1. Religiös verwurzeltes Milieu
Menschen, die in archaisch, patriarchalisch geprägten, sozial und kulturell isolierten Milieus leben. Sie sind von religiösen Traditionen der Herkunftsregion geprägt, mit deutlichen Ruckzugs- und Abschottungstendenzen, und pflegen die Traditionen des Herkunftslandes: sechs Prozent.
2. Prekäres Milieu
Sie leben mit starken Zukunftsängsten, Ressentiments und einer oft fatalistischen Lebenseinstellung. Sie fühlen sich ausgeschlossen und benachteiligt: sieben Prozent.
3. Konsum-Hedonismus-Milieu
Das junge freizeitorientierte Unterschichtmilieu mit defizitärer Identität und Underdog-Bewusstsein ist auf der Suche nach Spaß, Unterhaltung und Konsum. Sie passen sich nicht an Erwartungen der Gesellschaft an: acht Prozent.
4. Experimentalistisches Milieu
Das individualistische Milieu mit Fokus auf das Leben im Hier und Jetzt: zehn Prozent.
5. Milieu der Performer
Sie sind zielstrebige, selbstbewusste, global denkende Zukunftsoptimisten mit hoher Technik-Affinität und gehobenen Stil- und Konsumansprüchen: zehn Prozent.
6. Traditionelles Arbeitermilieu
Das etablierte traditionelle Milieu der Arbeitsmigranten und Spätaussiedler, das nach materieller Sicherheit und Anerkennung strebt und sich angepasst hat, ohne anzuecken: zehn Prozent.
7. Adaptiv-pragmatisches Milieu
Der optimistische, familienorientierte junge Mainstream mit Freude am technischen Fortschritt, pragmatisch- realistischen Zieldefinitionen und hoher Anpassungsbereitschaft: elf Prozent.
8. Bürgerliche Mitte
Die leistungs- und anpassungsbereite Mitte der Migrantenpopulation, die sich mit den Verhältnissen im Aufnahmeland identifiziert, nach sozialer Akzeptanz und Zugehörigkeit strebt und harmonisch und abgesichert leben mochte: elf Prozent.
9. Statusbewusstes Milieu
Aufstiegsorientiertes Milieu mit traditionellen Wurzeln, das durch Leistung und Zielstrebigkeit materiellen Wohlstand und soziale Anerkennung erreichen will, ohne seine Bezüge zur Herkunftskultur aufzugeben: zwölf Prozent.
10. Intellektuell-politisches Milieu
Die erfolgreiche sowie aufgeklarte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung, einem multikulturellen Selbstverständnis und vielfaltigen intellektuellen Interessen: dreizehn Prozent.
Diese Zahlen zeigen, dass Lebensstile und Haltungen in der Gruppe der Menschen mit Migrationsgeschichte so verschieden sind wie bei Menschen ohne Migrationsgeschichte. Familien mit Migrationshintergrund sind keine homogene Bevölkerungsgruppe. Menschen des gleichen Milieus, aber mit unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Zuwanderungsgeschichte, verbindet mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus, wie der Wissenschaftler Bernd Hallenberg und seine Kollegen ausführen.
Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass die Gleichzeitigkeit von Zu- und Abwendung gegenüber Traditionen, modernen Lebensformen oder Weltbildern den Mustern in der Gesamtbevölkerung ähneln, wenngleich in teilweise anderen Erscheinungsformen. Hybride Identitäten, also solche Menschen, die sich zu mehreren kulturellen Raumen zugehörig fühlen, sind für viele Milieus selbstverständlich und haben weiter an Gewicht gewonnen.
Ein vor zehn Jahren eher seltenes Muster zeichnet sich heute deutlicher ab: die Verbindung von selbstbewusstem Aufstiegswillen und gleichzeitigem Festhalten an Herkunft und Traditionen. In diesem statusbewussten Milieu glauben die Menschen nicht an Abgrenzung – sie wollen selbstbewusst teilhaben und bewahren. Für die Integrationsdebatte ist dies eine wichtige Erkenntnis.
Eine Kernaufgabe bleibt der Abbau von Benachteiligungen und offenen Herabwürdigungen, die den sozialen Zusammenhalt untergraben. Insbesondere für drei Zwecke können und sollten wir unser neues Milieuwissen nutzen: Menschen mit Migrationshintergrund differenziert, aber als ganz normalen, gleichberechtigten Teil der Gesellschaft zu sehen, pauschale Zuschreibungen zurückzuweisen und Wege für einen Zusammenhalt finden. Denn eines ist vollkommen klar: Zunehmende Vielfalt wird unsere Zukunft dauerhaft prägen. Hierbei haben wir als Kitas die besondere Chance und Aufgabe zugleich, aktiv zu einer Willkommenskultur und Stärkung der Vielfalt beizutragen.
Ein australisches Kind erzählt: Einmalig ich
Ich bin,
ein Durcheinander vieler Kulturen,
einmalig ich.
Ich denke, das ist gut so,
weil ich den Reisenden, den Gast, den Fremden,
den, der Heimweh hat, verstehe.
Aber ich denke auch, dass das schlecht ist,
weil ich von dem Menschen, der nur an einem Ort
aufgewachsen ist,
nicht verstanden werden kann.
Diese Menschen kennen die Bedeutung von
Heimweh, das mich ab und zu befällt,
nicht wirklich.
Manchmal fühle ich mich dabei hilflos.
Ich bin eine Insel, aber gleichzeitig auch die
Vereinten Nationen.
Wer, außer Gott, kann mich wirklich erkennen
Und verstehen.
In: Die Welt entdecken. Zehn Stichworte zur Qualität in der Kinderbetreuung. Zug/Schweiz: Höhere Fachschule für Kindererziehung Curaviva.
LITERATUR:
BORKE, JÖRN; SCHWENTESIUS, ANJA (2018): Kultursensitives Arbeiten in der Kita. Ein Leitfaden für pädagogische Fachkräfte. Köln: Carl Link.
HALLENBERG, BERND; DETTMAR, RAINER; ARING, JÜRGEN (2018): Migranten, Meinungen, Milieus. Der vhw Migrantensurvey 2018. Berlin: Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.
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