bereit bin, Unterstützung wahrzunehmen und zuzulassen. Selbstverständlich gehört dazu eine differenzierte Betrachtungsweise. Ich brauche nicht jede Unterstützung, die mir aufgedrängt wird. Wichtig ist, dass ich mir die Meinung der anderen anhöre, ihnen meinen Standpunkt deutlich mitteile und wir darüber diskutieren, auch kontrovers. Meine Unterstützerinnen und Unterstützer helfen mir dabei, kleine und große Hürden zu meistern, Durststrecken durchzuhalten, neue Denkweisen kennenzulernen und mich weiterzuentwickeln. Sie sind meine Kraftreserven, mein Zuspruch und meine positive Verstärkung. Mit ihnen an meiner Seite habe ich das gute Gefühl, dass ich alles schaffen kann.
Studentin Sandra macht ihr Praktikum bei uns in der Kita. Ich berichte in ihrem Seminar über unsere Einrichtung. Auch die Dozentin kommt in die Kita, um mit meinem Team die Umsetzung einer Idee in der Praxis zu erproben. Das ist es, was die Kooperation mit der Hochschule (HS) spannend macht. Wir bleiben fachlich am Ball, erproben Neues und knüpfen Kontakt zu Studierenden, die ein Praktikum bei uns absolvieren und vielleicht als junge Kindheitspädagoginnen anfangen. Der Beginn einer Kooperation ist immer ein persönlicher Kontakt. Wir greifen die Anfrage einer HS auf und bringen eigenes Interesse ein. Kooperation kann anstrengend sein und zusätzliche Arbeit bedeuten. Sie ist aber auch bereichernd. Sie stärkt die eigene Position, den Zusammenhalt im Team und wir lernen potenzielle Mitarbeiterinnen kennen.
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