Sie nehmen auch die erschrockenen Reaktionen über dieses Thema an ihren Mitmenschen wahr und werden versuchen, dies mit ihrem Leben zu verknüpfen: Was habe ich damit zu tun?, Was kann ich tun, damit es meiner Mama, meiner Erzieherin, meinem Erzieher wieder besser geht? Deshalb plädiere ich auch immer für ein professionelles und fachliches Handeln von pädagogischen Fachkräften. Sie müssen, meiner Meinung nach, Neutralität ausstrahlen und im Kita- Alltag ein Lächeln auf dem Gesicht tragen. Ich weiß, dass das oft einer schauspielerischen Leistung gleicht, und genau das erwarte ich von einer pädagogischen Fachkraft. Damit helfen sie Kindern, Schuldgefühle gegenüber der Welt gar nicht erst aufzubauen. Und das ist sehr viel mehr wert, als den Kindern einreden zu wollen, dass sie nichts für die Lage des Anderen können. Denn das nützt in der Regel gar nichts.
Wie gehe ich als Fachkraft damit um, wenn Kinder Krieg spielen?
Kinder bewältigen etwas, indem sie es spielen. Und natürlich auch die Situation spielerisch zu bewältigen, ist sehr wichtig. Stress wird erst erlebt, wenn man keine Handlungsmöglichkeiten mehr hat. Wenn man keine Strategie hat, um eine Situation zu bewältigen. Das bedeutet in der konkreten Situation, die Kinder, die das Thema Krieg aufbringen zum Beispiel zu fragen: Was können wir tun? Wie können wir unsere Kita verteidigen? Und auch hier geben die Kinder die Spielszenarien vor. Als pädagogische Fachkraft bleibe ich offen und neutral und frage: Was kommt als nächstes? Wie können wir handeln? Was stellst du dir vor, wird passieren? Die Kinder das Gesehene und das Erlebte spielen zu lassen, ist ihre Form von Stressregulierung und somit einer Regulierung ihrer Emotionen.
Kommen wir zum Team: Wie kann dieses mit Auseinandersetzungen zwischen Fachkräften umgehen? Was ist zu tun, wenn ukrainische und/oder russische Fachkräfte angefeindet werden oder es zu Konflikten kommt?
Hier ist ganz klar die Kita-Leitung gefragt. Sie muss mit allen Beteiligten sprechen und jede einzelne Fachkraft fragen: Was brauchst du gerade? Was wünscht du dir von mir als Unterstützung? Auch hier braucht es eine offene und neutrale Grundhaltung der Kita- Leitung, die ihre Mitarbeiter:innen fragend und reagierend unterstützt.
Nehmen wir an, Eltern unterhalten sich in der Garderobe im Beisein der Kinder über die furchtbaren Dinge, die in der Ukraine passieren? Wie gehe ich als Fachkraft damit um?
Auch hier gilt es freundlich und bestimmt zu reagieren. Bitten Sie die Eltern, sich nicht in Gegenwart der Kinder darüber auszutauschen. Denn wie wir alle wissen, haben Kinder „ganz große Ohren“ und feine Antennen, mit denen sie alles hören und wahrnehmen. Auch das, womit sie noch nicht umgehen können. Sie können auch hier fragend reagieren, aber erst, wenn die Kinder nicht mehr dabei sind. Und ebenso wie bei den Kindern hilft hier Neutralität und Offenheit, um die Gedanken und Ängste mitzubekommen. Etwas das in der aktuellen Situation sowieso sehr wichtig ist!
Herzlichen Dank für dieses informative Gespräch!
Dr. Malte Mienert, Professor für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie am „Universitätsinstitut für internationale und europäische Studien“ in Kerkrade. Seine Forschungsthemen liegen u. a. in der Untersuchung des Selbstverständnisses von Pädagogen. Als Fortbildner und Autor arbeitet er u. a. zu den Themen U3, kindliches Lernen, Erziehungspartnerschaft sowie Übergänge. Kontakt: www.mamie.de
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