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Ich lebe den Kindern (meine) Werte täglich vor. Werte sind die Grundlage unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Dazu gehören für mich Respekt, Verantwortungsbewusstsein, Fairness, Konfliktbereitschaft, Toleranz und Diversität. In unserer pluralistischen modernen Gesellschaft sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, das eigene Schönheitsideal nach eigenem, individuellem Geschmack kultivieren und ausdrücken zu dürfen. Und dazu gehören auch die Fingernägel.
Dünne oder brüchige Naturnägel sehen in meinen Augen ungepflegt aus, von Fingernägel-Kauen gar nicht zu reden. Ist das das Vorbild, das wir Kindern vorleben wollen? Dass ungepflegte Nägel total okay sind, künstliche Nägel ab einer bestimmten Länge aber nicht? Durch das künstliche Verstärken der Nägel sehen die Hände immer gepflegt aus, das wirkt sich auch auf den Allgemeinzustand aus. Man schämt sich nicht mehr für seine Hände und versucht auch nicht, sie bei einem Elterngespräch oder anderem zu verstecken.
Bei uns werden alle Kolleg:innen regelmäßig in HACCP geschult (Anmerkung der Redaktion: HACCP: Konzept zur Kontrolle und Einhaltung gesetzlich festgelegter Hygienevorschriften). Ich weiß, wie ich meine Hände und meine Nägel optimal reinigen, desinfizieren und pflegen muss. Durch das bewusste mehrfache Reinigen während des Arbeitsalltages sind für mich alle Vorurteile bezüglich Sauberkeit entkräftet. Gerade Hygiene hängt doch nicht (nur) von Nägeln ab! Und auch die Qualität der Arbeit ist doch gleichwertig und unabhängig davon, ob jemand Gel- oder Naturnägel hat. Verletzt oder gekratzt habe ich in all den Jahren, in denen ich jetzt in der Krippe und als Tagesmutter arbeite, noch nicht ein einziges Kind. Man bekommt ein eigenes Gespür für die Länge der Nägel und kann damit wunderbar arbeiten. Besonders für Fingerspiele im Morgenkreis, zum sanften Kraulen beim Einschlafen oder zum Geräuscheerzeugen sind meine Gelnägel sogar besonders beliebt bei den Kindern. Es gibt übrigens unterschiedliche Feilmethoden des Nagels, sodass auch lange Nägel nicht „scharf“ sind.
Wir leben den Kindern in unserer pädagogischen Arbeit doch jeden Tag vor, dass die Kinder den Mut haben dürfen, „anders“ zu sein, dass es wichtig ist, sich in seinem Körper wohlzufühlen, dass ich andere Meinungen und einen anderen Geschmack akzeptiere, aber trotzdem eine eigene Meinung vertreten darf, dass für jeden etwas anderes „schön“ ist. Mit richtiger Pflege, korrekter Hygiene und dem einhergehendem Wohlfühlfaktor gehören Gelnägel zu meinem individuellem Schönheitsbild. Und hat nicht jede/r von uns ein Recht darauf?
Sabrina Djogo ist 34 Jahre alt. Sie arbeitet überwiegend mit Kleinkindern im U3-Bereich als selbstständige Tagesmutter. Nebenbei ist sie Referentin, Autorin und schreibt einen Blog über ihre tägliche Arbeit. Sie hat seit 20 Jahren Gelnägel.
Geschmäcker sind verschieden und das ist auch gut so. Grundsätzlich ist Vielfalt und Kreativität gerade bei Pädagogen erwünscht. Trotzdem gibt es, ob es uns gefällt oder nicht, so etwas wie einen Dresscode. Pastor:innen erscheinen auf der Kanzel nicht in Joggingkleidung, Fleischereifachverkäufer:innen tragen Kittel und weder kurze Hose noch TOP, denn nicht alles, was gefällt, ist auch erlaubt. Arbeitgeber haben ein Direktionsrecht, das ihnen erlaubt, Vorgaben in Sachen Kleidung und Erscheinungsbild zu machen.
Aber es geht nicht nur ums Gefallen. Als Grundlage für Entscheidungen nutzen Träger von Einrichtungen häufig Publikationen wie die KRINKO-Empfehlung „Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens“. Hier heißt es in Kapitel 3.3 zu den Voraussetzungen für die hygienische Händedesinfektion: „Kurzgeschnittene, mit den Fingerkuppen abschließende Fingernägel gewährleisten die Reinigung der subungualen Spatien und minimieren die Gefahr der Handschuhperforation an den Fingerkuppen. Nagellack ist abzulehnen, weil er die Sichtbeurteilung der Nägel behindert und mit steigender Tragedauer die Kolonisation auf den Nägeln zunimmt (…) Die Bakteriendichte ist auf künstlichen Nägeln höher als auf natürlichen.“ (112 -116)
Dürfen/Sollten Gelnägel am Arbeitsplatz Kita deswegen gleich verboten werden? Ja, der Arbeitgeber darf Gelnägel am Arbeitsplatz verbieten. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht Aachen, im Rahmen einer Klage, bei der die Klägerin (Altenpflegerin) durch das Verbot ihr Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Sie argumentierte, dass sich diese Anweisung auch auf ihr persönliches Erscheinungsbild in der Freizeit auswirken würde. Nach Ansicht der Richter hatte die Chefin der Klägerin allerdings das bessere Argument auf ihrer Seite: Ein Verbot für Gelnägel am Arbeitsplatz sei aus hygienischen Gründen zwingend erforderlich und diene dem Schutz der Bewohner. Die Leitung des Altenheims berief sich dabei auf Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, welches angibt, dass Pflegepersonal grundsätzlich „natürliche und kurzgeschnittene Fingernägel“ tragen sollte.
Häufig werden zwischen Arbeitgeber und Personal individuelle Vereinbarungen zum Thema künstliche Fingernägel getroffen. Im Zweifelsfall sollten pädagogische Fachkräfte vor Stellenantritt die Sachlage klären. Die beste Lösung, so empfinde ich es, wäre eine gemeinsame Interessenabwägung. Dabei sind natürlich auch die Interessen der Eltern abzuwägen.
Petra Stamer-Brandt war viele Jahre als stellvertretende Leiterin der Fachschule für Sozialpädagogik tätig. Heute ist sie Dozentin an der Christian-Albrechts- Universität in Kiel, pädagogische Organisationsberaterin, Autorin und Fortbildnerin.
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Quellen
https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Krankenhaushyg/Kuenstliche_Fingernaegel/Krankenhaushyg_Fingernaegel.html?nn=2868974
https://www.arbeitsrechte.de/urteil-gelnaegel-am-arbeitsplatzduerfen-verboten-werden/
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