01.04.2022
Florian Esser-Greassidou

Kommen die Panzer auch zu uns? Mit Kindern über den Krieg sprechen

Es ist Krieg in Europa. Das Thema macht vor der Kita nicht halt. Wie können wir mit unseren Sorgen und den Ängsten der Kinder umgehen? Unser Autor sagt, worauf es ankommt, welche Rolle das Team spielt und was es mit einer Spielzeugpistole auf sich hat.

Im Lebensraum Kita stellen die Kinder Fragen, teils wissbegierig, teils sorgenvoll. Und sie suchen nach Antworten. Für die Kinder ist alles von Interesse und Relevanz, was sich in ihrer Lebenswirklichkeit abspielt. So auch der Krieg in der Ukraine und mit ihm Themen wie Flucht, Leid, Tod und Zerstörung. Dieser Realität gilt es sensibel und einfühlsam zu begegnen.

Unser Bildungsauftrag besteht nicht in der Zuschreibung von Gut und Böse, sondern in der Verortung von richtig und falsch. In dieser Wertevermittlung geben wir den Kindern Orientierung, nehmen ihnen Ängste, bieten ihnen Sprachanlässe und ordnen die Geschehnisse kindgerecht ein. Dabei begegnen wir den Kindern authentisch und schmücken unsere Erzählungen nicht mit Unwahrheiten aus. Selbst wenn wir nicht die passende Antwort parat haben, gilt: Gut zuhören ist mehr als schweigen. Kinder brauchen uns vor allem als aufmerksame Zuhörer, die ihnen signalisieren, dass es in Ordnung ist, Gefühle wie Angst, Traurigkeit oder Wut zu haben. In einer Zeit der spürbaren Verunsicherung suchen Kinder Halt und die Gewissheit, in Sicherheit zu sein.

Der Spagat besteht darin, die Fragen der Kinder aufgeschlossen zu beantworten, ohne dabei weitere Ängste zu schüren oder Kinder mit ihren Sorgen allein zu lassen. Wir sollten den Impulsen der Kinder behutsam folgen und darauf angemessen reagieren. Was meinen sie, wenn sie sagen: „Ich habe Panzer gesehen und kaputte Häuser“ oder „Kommen die Panzer auch zu uns?“ Woher haben sie die Bilder? Welche Geschichte können sie uns dazu erzählen? Bildungskreise sind ein willkommener Anlass, um mit den Kindern dazu ins Gespräch zu kommen. Sollten Kinder das Thema Krieg in ihrem Spiel aufgreifen, ist das eine weitere Gelegenheit, situativ darauf einzugehen. Kinder verarbeiten ihr Erleben im Spiel und drücken dabei ihre Empfindungen aus. Sie brauchen Zeit, all diese Eindrücke zu verarbeiten. Spielen Kinder also Krieg oder funktionieren Spielzeug zu einer Waffe um, sollten wir darauf besonnen reagieren. Ohne das Kind in unserer „besserwissenden“ Entrüstung zu beschämen. Wenn Kinder Spielzeugwaffen aufeinander richten, kann das viele Gründe haben: Sie wollen handeln und aktiv sein. Sie wollen jemanden beschützen. Sie sind in einem Alter, in dem Tod noch nichts Endgültiges ist. Ein Toter kann in ihren Augen sehr schnell wieder zum Leben erweckt werden. Beobachten Sie die Kinder und gehen sie behutsam mit ihnen in den Dialog: Magst du mir erzählen, was du machst? Solche Fragen geben den Kindern Raum, Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, und Ihnen als Fachkraft Einblick in die kindliche Erlebniswelt.

Der Krieg hat Auswirkungen auf unsere Arbeit. Wir machen uns Gedanken und Sorgen. Das kann unsere Wahrnehmung verändern und unsere Konzentrationsfähigkeit mindern. Um die Handlungssicherheit des Teams sicherzustellen, sollte die nächste Dienstbesprechung genutzt werden, um über die Auswirkungen des Krieges für unsere Arbeit zu sprechen. Tauscht euch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über den pädagogischen Umgang zu dem Thema aus. Verständigt euch auf eine gemeinsame Haltung und einen einheitlichen Umgang mit den Fragen der Kinder. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Fragen, Sorgen und Ängste. Sie sind von den Bildern aus den Nachrichten bewegt und vielleicht durch Angehörige oder Freunde von diesem Krieg selbst betroffen. Gebt euch Zeit darüber zu sprechen, bevor ihr zur Tagesordnung übergeht.

Sorgen und Ängsten können wir begegnen, indem wir etwas tun. Gehen wir in den Dialog mit Kindern. Welche Ideen haben sie? Wie können wir sie in der Umsetzung ihrer Ideen unterstützen? Wenn Kinder sich einbringen können, wenn ihre Ideen und Gedanken zum Tragen kommen, erleben sie sich als selbstwirksam. Diese Erfahrung wird ihnen helfen, mit den eigenen Sorgen und Ängsten gut umzugehen. Wenn sie dies in der Gruppe oder in kleinen Gruppen tun, erleben sie, wie stärkend ein friedliches Miteinander ist.

Bilderbücher als Gesprächsanlass: 

Nikolai Popov
Warum?
Minedition Verlag, 1995 
15 Euro                        
ISBN: 978-3-03934-016-3  

Jon Agee
Auf der anderen Seite lauert was
Dragonfly Verlag, 2021
14 Euro
ISBN: 978-3-74880-064-4

Claude K. Dubois
Akim rennt
Moritz Verlag, 2013
12,95 Euro
ISBN:  978-3-89565-268-4

Francesca Sanna
Die Flucht
Nord-Süd Verlag, 2016
18 Euro
ISBN: 978-3-314-10361-2
 

Florian Esser-Greassidou ist Pädagoge und freiberuflicher Autor. Er ist als Qualitätsleiter für vier Kitas in Nordrhein-Westfalen verantwortlich.

 

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