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Bei der Neugründung einer Kita treffen pädagogische Fachkräfte aufeinander, die einander zunächst fremd sind. Es verbinden sie keine gemeinsamen Erlebnisse, es existieren keine persönlichen oder beruflichen Beziehungen untereinander, keine vertrauten Bindungen. Die Neuankömmlinge bilden zu diesem Zeitpunkt noch keine Gruppe, sie sind kein Team. Es existiert kein Wir-Gefühl, denn es gibt keine gemeinsame Geschichte. Es existiert keine gewachsene Teamkultur. Normen, Regeln und pädagogische Selbstverständlichkeiten, gelebt in früheren Kitas, bilden das Rüstzeug, sich auf eine neue Kita, eine neue Leitung, neue Kolleg:innen, einen neuen Stadtteil mit seinen besonderen Erfordernissen (z. B. Brennpunkt) einzulassen. Der Auftrag, der die Erzieher:innen verbindet, ist die Begleitung und Förderung von Kindern auf ihrem Lebensweg. Hier- zu gehören u. a. Empathie und Toleranz, sich einlassen auf die emotionalen Belange der Kinder, die Begleitung bei der Entwicklung sozialer Beziehungen der Kinder, Ermutigung bei der Erschließung neuer Lebensräume.
Leitungen kommt in der Teamentwicklung von Anfang an ei- ne besondere Rolle zu. Von ihrer Haltung, ihrem Aufgabenverständnis, ihrem Führungsstil und ihrer inneren Stärke als Person hängt es ab, ob und wie sich die pädagogischen Fachkräfte zu einem Team finden und entwickeln, das sie als Leitung mitträgt (Führungsverantwortung). Im Kontext eines partnerschaftlichen Führungsstils lässt sich die Leitung als Wegbereiter:in einer von allen Fachkräften mitgetragenen Teamentwicklung ansehen. Die besondere Rolle der Kita-Leitung besteht darin, den notwendigen Freiraum für die Teamentwicklung und die Arbeit im Team zur Verfügung zu stellen. Einer Leitung obliegt es, diesen Suchprozess zu fördern, verbindliche Strukturen zu festigen und eine Balance zu finden zwischen spontanen emotionalen Prozessen (z. B. Sympathie/Antipathie; Ideen und Impulse) und organisatorischen Vorgaben (z. B. Ausrichtung der Kita). Teamentwicklung bedeutet Strukturen mit Leben füllen.
Manche Leitungen behalten es sich vor, die einzelnen Mitglieder ihres neuen Teams zu einem persönlichen Gespräch einzuladen. Das Gespräch kann dabei durchaus von Offenheit und gut dosierter Neugier getragen werden und das Vertrauen zwischen Leitung und der pädagogischen Fachkraft stärken. Zugleich bindet ein Gespräch zu zweit aneinander. Ein Gespräch zwischen Leitung und einer einzelnen pädagogischen Fachkraft kann wie eine Einladung zu einer stärkeren Beziehung zueinander aufgefasst werden und eine nähere Anbindung der pädagogischen Fachkraft an das Team erschweren. Mit Bedacht durchgeführt, kann das persönliche Gespräch aber auch dazu führen, dass die Leitung ein recht klares Bild von den Fähigkeiten ihrer neuen Kolleg:innen gewinnt. Dieses im Dialog gewonnene Wissen kann der Leitung dazu verhelfen, ihren Kolleg:innen von Anfang an gerecht zu werden. Mit der Entscheidung, als Erstkontakt das persönliche Ge-spräch zu wählen, kann aber auch das Selbstverständnis der Leitung und die gewünschte Beziehung zwischen Leitung und den anderen pädagogischen Fachkräften angedeutet werden: Die Leitung versteht sich nicht als Teil des Teams, sondern eher als aktive Koordinatorin des Teams. Als Leitung bleibt sie/er auf Distanz. Im ersten Gespräch wird sich vermutlich eine emotional spürbare Hierachisierung einstellen und möglicherweise ein Gespräch auf Augenhöhe untergraben.
Im Prozess der Teamfindung gilt es, die Fähigkeiten der einzelnen pädagogischen Fachkräfte, ihre Persönlichkeit, verbunden mit ihren persönlichen Wünschen mit den Erfordernissen einer gut strukturierten pädagogischen Arbeit in Einklang zu bringen und vorgegebene Strukturen mit Leben zu füllen. Das Augenmerk kann die Leitung dabei auf
Diese Entwicklung braucht Zeit und einen Schutzraum, in dem sich Arbeitsbeziehungen, wechselseitiges Vertrauen, gemeinsame Verantwortung füreinander und eine gemeinsame Pädagogik entwickeln und festigen können. Es obliegt der Leitung, die Entwicklung im Team immer wieder für das Team offen aus diesen drei Perspektiven zu betrachten.
Eine der tiefsten Sehnsüchte von Menschen ist es, als Mensch wahrgenommen und anerkannt zu werden. Der Zaubermarkt bietet die Möglichkeit, sich im neuen Team als pädagogische
Fachkraft, Mensch und Persönlichkeit vorzustellen. Auf eigenen Markttischen bieten die pädagogischen Fachkräfte ihre Fähigkeiten an, die sie für das Team mitbringen: Empathie, Zielstrebigkeit, Nachdenklichkeit, Kreativität, Spontaneität, Talente, soziale Fähigkeiten und eigene Lebenserfahrungen. Diese Fähigkeiten werden durch symbolische Gegenstände dargestellt (z. B. kleine Oboe für musikalische Fähigkeiten, zwei kleine Figuren für Empathie in Beziehungen, eine kleine Holzwand für Abgrenzungsfähigkeit).
Die Marktstände werden besucht und die Gegenstände bewundert. Die jeweiligen pädagogischen Fachkräfte erklären, welche Fähigkeiten und Erfahrungen die Gegenstände darstellen (Selbstwahrnehmung). Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Team miteinander vertrauter ist, können die Besucher:innen des Marktes die Marktstände ergänzen („Du hast deine Zielstrebigkeit vergessen. Ich habe dir ein Symbol dafür mitgebracht!").
Diese Rückmeldungen können wie ein Geschenk sein. Es ist auch schön zu sehen, wenn die Marktstände liebevoll hergerichtet werden. Dies spricht für Achtsamkeit, Wertschätzung, eine gesunde Liebe zu sich selbst: eine gute Voraussetzung für eine gelingende pädagogische Arbeit im Team.
Der Zaubermarkt braucht viel Zeit. Sinnvoll ist es, hierfür einen ganzen Tag einzuplanen. Für manche Teams ist der Zaubermarkt ein zu mächtiges Instrument. Als Alternative bietet sich an, in einem Stuhlkreis einige der wichtigsten Fähigkeiten als Symbol darzustellen (bitte nicht mehr als zwei am Anfang). Die Symbole werden gesammelt und auf einer Decke in der Mitte des Raums abgelegt, von den jeweiligen Fachkräfte aufgegriffen und nach der Erklärung wieder zurückgelegt: „Ich habe einen Kalender gewählt, weil es typisch ist für mich, dass ich zielgerichtet und strukturiert arbeite. So lebe ich auch persönlich und es tut mir gut, über eine klare Struktur zu verfügen!"
Der Zusammenhalt im Team wird auch durch gemeinsame pädagogische Arbeit gefördert. In der Anfangsphase der neu gegründeten Kita kann es sinnvoll sein, wenn alle einmal miteinander zusammengearbeitet haben, um einander etwas von ihrer persönlichen Art und Weise mitteilen und zeigen. Dies kann in Form kleinerer gemeinsamer Projekte geschehen (gemeinsames Vorlesen). Manchmal entscheiden sich zwei Fachkräfte, sich gemeinsam intensiver um ein Kind zu kümmern und führen gemeinsam die Elterngespräche. Andere entwickeln gute Ideen, die Räumlichkeiten persönlicher einzurichten. Eine Leitung kann hier entscheidende Impulse setzen und ermutigen, diese vielfältigen Ideen offen zu zeigen.
Ergänzend kann die Leitung anregen, immer wieder miteinander zu reflektieren:
Was war heute gut an unserer Pädagogik? Wo haben wir einander unterstützt? Wie haben wir uns gegenseitig weitergeholfen? Was haben wir miteinander heute über jede einzelne und uns gemeinsam gelernt? Wie sind wir heute miteinander umgegangen?
Anhand dieser Übungen entsteht eine vertrauensvolle und lebendige Atmosphäre des kollegialen Miteinanders. Damit beginnt die Geschichte eines neuen Teams. Am Ende des ersten Jahres können Sie zurückblicken:
Wie haben wir gemeinsam dazu beigetragen, dass wir als Team da sind, wo wir jetzt stehen?
Eine spontane Teamskulptur kann diese Reflexion abschließen. Ganz spannend wird es, wenn alle Fachkräfte und auch die Leitung ihre eigene Teamskulptur aufbauen. Diese können sich gleichen oder ähneln, vielleicht sind sie auch ganz verschieden.
So sehen wir uns als Team aus verschiedenen Perspektiven und wir kommen miteinander ins Gespräch, welche Erfahrungen miteinander zu diesen verschiedenen Varianten führten.
Wenn sich die Leitung als Teil des Teams versteht oder Team und Leitung als Gemeinschaft sieht, wird sie die Ideen nicht nur anregen, sondern aktiv daran teilnehmen. Daneben durchläuft jede Leitung ihren eigenen Prozess, um ihre Rolle und Funktion als Leitung verantwortungsvoll wahrnehmen zu können. In einer eigenen Supervision kann sie dabei für sich klären, welcher Leitungsstil zu ihr passt, wie sich dieser im Kontakt mit dem neuen Team verändert und wie sie eine Balance herstellt zwischen der Notwendigkeit zu strukturieren und der wünschenswerten Eigenständigkeit einzelner pädagogischer Fachkräfte und des gesamten Teams. Jede Gruppe und jedes Team verfügt über eine eigene Tiefenstruktur und eine eigene Kraft. Eine Leitung, die dies anerkennt, wird auch Momente erleben, in denen sie von Freude über ihr Team erfüllt ist.
Andreas Schulz, Psychologischer Psychotherapeut, Supervisor DGSv.
Cohn, Ruth: Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle. 20. Auflage. Klett- Cotta 2021
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