Frau Niemand, wenn wir morgen ihre Kita besuchen würden, was würden wir sehen?
Der Kindergarten liegt in einem kleinen Dorf in der Gemeinde Weitenhagen bei Greifswald. Vor 22 Jahren – als wir hier den Kindergarten gegründet haben – war das Dorf fast verlassen. Zwischendurch spielte man sogar mit dem Gedanken, das Dorf abzureißen. Damals haben wir einen Platz für unseren Kindergarten gesucht und sind hier gelandet. Das Gebäude war ein alter Kornspeicher. Vor allem hat uns das Grundstück total gut gefallen. Wir haben in den Brennsessel gesessen und gemerkt: Der Platz, der ist es irgendwie. Dass Greifswald so nah liegt, hat auch eine Rolle gespielt. Unser Kindergarten selbst ist im Grünen: mit Wald, Moor, vielen Vögeln, Nachbarn die ökologisch denken und Schafe halten. Mittlerweile gibt es auch Obstgärten.
Klingt nach einem Paradies im Grünen – da wollen sicher viele hin.
Ja, aber ohne den Kindergarten hätte sich der Ort wahrscheinlich ganz anders entwickelt. Viele Menschen sind wegen des Kindergartens hierhergezogen. Es gibt zum Beispiel eine Biokräutergärtnerei – die haben ehemalige Eltern gegründet. Mittlerweile ist das Dorf voll, man kann nichts mehr bauen. Trotzdem versuchen Familien immer wieder in die Nähe zu ziehen. Es sind zwei Sachen: die Nähe zu Greifswald und das riesige Glück mit der Umgebung, weil hier zum großen Teil auch ökologisch bewirtschaftet wird.
Bedeutet die Nähe zur Natur, dass Ihnen Nachhaltigkeit am Herzen liegt?
Mein Mann und ich sind sehr von unserer Beziehung zur Natur geprägt. Uns beschäftigen Fragen, wie: Wie können wir uns gut ernähren? Wie können wir gut mit unserer Umwelt umgehen? Wie können wir Bäume Pflanzen – die Landschaft – stärken? Das war schon vor der Gründung des Kindergartens so. Für die Nachhaltigkeit gab es aber noch einen anderen Grund: Bei der Kindergarten-Gründung hatten wir kaum Geld und haben genommen, was da war. Wir haben alte Möbel geschenkt bekommen und aufgearbeitet. Aus alten Dielen haben wir die Kinderwerkstatt geschreinert. Auch alte Ziegel und Balken konnten wir beim Bau verwenden.
So kann einen die ökonomische Lage mit wenig Mitteln, aber mit Kreativität zur Nachhaltigkeit bringen …
Sicher, nur kostet es sehr viel Arbeitskraft, bis man die Dinge nutzbar gemacht hat. Trotzdem: Wir wären niemals auf die Idee gekommen, irgendwelche Sachen von der Stange zu kaufen. Das hätte überhaupt nicht zu uns gepasst. Deshalb haben wir fast alles selbst gemacht – es war preiswert, es war möglich und unterm Strich auch sehr nachhaltig.
Wo zeigt sich bei Ihnen der nachhaltige Aspekt im Kita-Alltag am deutlichsten?
Ich glaube, es gibt verschiedene Bereiche von Nachhaltigkeit. Auf der ökologischen, der ökonomischen, aber auch der sozialen Ebene – letztere ist uns eigentlich am wichtigsten. Unsere Nachhaltigkeit hat sich, wie schon gesagt, zum einen aus der Notwendigkeit heraus entwickelt zum anderen aber auch aus Wissen. Kinder brauchen viel unstrukturiertes Material, damit sie kreativ sein können. Wir Menschen sind gewachsen, indem wir uns mit Erde, Wasser und Feuer auseinandergesetzt haben – mit unserer natürlichen Umgebung. Wir haben die Dinge mit unserem Gehirn erforscht. Kinder reagieren stark auf diese Materialien. Und das beste: Sie kosten nichts. Es ist ja nicht schwer, einem Kind Wasser zur Verfügung zu stellen, oder Erde, Sand und Steine. Wir gehen auch in den Wald mit den Kindern. Das ist das, was vor allem jüngere Kinder brauchen.
Warum ist Ihnen persönlich Nachhaltigkeit so wichtig?
Wenn Familien hier in den Kindergarten kommen, drei, vier Jahre mit uns verbringen, und am Ende verändert rausgehen und tatsächlich nachhaltiger leben als zuvor – das macht mich glücklich! Immer mehr Eltern bringen ihre Kinder heute mit dem Fahrrad. Die Leute haben E-Bikes und wir haben ein eigenes Kindergarten-Lastenrad. Das können die Eltern ausleihen und wir zum Transport von Einkäufen nutzen. Das ist richtig gut! Das finde ich mindestens so wichtig, wie eine Umgebung zu haben, in der man nachhaltig wirtschaftet.
Als nächstes gehen die Kinder in die Schule und die Eltern wissen dann, nach welchen Kriterien sie Dinge bewerten können, wie sie ihre Kinder gut unterstützen können. Was ich auch sehr wichtig finde, ist: gutes Essen. Wir haben eine gute Küche gefunden. Sie kocht nachhaltig, regional und vegetarisch. Vor allem aber regional und darüber bin ich sehr glücklich.