- Shop
- Ökotopia
- Akademie
- Klett Kita Welt
- Jobbörse
- Schnäppchenecke
Mit Kindern über Gefühle philosophieren – nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. In der pädagogischen oder psychologischen Arbeit geht es meist darum, Kinder darin zu stärken, sich ihrer eigenen Gefühle bewusst zu werden und diese benennen zu können. Dabei steht vor allem die Gefühlsbewältigung im Mittelpunkt und weniger die philosophische Auseinandersetzung.
Beim Philosophieren mit Kindern liegt der Schwerpunkt hingegen woanders. Nämlich darauf, sich abstrakter mit den Begriffen, erkenntnistheoretischen Zusammenhängen und metaphysischen oder moralischen Dimensionen des Gefühlsausdrucks zu beschäftigen. Im Bereich der Erkenntnistheorie könnte man zum Beispiel nach den Voraussetzungen für das Empfinden von Freude und Leid fragen. So können scheinbares Wissen und Überzeugungen hinterfragt werden.
In diesem Sinn könnten Fragen sein: Was braucht der Mensch, um Freude empfinden zu können? Muss ich selbst Leid erfahren haben, um zu verstehen, was das ist? Was macht Leid aus? Um ein Gespräch zu leiten, ist es hilfreich, wenn Fachkräfte sich im Vorfeld selbst mit diesen Fragen auseinandersetzen. An die Kinder gerichtet kann man die Fragen auch einfacher formulieren, wie zum Beispiel: Wann freust du dich? Ist das für alle Menschen gleich?
Im Kontext von Fragen der Moral kann man mit Kindern beispielsweise erörtern, wann es gut ist, Leid zu empfinden und wann es schlecht ist, sich zu freuen. Weitere Beispiele können sein:
Die Begriffe Mitleid und Schadenfreude sind weniger eindeutig besetzt, als es zunächst scheint. Damit bieten sie Unschärfen, über die wir ins Philosophieren kommen können. Im ersten Schritt kann man klären, ob die Kinder die Begriffe schon kennen. Dafür bietet es sich an, gemeinsam verschiedene Beispiele zu sammeln. Die Antworten der Kinder zu bewerten, sollte man vermeiden und sich mit der eigenen Meinung zurückhalten. So können die Kinder eigene Haltungen entwickeln.
Wie „laut“ darf man sich freuen? Freude und Leid ist ein alltäglich gebräuchliches, gegensätzliches Wortpaar. Während wir den Begriff der Freude sehr viel häufiger nutzen, sprechen wir seltener von Leid. In der Praxis mit Kindern verwendet man eher den Begriff der Trauer im Sinne des Traurigseins. Dieser ist für Kinder einfacher zu erfassen und man verwendet ihn im Alltag öfter.
Im Buddhismus nimmt man an, dass Selbsterkenntnis sowie eine achtsame und gute Lebensweise einen seelischen Zustand der Freude fördern. Die Mitfreude (Mudita) an der Freude anderer nimmt eine zentrale Stellung in der buddhistischen Lebensart ein. Eine philosophische Auseinandersetzung mit den Begriffen der Freude und des Leids kann Kinder schulen, diese in der Kommunikation mit anderen Kindern und Erwachsenen bewusster einzusetzen und sie stärker zu reflektieren. Außerdem verwenden sie die Begriffe auf diese Weise jenseits einer einfachen Bewertung, bei der Freude gut ist und Leid schlecht.
Um mit Kindern dazu ins Philosophieren zu kommen, kann man einen Einstieg über das persönliche Erleben wählen und folgende Impulsfragen nutzen:
Über die Abstraktion kommt man schließlich zu allgemeineren Aussagen:
Fachkräfte können mit den Kindern über die Erfüllung von Grundbedürfnissen sprechen:
So wie es verschiedene Formen des Leidens wie Krankheitsleiden, Tierleid, psychisches Leid (Trauer und Verlust), Altersleiden, Schmerzleiden, Leidensdruck, Mitleid oder Selbstmitleid gibt, existieren auch verschiedene Bedeutungen von Freude. Dazu zählen Mitfreude, Schadenfreude, Vorfreude, Lebensfreude, Gaumenfreude oder Siegesfreude. Kennen die Kinder die jeweiligen Begriffe? Im Gespräch entdeckt man, welche Formen der Freude und des Leids die Kinder kennen und ob sie dafür Beispiele aus ihrem Leben finden.
Damit das Gespräch nicht auf der rein verbalen Ebene und damit unter Umständen sehr abstrakt bleibt, lassen sich verschiedene praktische Aktivitäten mit den Kindern planen. So kann man die Kinder bitten, jeweils einen Gegenstand in der Kita zu suchen, der für sie Freude beziehungsweise Leid symbolisiert. Anhand dieser Gegenstände kann man dann das Gespräch einleiten und die Kinder können vorstellen, warum sie mit dem jeweiligen Gegenstand Freude oder Leid assoziieren. Je nach Alter ist es einfacher, erst den einen Gegenstand zu suchen und schließlich den zweiten. Es wird sicher im Gespräch deutlich, dass nicht alle Kinder die Gegenstände gleichermaßen deuten. Man kann die Sammlung gemeinsam noch einmal prüfen: Gibt es einen Gegenstand, den die Mehrheit der Kinder mit Freude oder Leid assoziieren? Wichtig ist es dabei, den Kindern in Erinnerung zu rufen, dass es keine falschen und richtigen Antworten gibt. Alle Äußerungen der Kinder sind für das Philosophieren wertvoll, da sie helfen, uns der Wahrheit anzunähern. Gerade die Gegenstände, bei denen die Kinder sich uneinig sind, bieten ein hohes Potenzial für ein kontroverses und damit dialektisches Gespräch. Am Ende sollte keineswegs ein Ergebnis im Sinne einer Festlegung bezüglich der Gegenstände stehen, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass es unterschiedliche Deutungen gibt. Und so unterschiedlich diese auch sein mögen, nähern sich die Kinder vielleicht der Frage an, was der Mensch braucht, um Freude empfi nden zu können und was dazu führt, dass er leidet. Damit wären sie bei der vierten Frage des Philosophen Immanuel Kant angelangt: Was ist der Mensch?
Professorin Dr. Katrin Alt ist Erziehungswissenschaftlerin und lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg im Bereich Kindheitspädagogik und Bildungswissenschaften.
Literatur:
Alt, Katrin: Sprachbildung im philosophischen Gespräch. Eine empirische Untersuchung in der Vorschule. In: Hericks, U./Kunze, I./Trautmann, M.: Studien zur Bildungsgangforschung. Band 46. Barbara Budrich, 2019
Alt, Katrin: Wenn ich ein Haustier wäre. Mit Literatur zum philosophischen Gespräch. In: TPS Spezial, Ausgabe 4/20, S. 32-35. Klett Kita 2020
Ihnen hat der Artikel „Wie laut darf man sich freuen?“ gefallen? Weitere Tipps, Wissenswertes und Ideen finden Sie in unserer Zeitschrift klein&groß. Hier bestellen!