11.05.2022
Ramona Banszerus

Im Rollenspiel Probleme lösen

Bei der kollegialen Beratung diskutieren Fachkräfte nach einem festgelegten Verfahren. Sie gehört zu den Qualitätsmerkmalen einer Einrichtung.

In der Praxis stellen Sie als Leitung sich Herausforderungen unterschiedlichster Art, da Sie in verschiedenen Strukturen zusammenarbeiten. Dazu gehören unter anderem das Führen und Anleiten Ihrer Mitarbeitenden, die Kooperation mit Eltern und die pädagogische Arbeit mit Kindern. Auf allen Ebenen gilt es, berufliche Fragen zu beantworten und Lösungen zu entwickeln, wenn Sie oder das Kitateam einmal nicht weiterwissen. Die kollegiale Beratung bietet dafür eine schnelle und professionelle Möglichkeit.

Die eigenen Kolleginnen und Kollegen fungieren als Berater und helfen dabei, zu neuen Denkansätzen und Strategien zu kommen. Dabei ist es egal, ob sich Fragestellungen aus dem pädagogischen Kontext oder der Teamarbeit ergeben. Manchmal benötigt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin auch Hilfestellung für die eigene Berufsrolle. Während einer kollegialen Beratung reflektieren pädagogische Fachkräfte ihre Arbeit und gelangen so zu neuen Schlüsselkompetenzen. Diese Beratungsform stellt also ein wichtiges Qualitätsmerkmal Ihrer Einrichtung dar. Während einer kollegialen Beratung werden dem Psychologen Kim-Oliver Tietze zufolge verschiedene Phasen durchlaufen:

Das Casting

Zunächst sind die Rollen zu besetzen. Insgesamt nehmen sechs bis neun Fachkräfte an der Beratung teil. Diese werden folgendermaßen gegliedert: Der Fallerzähler: Ein Teilnehmer bringt eine Fragestellung aus der beruflichen Praxis mit und lässt sich von seinen Kollegen beraten. Der Moderator: Diese Rolle führt durch die kollegiale Beratung und strukturiert diese. Der Moderator behält den zeitlichen Rahmen im Blick, eröffnet und schließt die verschiedenen Phasen des Gesprächs und unterstützt den Fallgeber mit der Klärung offener Fragen. Außerdem achtet er darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Die Berater: Vier bis sechs Berater hören sich den Fall aufmerksam an und geben in der Beratungsphase je nach ausgewählter Methode Impulse, Ideen und Lösungsvorschläge. Weitere Rollen: Abhängig von Bedarf und Anzahl der Teilnehmenden können noch ein Sekretär und ein Beobachter gewählt werden. Der Sekretär dokumentiert den Beratungsprozess, während der Beobachter nicht aktiv an der Beratung teilnimmt und am Ende den anderen Teilnehmern eine Rückmeldung gibt. Wenn alle Rollen besetzt sind, eröffnet der Moderator die nächste Phase.

Die Spontanerzählung

Der Fallerzähler darf für zirka zehn Minuten berichten, welches Problem ihn beschäftigt. Er informiert darüber so detailliert, dass die übrigen Teilnehmenden ihn verstehen. Bei päda- gogischen Fragestellungen zu einem Kind beispielsweise berichtet er umfassend vom Kind, seinem Verhalten oder Entwicklungsbeobachtungen. Die Berater brauchen einen weitgehenden Überblick über den Fall.

Der Moderator darf während der Fallerzählung Verständnisfragen stellen, während sich die Berater zurückhalten und nur zuhören. Erst am Ende überlässt der Moderator den Beratern zwei bis drei Verständnisfragen, die sie nun stellen dürfen. Wenn alle Teilnehmer den Fall verstanden haben, schließt der Moderator diese Phase ab.

Die Schlüsselfrage

Hierbei wird das Ziel der kollegialen Beratung ermittelt. Welche konkrete Fragestellung soll dem Fallerzähler beantwortet werden, damit dieser gestärkt aus der Beratung gehen kann?  Der Fallerzähler formuliert die Schlüsselfrage selbst, der Moderator unterstützt ihn dabei. Alle Teilnehmenden müssen die konkrete Fragestellung verstehen, bevor sie beraten können. Es hilft, wenn der Sekretär die Schlüsselfrage auf ein Flipchart schreibt, damit während der Beratung der Fokus nicht verloren geht. Dem Fallerzähler fällt es schwer, eine konkrete Schlüsselfrage zu formulieren? Dann springen dafür die Berater schon vor der eigentlichen Beratungsphase ein. Der Fallerzähler entscheidet sich letztlich für eine passende Schlüsselfrage. Anschließend führt der Moderator in die nächste Phase.

Die Methodenwahl

Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen, die zum Ziel führen. Der Fallerzähler darf entscheiden, welche Methode am besten zu seinem Fall passt. Zu diesen gehört zum Beispiel das Brainstorming, mit dem möglichst viele unterschiedliche Ideen gesammelt werden können. Eine interessante Alternative bietet das sogenannte Kopfstand-Brainstorming. Damit sucht man nach Punkten, die die Situation verschlimmern. Anschließend werden die negativen Impulse umgedreht und es ergeben sich ganz neue Denkansätze. Am besten schaut sich der Moderator zur Vorbereitung auf die kollegiale Beratung alle möglichen Methoden an und stellt diese den Teilnehmenden übersichtlich dar. Das gewährt einen reibungslosen Ablauf und sichert den Flow der Sitzung. Für die Kitapraxis hat es sich bewährt, einen Ordner oder Methodenkoffer für die kollegiale Beratung anzulegen, da die Rollen in der Beratung wechseln können und sich jeder auf die Moderatorenrolle vorbereiten sollte. Hat sich der Fallerzähler für eine Methode entschieden, läutet der Moderator die nächste Phase ein.

Die Beratung

Nun sind die Berater gefragt. Passend zur Schlüsselfrage liefern sie Ideen und Vorschläge. Sie beraten den Fallerzähler nach der ausgewählten Methode. Dafür haben sie in dieser Phase zehn Minuten Zeit. Das kann in der Praxis ganz schön lange wirken – vor allem, wenn einem die Antwort auf eine Schlüsselfrage auf den ersten Blick klar erscheint. Hier gilt aber: Quantität statt Qualität! Es ist wichtig, so viele Ideen wie möglich zu sammeln. Nur so können ganz unterschiedliche Denkmuster zum Vorschein kommen. Und genau das ist es, was dem Fallerzähler am Ende hilft. Der Moderator achtet darauf, dass keine Vorschläge gewertet oder abgelehnt werden. Jede noch so kreative Idee ist erlaubt. Die Berater lassen sich gegenseitig ausreden und geben Vorschläge nacheinander ab, so dass jeder etwas beitragen kann. Diesmal muss der Fallerzähler aufmerksam zuhören und unterbricht die Berater nicht.

Es ist wichtig, dass der Sekretär alle Ideen mitschreibt, damit der Fallerzähler anschließend nicht den Überblick verliert. Die Berater sehen so außerdem, welche Vorschläge bereits eingebracht worden sind.

Der Abschluss

 Der Fallerzähler wählt aus, welche Anregungen helfen können. Er bedankt sich für die Beratung. Die Teilnehmenden können dem Moderator ein Feedback geben. Wurde vorab ein Beobachter gewählt, kann dieser seine Wahrnehmung der kollegialen Beratung rückmelden.

Gut zu wissen

  • Besuchen Sie Fortbildungen zu diesem Thema, um die Vielfalt der Beratungsmethoden kennenzulernen.
  • Es ist sinnvoll, das gesamte Team frühzeitig mit der kollegialen Beratung vertraut zu machen, damit es diese eigenständig durchführen kann. Die Rollen sollten jedes Mal unterschiedlich besetzt werden, damit jeder und jede einmal mit einer Fallerzählung einen Nutzen aus der kollegialen Beratung ziehen kann.

Neu als Leitung?

Sie haben noch Schwierigkeiten, Ihre Mitarbeiter zu führen? Vernetzen Sie sich mit Leitungen anderer Einrichtungen und bitten Sie um eine kollegiale Beratung. So profi - tieren Sie vom Wissen erfahrener Kitaleitungen und können Ihren professionellen Habitus erweitern.  

Tipp

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Ramona Banszerus leitete mehrere Jahre eine Kinderkrippe, arbeitet jetzt wieder im Gruppendienst.

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