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Vorurteile sind – wie Konflikte – Normalität und sollten kein Tabu in Bildungseinrichtungen sein. Gleichzeitig ist es wichtig, regelmäßig über Vorurteile zu reflektieren, da diese überwiegend unbewusst verankert sind. Dieses Phänomen wird im Englischen „Unconscious Bias“ genannt, was so viel wie „unbewusste Vorannahmen“ bedeutet. Unbewusste Vorannahmen sind biologisch-emotional angelegte Vorurteilspfade im Gehirn und deshalb auch so konstant, rigide und unerbittlich wiederholbar. Die Region ist als limbisches System bzw. als Emotionsgehirn bekannt. Durch Sozialisation bzw. durch unzählige Interaktionen, die nicht immer von positiven Erfahrungen gekrönt sind, werden diese biologischen Pfade vom Menschen und seiner Umwelt geebnet. Deshalb fallen Menschen immer wieder in ihre eigene Vorurteilsgrube hinein, wobei die Vorurteile weiter verstärkt werden (Confirming Evidence Trap).
Wir beweisen uns, wenn wir sie benutzen, damit immer wieder aufs Neue, dass sie für uns passend sind – selbst wenn andere dadurch diskriminiert werden. Das Gehirn hat die Kompetenz, unbewusste Vorurteile so zu rationalisieren, dass diese doch am Ende als richtig bewertet und interpretiert werden. Genau das ist das Vorurteilsdilemma und dies erschwert, unterschiedlich angelegte Diversity-Ansätze gesellschaftlich in Bildungseinrichtungen umzusetzen.
Durch die Auseinandersetzung im Team mit dem Thema „Vorurteile“ in verschiedenen Bereichen, können Teammitglieder durch Willenskraft lernen: offen, konstruktiv, vorurteilsbewusst und vor allem auch mal mit einer Portion Humor damit emotional- positiv umzugehen. Durch qualitative Fragestellungen wie „Was ist uns wirklich wichtig im Team?“ entsteht mit der Zeit ein kollektives Wertebewusstsein. Durch die transparenten Werte ergeben sich dann viele Möglichkeiten des neuen und fairen Umgangs miteinander. Werte zu leben und auszudrücken, ist bei Weitem sinnvoller, friedlicher und versöhnlicher. Werte sind jedoch genau wie Vorurteile meist unbewusst und im limbischen System verankert. Menschen wissen deshalb oft nicht, warum sie wütend reagieren, weil das Wertesystem im Hintergrund mitschwingt. Deshalb müssen auch Werte durch Tiefenreflexion bewusst gemacht werden.
ÜBUNG:
Hier gibt es ein Training, um der Vorurteilsfalle etwas zu entkommen. Da sie biologisch-emotional im Gehirn verankert ist, lässt sie sich durch Inne halten, Hinschauen und Hineinfühlen in Form von langsamem Denken neu verschalten. Die Themenbereiche, in denen sich Vorurteile tummeln, sind bewusst (noch) nicht vorgegeben. Die Reflexionsfragen stellt das Team selbst zusammen. Ein Team hat zunächst zwei Vorurteilsfragen konzipiert:
AUF EINEN BLICK!
Wert oder Unwert
Was sind Werte? Wann sind Werte keine Werte mehr und werden zu Unwerten? Unwerte sind überzogene Werte wie beispielsweise Geiz beim Wert Sparsamkeit und Verschwendung beim Wert Großzügigkeit. Sind uns unsere eigenen Überziehungen bewusst? Wann kippt mein Wert zum Unwert? Was sind die positiven Gegenwerte zu meinen Werten? Der Wert Sparsamkeit braucht auch den Wert Großzügigkeit. Liegen meine Glaubenssätze in den Mittelwerten? Oder lege ich z. B. nur Wert auf Sparsamkeit und die Großzügigkeit kommt zu kurz? Wenn jemand seinen Wert auf Sparsamkeit legt, ist die Großzügigkeit vielleicht sein blinder Fleck und dort sitzen in der Regel die Vorurteile.
Was wollen wir wirklich? Was wollen wir auch in stressigen Situationen? Wie wollen wir sein? Was wollen wir nicht? Wie können wir das, was wir wollen, selbst in Konfliktsituationen umsetzen? Wie können neue Strategien des Umgangs, ohne bewusst zu verletzen, konkret aussehen?
Gerade durch die Auseinandersetzung mit Werten und Unwerten wird das Verhalten im Team achtsamer und sogar empathisch-mitfühlender. Angriffe werden schneller in Werte übersetzt. Die Äußerungen sind dann weniger verletzend und das kommt der Stimmung im Team und am Ende auch den Kindern, den Eltern und allen Kooperationspartnern zugute.
Das Miteinander ist auf allen Ebenen gewinn- und sogar glücksbringender. Die Teammitglieder lernen, in Werten zu denken, und sind weniger ihren unbewussten Vorurteilen ausgesetzt und ausgeliefert.
Ein unbewusstes Vorurteil zu ändern, ist viel komplexer, als man denkt. Denn Menschen müssen dabei die biologisch angelegten Pfade im Gehirn verändern. Dazu ist es notwendig, sich der hinter legten Emotionen und Gefühle bewusst zu werden. Sie müssen inkludiert, sprich vom Individuum angenommen werden.
Anschließend erst können sie nachhaltig verändert werden. Wenn jemand behauptet: „Ich habe keine Vorurteile!“, das Vorurteil dennoch im Hintergrund lodert, kann die neue Strategie im Außen kaum wirken.
Deshalb ist es in erster Linie wichtig, dass die Teammitglieder über die Hartnäckigkeit des Vorurteils Bescheid wissen. Die Teammitglieder sollten auch zur Auseinandersetzung mit den Vorurteilen bereit sein. Ohne diese Bereitschaft ist es kaum möglich, Vorurteile aufzuweichen. Jeder sollte damit einverstanden sein, sich dazu kritische Reflexionsfragen zu stellen.
Durch gemeinsame Willenskraft können wir an kritischen Reflexionsfragen ansetzen, um tatsächlich etwas zu verändern, ohne dass Betroffene beleidigt sind, wenn z. B. nochmals nachgefragt wird: „Glaubst du wirklich, was du sagst?“, „Könnte es nicht auch anders sein?“, „Vielleicht geht es ja doch, dass du nochmals mit ihm sprichst?“
Eine Tasse Vorurteil bitte. Bilden Sie dazu zwei Cafés, in denen liebend gerne Vorurteile gesammelt werden. Auf den Tischen liegen Papier und Buntstifte. Wenn gewünscht auch Kuchen, Kaffee oder Tee.
Im ersten Café sprechen Sie über „positive Vorurteile“ und im zweiten über „negative“. Positive Vorurteile sind ebenso pauschalierte Urteile, die mehr einschränkend und blockierend als nützlich sind: „Unsere türkischen Mamas backen gerne.“ Wirklich?
Alles, was die Gruppen assoziieren, lässt sich auf der Papiertischdecke festhalten. Es darf auch gemalt werden. Wenn die Gruppen in den einzelnen Cafés mit der ersten Runde fertig sind, dann wird das andere Café besucht. Einer bleibt jedoch im Café und erzählt den neuen Gruppenmitgliedern über den vorangegangenen Gruppenprozess und die Assoziationen zu den Vorurteilen in dem jeweiligen Café. Dann erst wird ergänzt. Am Ende geht jeder zurück zu seinem Ursprungscafé. Dort wird überlegt, wie sich die Vorurteile auflösen lassen.
Nach diesen vielen Vorurteilen, die nun auf dem Tisch liegen, ist klar: Jeder hat den Vorteil in seiner Hand.
Theresia Friesinger ist Sozialpädagogin (B. A.) und Inhaberin des Bildungsinstituts für Empathie. Sie ist Referentin für Bildungseinrichtungen und Fachbuchautorin. Kontakt: www.bildungsinstitut-fuer-empathie.de
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