Drei Perspektiven
Im Prozess der Teamfindung gilt es, die Fähigkeiten der einzelnen pädagogischen Fachkräfte, ihre Persönlichkeit, verbunden mit ihren persönlichen Wünschen mit den Erfordernissen einer gut strukturierten pädagogischen Arbeit in Einklang zu bringen und vorgegebene Strukturen mit Leben zu füllen. Das Augenmerk kann die Leitung dabei auf
- die einander verbindende Thematik (pädagogische Arbeit in der Kita),
- die Beziehungen untereinander (Förderung der Arbeitsbeziehungen, Schaffung von gegenseitigem Vertrauen, Entwicklung eines Wir-Gefühls, gemeinsame Verantwortung für ein gemeinsames Ziel) und
- die einzelnen pädagogischen Fachkräfte („ich” mit meinen persönlichen Wünschen, Fähigkeiten und Visionen für meine „Pädagogik") lenken (Cohn 2021, 110 ff .).
Diese Entwicklung braucht Zeit und einen Schutzraum, in dem sich Arbeitsbeziehungen, wechselseitiges Vertrauen, gemeinsame Verantwortung füreinander und eine gemeinsame Pädagogik entwickeln und festigen können. Es obliegt der Leitung, die Entwicklung im Team immer wieder für das Team offen aus diesen drei Perspektiven zu betrachten.
Der Zaubermarkt
Eine der tiefsten Sehnsüchte von Menschen ist es, als Mensch wahrgenommen und anerkannt zu werden. Der Zaubermarkt bietet die Möglichkeit, sich im neuen Team als pädagogische
Fachkraft, Mensch und Persönlichkeit vorzustellen. Auf eigenen Markttischen bieten die pädagogischen Fachkräfte ihre Fähigkeiten an, die sie für das Team mitbringen: Empathie, Zielstrebigkeit, Nachdenklichkeit, Kreativität, Spontaneität, Talente, soziale Fähigkeiten und eigene Lebenserfahrungen. Diese Fähigkeiten werden durch symbolische Gegenstände dargestellt (z. B. kleine Oboe für musikalische Fähigkeiten, zwei kleine Figuren für Empathie in Beziehungen, eine kleine Holzwand für Abgrenzungsfähigkeit).
Die Marktstände werden besucht und die Gegenstände bewundert. Die jeweiligen pädagogischen Fachkräfte erklären, welche Fähigkeiten und Erfahrungen die Gegenstände darstellen (Selbstwahrnehmung). Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn das Team miteinander vertrauter ist, können die Besucher:innen des Marktes die Marktstände ergänzen („Du hast deine Zielstrebigkeit vergessen. Ich habe dir ein Symbol dafür mitgebracht!").
Diese Rückmeldungen können wie ein Geschenk sein. Es ist auch schön zu sehen, wenn die Marktstände liebevoll hergerichtet werden. Dies spricht für Achtsamkeit, Wertschätzung, eine gesunde Liebe zu sich selbst: eine gute Voraussetzung für eine gelingende pädagogische Arbeit im Team.
Der Zaubermarkt braucht viel Zeit. Sinnvoll ist es, hierfür einen ganzen Tag einzuplanen. Für manche Teams ist der Zaubermarkt ein zu mächtiges Instrument. Als Alternative bietet sich an, in einem Stuhlkreis einige der wichtigsten Fähigkeiten als Symbol darzustellen (bitte nicht mehr als zwei am Anfang). Die Symbole werden gesammelt und auf einer Decke in der Mitte des Raums abgelegt, von den jeweiligen Fachkräfte aufgegriffen und nach der Erklärung wieder zurückgelegt: „Ich habe einen Kalender gewählt, weil es typisch ist für mich, dass ich zielgerichtet und strukturiert arbeite. So lebe ich auch persönlich und es tut mir gut, über eine klare Struktur zu verfügen!"
Die Arbeit beginnt
Der Zusammenhalt im Team wird auch durch gemeinsame pädagogische Arbeit gefördert. In der Anfangsphase der neu gegründeten Kita kann es sinnvoll sein, wenn alle einmal miteinander zusammengearbeitet haben, um einander etwas von ihrer persönlichen Art und Weise mitteilen und zeigen. Dies kann in Form kleinerer gemeinsamer Projekte geschehen (gemeinsames Vorlesen). Manchmal entscheiden sich zwei Fachkräfte, sich gemeinsam intensiver um ein Kind zu kümmern und führen gemeinsam die Elterngespräche. Andere entwickeln gute Ideen, die Räumlichkeiten persönlicher einzurichten. Eine Leitung kann hier entscheidende Impulse setzen und ermutigen, diese vielfältigen Ideen offen zu zeigen.
Teamstärkende Reflexion
Ergänzend kann die Leitung anregen, immer wieder miteinander zu reflektieren:
Was war heute gut an unserer Pädagogik? Wo haben wir einander unterstützt? Wie haben wir uns gegenseitig weitergeholfen? Was haben wir miteinander heute über jede einzelne und uns gemeinsam gelernt? Wie sind wir heute miteinander umgegangen?
So sehen wir uns als Team
Anhand dieser Übungen entsteht eine vertrauensvolle und lebendige Atmosphäre des kollegialen Miteinanders. Damit beginnt die Geschichte eines neuen Teams. Am Ende des ersten Jahres können Sie zurückblicken:
Wie haben wir gemeinsam dazu beigetragen, dass wir als Team da sind, wo wir jetzt stehen?
Eine spontane Teamskulptur kann diese Reflexion abschließen. Ganz spannend wird es, wenn alle Fachkräfte und auch die Leitung ihre eigene Teamskulptur aufbauen. Diese können sich gleichen oder ähneln, vielleicht sind sie auch ganz verschieden.
So sehen wir uns als Team aus verschiedenen Perspektiven und wir kommen miteinander ins Gespräch, welche Erfahrungen miteinander zu diesen verschiedenen Varianten führten.
Ein Blick auf die Leitung
Wenn sich die Leitung als Teil des Teams versteht oder Team und Leitung als Gemeinschaft sieht, wird sie die Ideen nicht nur anregen, sondern aktiv daran teilnehmen. Daneben durchläuft jede Leitung ihren eigenen Prozess, um ihre Rolle und Funktion als Leitung verantwortungsvoll wahrnehmen zu können. In einer eigenen Supervision kann sie dabei für sich klären, welcher Leitungsstil zu ihr passt, wie sich dieser im Kontakt mit dem neuen Team verändert und wie sie eine Balance herstellt zwischen der Notwendigkeit zu strukturieren und der wünschenswerten Eigenständigkeit einzelner pädagogischer Fachkräfte und des gesamten Teams. Jede Gruppe und jedes Team verfügt über eine eigene Tiefenstruktur und eine eigene Kraft. Eine Leitung, die dies anerkennt, wird auch Momente erleben, in denen sie von Freude über ihr Team erfüllt ist.
Andreas Schulz, Psychologischer Psychotherapeut, Supervisor DGSv.
Literatur
Cohn, Ruth: Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle. 20. Auflage. Klett- Cotta 2021