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In der Pandemie sind Erzieherinnen mit Themen wie Ängsten, Krankheit, Verlust, Isolation und Tod konfrontiert. Ständig neue Regelungen, Stress, die Frage nach dem Sinn der pädagogischen Arbeit: All das ist Realität. Wie soll man da noch gute Arbeit leisten? In einer Reihe von Supervisionen habe ich mit Leiterinnen von Kitas, Gruppenleiterinnen und Erzieherinnen in der Pandemie gesprochen. Einige der häufigsten Themen, die Fachkräfte im Moment bewegt, möchte ich hier skizzieren.
Die Pandemie hat den gewohnten pädagogischen Ablauf radikal unterbrochen. Sowohl für die pädagogischen Fachkräfte mit ihren Beziehungen zu den Kindern und zum Team als auch für die Familien, Eltern, Kinder, Großeltern, Ehepaare, Partnerschaften, Freundschaften und weiteren soziale Beziehungen. Erzieherinnen erleben diese Zäsur im sozialen Leben nicht nur als Fachkräfte während ihrer Arbeitszeit, sondern auch in ihren privaten Rollen als Partnerinnen oder als Kinder ihrer eigenen Eltern.
Gerade zu Beginn der Pandemie wussten wir noch nicht viel über die Krankheit. Auf diese Ungewissheit reagierten viele Erzieherinnen mit starken Ängsten um ihre eigene Gesundheit, die ihrer Partner, ihrer eigenen Kinder und ihrer Eltern. Schon bei kleinsten körperlichen Unannehmlichkeiten vermuteten sie, es könne sich um Corona handeln. Diese Ängste steigerten sich zum Teil so weit, dass sich Fachkräfte bei einem einmaligen Husten – laut eigenen Schilderungen – sofort krankmeldeten. Auch befürchteten sie, dass sich ihre Partner anstecken, erkranken und sterben könnten. Teilweise erkrankten die Partner der Erzieherinnen auch wirklich an Corona und bestätigten dadurch die vorhandenen Ängste. Als Erzieherinnen bemerkten, dass Eltern, die Corona-positiv getestet waren und sich in Isolation und Quarantäne befanden, ihre Kinder aber trotzdem in die Kita schickten, kam zur Angst oft auch Ärger und Wut hinzu.
Erzieherinnen schilderten, dass sie Angst hätten, dass ihre Eltern in der Pandemie sterben könnten. Auch in den Medien tauchte immer wieder das Thema Tod und Sterben auf. In Supervisionen zeigte sich, wie viele bei diesem Thema hin- und hergerissen waren. Wie kann man eine würdevolle Kultur der Verabschiedung von verstorbenen Menschen pflegen, etwa auf eine Beerdigung gehen – und sich gleichzeitig selbst schützen? Eine Leiterin berichtete, dass der Vater eines ihrer Kita-Kinder plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben sei. Das Team diskutierte, ob ein oder zwei Erzieherinnen an der Beerdigung teilnehmen sollten, als Zeichen der Verbundenheit. Dabei äußerten einige Fachkräfte ihre Sorge, dass es an Beerdigungen vermehrt zu Ansteckungen komme. Das Team entschied sich für den Selbstschutz und gegen eine Teilnahme an der Beerdigung. Anders war es bei dem plötzlichen Tod eines älteren Geschwisterkindes, das früher selbst in die Kita ging. Hier nahm die Erzieherin, die das Kind gut kannte, an der Beerdigung teil. Gleichzeitig tauchte das Thema Tod und Sterben bei den Kindern in Zeichnungen und Spielen auf und forderte die Erzieherinnen, offen und emphatisch mit den Kindern ins Gespräch zu kommen und ihnen ermutigend Raum für ihre Trauer zu geben. Die Erzieherinnen befanden sich in der Situation, sich selbst mit einem existentiellen Thema auseinanderzusetzen und gleichzeitig empathisch die Kinder zu begleiten.
Krisen können Gefühle der Unsicherheit, Hilflosigkeit und Verzweiflung auslösen. Angstfantasien verstärken die Unsicherheiten und lähmen uns, Lösungen zu suchen und umzusetzen. Ängstliche Menschen sind nervös, angespannt und verlieren die Fähigkeit, sich zu entspannen. Ihre Gedanken richten sich auf das Schlimmste, was passieren könnte. Sätze wie: „Das schaffen wir nie. Das ist das Ende“, fallen, und Gedanken der Stärke, des Gelingens, der Bewältigung der Krise haben kaum eine Chance. Die psychische Energie wird insbesondere dann gebraucht, wenn das Gefühl der eigenen seelischen Sicherheit verloren geht.
Das menschliche Miteinander besteht aus Vertrauen, emotionaler Nähe, Spontaneität, Kreativität, Zuneigung und Empathie. Der Selbstschutz in der Pandemie aber fordert Distanz zu anderen Menschen, den ungewollten Verlust von menschlicher Wärme und gegenseitiger Nähe, soziale und emotionale Isolation und Durchhaltevermögen. Diese sehr starken Veränderungen im Kontakt im Team, zu den Kindern, zu den Eltern können bei Fachkräften zu massiven Verunsicherungen und Ängsten führen, die zunächst einmal wahrgenommen werden müssen.
Die Pandemie zeichnete sich schon zu Anfang an als eine extrem verunsichernde Situation ab: Man wusste wenig über das Virus, die medizinischen Fachleute suchten selbst nach Lösungen. In Zeiten starker Verunsicherung entsteht der Wunsch, Sicherheit und Klarheit von außen zu erhalten. Dies zeigte sich in Erwartungen an Kitaleitung und Träger: Erzieherinnen forderten Klarheit, Schutz, und eindeutige Dienstanweisungen. Aber auch Kitaleitung und Trägervertreter waren mit denselben Unklarheiten und Ängsten konfrontiert. Zögerliches Verhalten des Trägers führte dazu, dass Erzieherinnen ihre Ängste in Form von Ärger über ihren Träger äußerten: „Wir werden allein gelassen!“
In meinen Supervisionen stellte sich am Ende immer wieder die Frage: Was können wir in einer Situation tun, damit es uns besser geht? Eine Antwort, die ich oft gebe: Selbstsorge. Denn: In einer lebensbedrohlichen Pandemie ist eine gute Selbstsorge wichtiger denn je, kann Stress abbauen und helfen, Lösungen zu finden. Aber was heißt Selbstsorge genau?
- beruht auf einem positiven Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- hilft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen
- erinnert daran, auf sich selbst zu achten, sich um sich selbst zu sorgen
Zur Selbstsorge gehört die Fähigkeit, Situationen gut einzuschätzen und das eigene Denken daran anzupassen. Gedanken wie „Die Situation ist unerträglich. Ich bin hilflos. Ich kann nicht unter diesen Bedingungen nicht mehr sinnvoll pädagogisch arbeiten“ werten die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten herab. Im Sinne der Selbstsorge wäre es sinnvoller, die Gedanken in eine andere Richtung zu steuern: „Die Situation nervt mich. Ich habe diese Situation aber nicht verursacht. Ich versuche, soweit wie möglich, unter diesen Bedingungen sinnvoll zu arbeiten. Ich tausche mich mit anderen Kolleginnen aus und wir versuchen, so aktiv zu bleiben, wie es möglich ist.“ Ziel ist es, die Gedanken auf das Machbare zu zentrieren und sich selbst als aktiv handelnde Person wahrzunehmen.
Dabei können folgende Reflexionsfragen helfen:
- Nach welchen Kriterien beurteile ich mich und die Qualität meiner beruflichen Arbeit?
- Wie kann ich die mir wichtigen Punkte meines beruflichen Handelns in dieser Situation ansatzweise zu meiner Zufriedenheit umsetzen?
- Welche guten pädagogischen Ideen lassen sich zwar nicht jetzt, wohl aber später in einer Nach-Corona-Zeit umsetzen und sind es daher wert, dass ich sie als kostbare Ideen verwahre?
Die Selbstsorge ist einerseits wesentliches Element zur Bewältigung der Folgen der Pandemie, andererseits sind einige Möglichkeiten der Selbstsorge, vor allem die Arbeit und Reflektion in der Gruppe aktuell durch die Kontaktbeschränkungen nicht möglich.
Wenn die Pandemie wichtige Selbstsorge-Komponenten einschränkt, kann auch eine Supervision helfen. In der Pandemie war die Supervision gerade für Leitungen zeitweilig die einzige Gelegenheit, sich persönlich zu treffen, sich miteinander auszutauschen, kritisch-wohlwollend zu hinterfragen oder auch Anerkennung und Bestätigung für das eigene Handeln als Leiterin während der Pandemie zu finden. Die Supervision stellte somit für die Kitaleiterinnen ein Stück gewohnter Normalität da, wenn auch unter einschränkenden Bedingungen. Das zeigt sich in folgenden Szenen:
- Pädagogischen Arbeit:
Jeder Tag war anders. Welche Kollegin krank oder in Quarantäne war und welche Kinder tatsächlich in die Kita kamen, wusste die Leitung oft erst am Morgen. Das Team musste mit der Leitung spontan überlegen, wie die pädagogische Arbeit gelingen konnte. In Leitungssupervisionen tauschten die Leiterinnen Ideen für eine gute pädagogische Arbeit unter Pandemiebedingungen aus und ermutigten einander immer wieder, diese Situation auszuhalten und nicht an ihr zu verzweifeln: „Ich sage mir täglich, dass ich mein Bestes gebe unter diesen Bedingungen. Mehr geht nicht.“
- Kommunikation:
Eine Kita-Leiterin berichtete, dass eine Erzieherin im Team immer wieder über ihre panikähnlichen Ängste sprach und so den anderen die Energie raubte. In einer Supervision kamen wir zu der Lösung, dieser Erzieherin wöchentlich einen Gesprächstermin bei der Leitung anzubieten. Gleichzeitig sollte das Team Gespräche über ihre emotionale Befindlichkeit zeitlich zu begrenzen. Mitteilungen im Sinne eines Blitzlichtes im Team und in den jeweiligen Gruppen waren hingegen ausdrücklich gewünscht.
- Transparenz:
Für die Leiterinnen war es sehr schwierig, ihrem Anspruch nachzukommen, die anderen Erzieherinnen und Mitarbeiterinnen zu motivieren, ihren Mitarbeiterinnen mit ihren Ängsten zuzuhören, und gleichzeitig selbst wenig Unterstützung zu erhalten. In der Supervision wurde thematisiert, inwieweit die Kitaleiterinnen gegenüber dem Team offenlegen dürfen, in welcher Lage sie sich selbst befänden und dass es ihnen immer wieder schwerfiel, Hoffnung zu säen, wo sie selbst mutlos wurden. Die Selbstoffenbarung „Ich weiß auch nicht weiter und kann euch nicht weiterhelfen“, sollte dabei die anderen nicht entmutigen, sondern zu einem Dialog einladen. Diese Selbstoffenbarung zielte darauf hin, einen konstruktiven Gruppenprozess in Bewegung zu setzen. Damit sollte einer typischen Gefahr der Pandemie entgegengewirkt werden: der Kränkung der Verbundenheit und der Kränkung der Autonomie.
Die Pandemie verlangt viel von uns. Wenn wir uns aber regelmäßig um uns selbst sorgen und Unterstützung – wo nötig – suchen und annehmen, finden wir einen Weg raus aus den Ängsten und der Unsicherheit.
Literatur
Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Rönnau-Böse, Maike (2009): Resilienz. Basel: Ernst Rheinhard.
Riemann, Fritz (1999): Grundform der Angst. Basel: Ernst Rheinhard.
Schulz von Thun, Friedemann (2013): Miteinander reden. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rororo.
Yalom, Irvin D. (2008): In die Sonne schauen. Wie man die Angst vor dem Tod überwindet. München: btb.
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