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Globalisierung, Digitalisierung und der demografischen Wandel verändern spürbar unsere Gesellschaft. Während die Anzahl internationaler Organisationen stetig steigt, immer neue Märkte erschlossen werden und innovative Wege der Kommunikation und Vernetzung zunehmend das Gefühl von Grenzenlosigkeit vermitteln, führen veränderte Personalstrukturen innerhalb von Organisationen zu zahlreichen neuen Anforderungen.
Eine solche Herausforderung, mit der sich derzeit auch Kitas konfrontiert sehen, ist die zunehmende Diversität und die damit verbundene steigende Anzahl heterogener Teams.
Praktiker:innen im Feld des Diversitätmanagements stellen sich die Frage, auf welche Weise es gelingen kann, in einer Organisation Vielfalt als Wert zu etablieren. Schlüsselthemen dabei sind, wie etwa die Zusammenarbeit in diversen Teams erfolgreich gestaltet werden kann oder welche psychologischen Prozesse und Faktoren entscheidend sind, um einen positiven Umgang mit der erlebten Vielfalt zu ermöglichen.
Die zunehmende Präsenz der Thematik in der Praxis gab überdies den Anstoß für zahlreiche empirische Arbeiten. Auch wenn zu manchen Diversitätsdimensionen noch vergleichsweise wenige wissenschaftliche Forschungsbefunde vorliegen, gibt es doch interessante Hinweise auf bedeutsame Zusammenhänge zwischen der Teamzusammensetzung und verschiedenen praxisrelevanten Variablen, wie etwa dem gesammelten Wissensschatz oder der Fähigkeit, Probleme zu lösen.
Viele wissenschaftliche Studien aus dem Bereich der Diversitätsforschung nutzen Gruppenvergleiche, um heterogene und homogene Arbeitsteams in verschiedenen Variablen gegenüberzustellen. Dabei zeigt sich beispielsweise, dass Diversität in einem Team die Entscheidungsqualität bedeutsam steigern kann, denn Vielfalt hilft, bekannte Entscheidungsfehler zu vermindern.
Entscheidungsfehler sind in der Sozialpsychologie gut erforscht. Häufig ursächlich sind dabei sogenannte Heuristiken, d. h. kognitive Daumenregeln, denen wir unbewusst folgen. Auch wenn uns diese Regeln helfen, in unserem Alltag schnell und effizient Entscheidungen zu treffen, können sie dennoch dazu führen, dass wir die Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse in Entscheidungssituationen falsch einschätzen, uns von eigentlich unwichtigen Ankern beeinflussen lassen oder aber Informationen nur selektiv wahrnehmen und bewerten.
Die Forschung zeigt, insbesondere bei Nicht-Routine-Aufgaben kann der breitere Pool an Informationen und Erfahrungen in heterogenen Teams helfen, derartige psychologische Fallstricke zu vermeiden und so die Entscheidungsfindungs- und Problemlösefähigkeit verbessern (u. a. van Knippenberg/Schippers 2007).
Auch in puncto Kreativität und Innovationsfähigkeit schneiden heterogene Teams besser ab als homogene Teams. Angesicht der anfangs beschriebenen Veränderungen ist dies natürlich von hoher praktischer Relevanz. So können diese Team-Merkmale beispielsweise dabei helfen, pädagogische Fachkräfte zu finden, für das eigene Team zu begeistern und so auch langfristig zu binden (u. a. Bruch et al. 2010).
Weitere Befunde zeigen: Heterogene Teams lernen und wissen mehr. In einer Studie, die altersdiverse Teams untersuchte, zeigte sich, dass Beschäftigte unterschiedlicher Generationen durch den Austausch von Erfahrungs- und Prozesswissen sowie technologischem Know-How enorm voneinander profitieren können (Bruch et al. 2010).
Entscheidend für den Erfolg des Wissensaustauschs in der Praxis war in dieser Studie ein von Wertschätzung und Vertrauen geprägtes Teamklima. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, wie es denn nun gelingen kann, all diese positiven Befunde in die Praxis zu transferieren. Leider zeigt sich immer wieder, dass potenzielle positive Effekte von Problemen und Konflikten überschattet werden, vor allem dann, wenn verschiedene Meinungen, Einstellungen und Wertevorstellungen aufeinanderprallen und verhindern, dass Teams aus ihrer Diversität Nutzen ziehen können.
Empfehlungen für die Kita-Praxis sind hier folgende Kriterien zu beachten.
Bei der Frage, wo man am besten ansetzt, um derartige Barrieren zu überwinden, können Strukturanalysen helfen, denn Diversität kann organisations- bzw. teamweise stark variieren. Folglich ist ein zentraler Schritt zu erfolgreichem Diversitätsmanagement, die Strukturen im eigenen Arbeitsumfeld zu betrachten. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen lassen sich so wichtige Handlungsfelder identifizieren und gezielt Maßnahmen für die Praxis ableiten.
Nehmen wir als Beispiel die Altersdiversität eines Kita-Teams. Je nachdem, ob sich das Team eher aus pädagogischen Fachkräften jungen, mittleren oder höheren Alters zusammensetzt, besteht unterschiedlicher Handlungsbedarf, der sich mit Hilfe einer Altersstrukturanalyse identifizieren lässt. Setzt sich ein Team vorrangig aus älteren Beschäftigten zusammen, ist es wichtig, vermehrt Nachwuchs zu suchen und innerhalb des Teams Tandems zu bilden, um potenzielle Wissensverluste durch das Ausscheiden älterer Mitglieder zu vermeiden. Ein Team aus Beschäftigten vorwiegend jüngeren und mittleren Alters hingegen erfordert verstärkte Unterstützung in der Entwicklung der Teamstruktur und der Gestaltung der künftigen Zusammenarbeit. Je nach Teamzusammensetzung ergeben sich also unterschiedliche Herausforderungen für Kita-Leitungen.
Diese zu erkennen ist bedeutsam, etwa um generationale Konflikte, aber auch Leistungs- und Motivationseinbußen zu vermeiden (Heinrich/Fischer/Rieke-Baulecke 2018).
Was tun, wenn trotz alledem die wahrgenommenen Unterschiede überwiegen und so kein positives Miteinander möglich ist? Hier bietet die sozialpsychologische Theorie der sozialen Identität einen guten Ansatz. Gemäß dieser Theorie tendieren Menschen dazu, sich selbst und ihre soziale Umwelt in Gruppen zu kategorisieren. Situationsabhängig können die salienten Gruppen wechseln, und genau diesen Aspekt kann man sich zunutze machen, um innerhalb eines Teams eine gemeinsame soziale Identität zu schaffen. Um dies zu ermöglichen, ist es wichtig, „Unterkategorien aufzubrechen“, d. h. Dimensionen, in denen sich Personen als unterschiedlich wahrnehmen, aufzulösen und die Wahrnehmung auf übergeordnete gemeinsame Eigenschaften zu lenken und diese zu stärken. Konkret kann es helfen, gemeinsame übergeordnete Ziele zu stecken, gemeinsame Eigenschaften und den gegenseitigen Nutzen hervorzuheben. Ziel ist es, den Beteiligten positive Erfahrungen zu ermöglichen, denn Personen, die gute Erfahrungen machen, geben diese weiter, und eine gemeinsame soziale Identität kann wachsen.
Kommunikation ist eine Fähigkeit, die wie keine andere sämtliche Bereiche unseres Lebens tangiert. Auch in heterogenen Teams nimmt Kommunikation eine Schlüsselrolle ein. Ohne Kommunikation wäre es in vielen interaktiven Situationen nahezu undenkbar, Entscheidungen oder Abstimmungen zu treffen, Motivation zu schaffen oder kollektiv eine Aufgabe zu übernehmen.
Kommt es in einem Team zu Schwierigkeiten oder Fehlern, werden nicht selten Kommunikationsprobleme als Ursache identifiziert. Auch ein Blick in die Forschung verrät, schlechte Leistungen, Motivationsdefizite, fehlendes gegenseitiges Verständnis und Stress sind nur allzu oft das Ergebnis gescheiterter Informationsvermittlungsprozesse oder aber eines Mangels an Informationen (Haslam 2004).
Um ein Klima zu schaffen, das ein positives Miteinander ermöglicht, sollte jegliche Kommunikation den psychologischen Grundsätzen der Klarheit, Transparenz, Offenheit und Fairness folgen.
Wichtig ist, dass die angeführten Prinzipien dabei stets auf Gegenseitigkeit beruhen: Nehmen wir als Beispiel die Kommunikation zwischen pädagogischer Fachkraft und den Eltern. Hier sind nicht nur seitens der pädagogischen Fachkraft klare Worte notwendig, auch die Eltern sollten sich trauen, ohne Hemmungen das Gespräch zu suchen, Fragen zu stellen, Unklarheiten offen anzusprechen, über Erfolge und Misserfolge zu berichten.
Um dies in der Praxis umzusetzen, ist es wichtig, darauf zu achten, wertfrei und „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren. Gegenseitige Wertschätzung und ein hierarchiefreier Austausch sind mit entscheidend für das Empfinden interaktionaler Fairness. Diese bildet zusammen mit (der gleichberechtigten Kommunikation positiver und negativer Nachrichten) zwei Grundpfeiler erfolgreicher Kommunikation.
Wie aus zahlreichen psychologischen Befunden hervorgeht, kann Fairness sich auf vielfältige Weise positiv auf Prozesse in einem heterogenen Team auswirken. So kann Fairness die intrinsische Motivation, Persistenz, Kreativität, Innovation sowie das Vertrauen erhöhen und zu einem stärkeren Zugehörigkeitsgefühl zum eigenen Team führen (Fischer/Niedernhuber/Frey 2012).
Die Grundlage jeglicher Wertschöpfung – ob im wirtschaftlichen oder pädagogischen Kontext – bildet Wertschätzung. Keine Maßnahme kann fruchten, mangelt es im zwischenmenschlichen Umgang innerhalb eines Teams, im Kontakt mit der Kita-Leitung oder auch mit den Kindern und Eltern an gegenseitiger Wertschätzung.
Neben dem Elternhaus ist es der frühpädagogische Kontext, der bei Kindern enorm zur Manifestation von Einstellungen und Werten beiträgt. Pädagogische Fachkräfte können ihre Schützlinge folglich bedeutsam in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen, indem sie ihren Selbstwert stärken, ihnen vor Augen führen, dass Vielfalt etwas Wertvolles ist und ihnen beispielsweise helfen, motivierende und positive Denkmuster zu erlernen. Um zu verhindern, dass diese so einfach anmutende und doch so schwierige „Lektion“ im Trubel des Tagesgeschäfts untergeht, ist es wichtig, sich immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen: „Bringe ich meinem Gegenüber im Alltag ausreichend Wertschätzung entgegen?“ „Gehe ich den Kindern als ein gutes Vorbild voran?“
Zur positiven Verankerung von Altersdiversität in einer Einrichtung können beispielsweise Mentoring-Programme oder Tandem-Modelle etabliert werden. Ebenso gute Ansatzpunkte bieten bedarfsgerechtes Gesundheitsmanagement, lebensphasenorientierte Personalarbeit und -politik sowie Maßnahmen zur altersgerechten Arbeitsplatzgestaltung.
Bekannte Beispiele für geschlechtsspezifische Diversitätsmaßnahmen sind geschlechtsneutrales Recruiting oder sog. „Boys-/Girls-Days“. Diese Schnuppertage, wie sie häufig bereits in Schulen oder Hochschulen veranstaltet werden, können helfen, geschlechtsspezifische Barrieren abzubauen und junge Menschen zu einer klischeefreien Berufswahl zu ermutigen.
Auch kulturelle Diversität lässt sich in Kitas auf vielfältige Weise fördern, z. B. mit einem interkulturellen interaktiven Feiertagskalender, entsprechenden Spiel- und Tanzveranstaltungen und gezielten Netzwerk-Angeboten, wie einem Kultur-Cafe.
Heterogene Teams und erfolgreiches Diversitätsmanagement zahlen sich für Kitas in vielerlei Hinsicht aus. Neben positiven Gruppeneffekten können sich Einrichtungen beispielsweise Wettbewerbsvorteile in puncto Personal- und Potenzialgewinnung verschaffen. Stets anpassungs- und lernfähig zu bleiben ist dabei ebenso wichtig, wie den positiven Umgang mit Vielfalt auf allen Ebenen zu fördern.
Hanna Heinrich, promovierte Psychologin mit Schwerpunkt Personal- und Organisationsentwicklung, Kita-Fachberaterin, Dozentin an der Hochschule Döpfer, University of Applied Sciences, in Regensburg und Köln.
Kontakt: info@hanna-heinrich.de
Bruch, Heike/Kunze, Florian/Böhm, Stephan: Generationen erfogreich führen. Konzepte und Praxiserfahrungen zum Management des demographischen Wandels. Gabler 2010
Fischer, Peter/Niedernhuber, Julia/Frey, Dieter: Führung und Werte: Humanistische Führung in Theorie und Praxis. ESMT 2012 Haslam, Alexander: Psychology in Organizations. The Social Identity Approach. Sage 2004
Heinrich, Hanna/Fischer, Peter/Rieke-Baulecke, Thomas (Hrsg.): Generationengerechte Führung. Das große Handbuch Personal und Führung in der Kita. Grundlagen und Anregungen für die Praxis. Carl Link 2018
Heinrich, Hanna/Punk, Julia: Kita-Teams generationengerecht führen. Kita aktuell 2021 Van Knippenberg, Daan/Schippers, Michaéla: Work Group Diversity, 58(1), 515-541. Annual Review of Psychology 2007
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