Krisen verändern die Perspektive, bremsen manches aus oder beschleunigen Prozesse. Die Corona-Krise ist da keine Ausnahme. Viele Entwicklungsprozesse wurden erst einmal ausgebremst, andere gepuscht. Der Einsatz von digitalen Medien zur Kommunikation und Informationsweitergabe in Kitas gehört unbestreitbar zur zweiten Kategorie. Digitale Angebote sind wie Pilze aus dem Boden geschossen, pädagogische Web-Seminare und E-Learning-Angebote, Videokonferenzen, Kommunikationsplattformen, Kita-Apps oder Video-Bastelanleitungen von der Kita für Kinder und Eltern tummeln sich im Netz. Dabei ist gleichzeitig eine experimentelle, agile und kooperative Kreativität zu beobachten, die Lust auf mehr macht.
Wenn vor der Corona-Zeit digitale Endgeräte und Unterstützungssysteme häufig vor der Kita-Tür blieben, haben sie jetzt den Fuß in eben dieser. Im Praxistest haben sie gezeigt, dass sie den Alltag entlasten und vereinfachen können. Nun stellt sich die Frage: Was davon soll bleiben und welche Stränge wollen wir (vielleicht zusätzlich) in den Blick nehmen?
Antworten auf diese Fragen müssen dabei von jedem Team im Zusammenspiel mit Träger und Eltern ganz individuell gefunden werden. Um entscheiden zu können, welche Prozesse sich tragfähig, ressourcenschonend und am Bedarf orientiert implementieren oder weiterentwickeln lassen, braucht es sowohl einen Blick auf die ganz konkrete Situation vor Ort und deren individuelle Bedarfe, als auch einen Überblick über die Möglichkeiten, die die digitale Welt im Bereich Vernetzung und Informationsverarbeitung bietet.
Neben der direkten Medienpädagogik mit den Kindern bieten sich auch auf der reinen Erwachsenenebene unterschiedliche digitale Unterstützungstools an, bei denen es immer um die Themen Informationsweitergabe, Kommunikation und Erweiterung von Wissen geht.
Die Möglichkeiten digitaler Tools für Kindertageseinrichtungen lassen sich in folgende Bereiche unterteilen:
Kommunikation und Vernetzung in Kita und Trägerverbund
- Kommunikation und Informationsweitergabe im Kita-Team (alle Mitarbeitenden oder bestimmte Mitarbeitenden-Gruppen)
- Organisation von wiederkehrenden Abläufen (z.B. Planung von Festen)
- Dokumentation und Reflexion der pädagogischen Praxis
- Trägerspezifische Vernetzungsangebote über die Einrichtung hinaus
- Video-Konferenzen, Dienstbesprechungen, Leitungsbesprechungen
Kommunikation und Vernetzung mit den Eltern
- Kommunikation und Informationsweitergabe etwa zu Angeboten im Kita-Alltag oder der Situation des Kindes
- Meinungsabfragen, Kita-Bewertungen, Bedarfsabfragen
- digitale Anmeldesysteme, regionale Kita-Finder, Online Eltern-Portale
- digitale Elternbildung
- Video-Elternabende und -Konferenzen mit Elternvertretern
- Dokumentation von Elterngesprächen
- Übersetzung in andere Sprachen
Bildungs- und Entwicklungsdokumentation/Portfolioarbeit
- digitale Beobachtungsverfahren (Entwicklungsbeobachtung – durch die Fachkräfte)
- freie, gestaltbare Portfolios – von Fachkräften, Kinder und Eltern gemeinsam gestaltet
- Dokumentation von Gruppen-Projekten oder -Vorhaben
Fort- und Weiterbildung
- Lernplattformen, Web-Seminare, E-Learning-Angebote
Speicherung von Daten
- Cloud oder Serverlösungen etwa für Vorlagen, Arbeitsblätter, Ablaufpläne oder QM, die von allen Mitarbeitenden genutzt werden können
Verwaltung/Datenverarbeitung
- Finanzen, Personal, Inventar
In der Praxis gibt es eine Fülle digitaler Angeboten, die oft unterschiedliche Kombinationen der hier aufgeführten Anwendungsmöglichkeiten bieten.
Technische Erfordernisse
Für den Einsatz von Kommunikations- und Dokumentations-Apps, digitaler Datenverarbeitung oder Online-Tools zur Weiterbildung wird vonseiten der Kita mindestens ein PC oder Laptop und ein stabiles WLAN-Signal benötigt. Wenn Kommunikations- und Dokumentations-Apps eingesetzt werden sollen, ist darüber hinaus auch ein Tablet pro Stammgruppe und eventuell ein Tablet für den Check-in der Eltern notwendig.
Eltern können die Apps auf ihrem Smartphone, Tablett oder PC nutzen. Für den Einsatz von Web-Seminaren oder anderen digitalen Formen der Weiterbildung wird ein Endgerät benötigt, das eine Kamera und Mikrofone integriert hat oder anschließen kann.
Warum Kommunikations-Apps oder Tools verwenden?
In der Fülle der digitalen Anwendungsmöglichkeiten bilden Kita-Kommunikations-Apps mit den Angeboten aus dem Verwaltungsbereich die größte Gruppe. Sie übermitteln Nachrichten von den Kita- Mitarbeitenden auf das Endgerät der Eltern oder der Kolleginnen und Kollegen (Smartphone, Tablet oder PC) und umgekehrt. Die Informationen können dabei in Form von Texten oder Fotos und meist auch als Audio- oder Videoformate versandt werden.
Diese Form der Kommunikation hat ihren Schwerpunkt bei der verlässlichen Weitergabe von Terminen, Organisatorischem, kurzen Infos und Fakten. Dabei geht es nicht darum, zusätzlichen Aufwand zu betreiben, sondern bisherige, zeitintensivere und fehleranfällige Informationswege wie Aushänge, Elternbriefe, Listen oder Telefonate zu ersetzen. Alle Beteiligten (Mitarbeitende, Leitungen, Träger, Eltern) haben mit ein paar Klicks zeitnah und ohne lange Wege Zugriff auf die für sie wichtigen Infos.
Auch Abfragen seitens der Kita, etwa nach dem jeweiligen Betreuungsbedarf an einem Brückentag, können ebenso wie die Mitbringliste zum Sommerfest oder die vergessenen Windeln über eine App gezielt an einzelne Personen oder Gruppen gesandt werden. Diese Apps bündeln Informationen, halten sie sicher auf dem neuesten Stand und ermöglichen es Fachkräften und Eltern, sich die Zeit (und den Ort), in der sie sich mit den Informationen auseinandersetzen, selbst einzuteilen. Dies entlastet die Tür-und-Angel-Gespräche mit den Eltern und minimiert Laufereien mit Erinnerungszetteln im Team.
Was gibt es aktuell auf dem Markt?
Die Zahl der Kita-App- oder Toolanbieter ist in den vergangenen Monaten noch einmal erheblich gestiegen. Die Auswahl reicht von Apps, die sich auf einen Teilbereich konzentrieren bis hin zu Komplex-Angeboten, die unterschiedliche Bausteine in einem Programm verbinden.
Grundsätzlich gilt dabei, dass die im Kita-Bereich genutzten Anwendungen immer dem europäischen Datenschutz Standard unterliegen müssen (siehe unten). Alle Angebote, beispielsweise von amerikanischen Anbietern, die diese rechtliche Vorgabe nicht umsetzen sind für den Einsatz mit Mitarbeitenden und Eltern nicht geeignet. Es empfiehlt sich ebenfalls, dass die Apps deutschsprachig nutzbar sind und mit den gängigen auch mobilen Betriebssystemen kompatibel.
Alle hier beispielhaft erwähnten Apps und Tools sind darüber hinaus werbefrei und kostenlos für die Eltern zu nutzen und bieten einen kostenfreien zeitlich begrenzten Testzugang.
Gerade im Bereich der Anwendungen, die eine „Einbahnstraßen-Kommunikation“ von der Kita zu den Eltern unterstützen, tummeln sich inzwischen viele neue Anbieter, beispielsweise das Tool Niflosa oder die Kita-Info-App. Diese Anwendungen haben den Vorteil, dass sie in der Regel kostengünstiger als Komplexangebote sind und nur wenige Kind-, Eltern- oder Mitarbeitenden-Daten (wie Name, Geburtsdatum des Kindes, Mailadresse oder Gruppenzugehörigkeit) sammeln. Hier können Textdateien und Bilder auf Pinnwänden oder im Terminkalender für die Eltern genauso eingestellt werden wie der Speiseplan. Die Kita-Info-App bietet zusätzlich die Möglichkeiten, dass Eltern, gezielt auf eine eingestellte Frage antworten oder ihr Kind abwesend zu melden.
Eine umfassendere „Zweiwege-Kommunikation“ bieten die Apps Stramplerbande und Kita-Bote. Hier können neben den oben genannten Informationen von der Kita zu den Eltern, auch Nachrichten oder Fragen vonseiten der Eltern zur Leitung oder Gruppenkollegin gesandt werden. Auch eine Kommunikation der Eltern untereinander ist möglich. Mithilfe von Stramplerbande können zusätzlich häufig genutzte Dateien in einer Cloud gespeichert und von dort abgerufen werden. Eine Erinnerungsfunktion ist genauso möglich wie die Vernetzung mehrerer Kitas eines Trägers. Eine weitere Besonderheit dieser App ist die integrierte Übersetzungsfunktion, die die Kommunikation mit nicht deutschsprachigen Eltern erleichtern soll und eine sichere Möglichkeit Videokonferenzen durchzuführen.
Neben der Kommunikation im Team und mit den Eltern bieten Komplex-Angebote weitere Anwendungen meist in Richtung Kita Organisation, etwa die aktuelle Anwesenheit der Kinder, Abholberechtigung und Abholzeit oder den Personaleinsatz. Dafür speichern sie in der Regel kindbezogene Daten und Grundinformationen der Eltern oder Mitarbeitenden. Die Care-App beispielsweise bietet die Möglichkeit, Personalaufgaben zu speichern und zu bearbeiten.
Die Apps Nembørn und Famly beinhalten wohl aktuell die größte Angebotspalette. Sie umfassen die Speicherung und Verwaltung von Elterndaten, den Check-in, einen Kalender mit Anmelde- und Erinnerungsfunktion, Speisepläne, Erstellen von individuellen Listen und die Möglichkeit, Chats an einzelne Personen oder Gruppen. Die Personalverwaltung beinhaltet die Speicherung von Personaldaten, Dienstplänen und meist eine eigene Chatfunktion. Nembørn biete darüber hinaus die Möglichkeit der Erstellung und Speicherung von kindbezogenen Beobachtungen. Bei Famly gibt es die Möglichkeit, die Schlafenszeiten für die Eltern sichtbar zu machen und Wickelprotokolle zu erstellen.
Und was ist mit dem Datenschutz?
Datenschutz und damit die Achtung der Persönlichkeitsrechte von Kindern, Eltern und Mitarbeitenden bedeutet, dass die Betroffenen grundsätzlich selbst über die Verwendung ihrer Daten bestimmen dürfen. Im europäischen Datenschutzgesetz wie auch in den jeweiligen kirchlichen Datenschutzgesetzen ist daher festgeschrieben, dass personenbezogene Daten grundsätzlich nicht erhoben, gespeichert oder genutzt werden dürfen – es sei denn, es wird durch gesetzliche Regelungen oder die Einwilligung der Betroffenen ausdrücklich erlaubt. Personenbezogene Daten sind alle Angaben, die sich konkreten Personen – also Kindern, Eltern oder Mitarbeitenden – zuordnen lassen.
Alle Kita-Apps, die dem Zweck der Kommunikation oder Informationsweitergabe dienen, verarbeiten personenbezogene Daten. Das heißt, Eltern und Mitarbeitende müssen eine Erlaubnis zur Speicherung und Verarbeitung ihrer Daten erteilen. Eine schriftliche Datenschutzerklärung, die den Eltern bereits beim Aufnahmegespräch mitgegeben wird, ist daher zu empfehlen. Darüber hinaus sind Kita-Träger dazu verpflichtet, die Speicherung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten mit dem App-Anbieter vertraglich zu regeln.
Ein „Vertrag zur Datenverarbeitung im Auftrag“, in dem der Träger den App-Anbieter beauftragt, nur in seinem Sinne personenbezogene Daten zu verarbeiten, muss abgeschlossen werden. Der Träger muss dafür seiner Kita-Aufsicht rechtzeitig vor der Auftragserteilung Folgendes anzeigen: Welcher App-Anbieter mit welchen technischen und organisatorischen Maßnahmen und Absprachen die Sozialdaten erhebt, welche Daten und welchen Personenkreis dies betrifft, welche konkrete Leistung der App-Anbieter erbringen soll und ob es weitere Unterauftragsverhältnisse gibt.
Der App-Anbieter muss nachweisen, dass die Datenverarbeitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem gleichgestellten Staat erfolgt. Darüber hinaus muss er durch ein IT-Sicherheitskonzept den Nachweis erbringen, dass seine technischen und organisatorischen Maßnahmen eine sichere Datenverarbeitung gewährleisten. Dabei empfiehlt es sich in jedem Fall, die Datenschutzbeauftragten des Trägers mit einzubinden.
Insgesamt steht und fällt die Datensicherheit mit der verantwortlichen und ordnungsgemäßen Anwendung. Daher ist es wichtig, die Fachkräfte vonseiten des Trägers und der Leitung über die notwendigen Vorgehensweisen aufzuklären und sie auf die Einhaltung der Datensicherheit zu verpflichten.
Insgesamt geht es beim Einsatz von Kita-Apps darum, eine Software zu nutzen, die den Alltag sinnvoll ergänzt und Entlastung für Fachkräfte und Eltern schafft. Der Einsatz digitaler Medien bedeutet nicht, dass die persönliche Kommunikation abnimmt oder als weniger wertvoll betrachtet wird. Ganz im Gegenteil: Digitale Medien befreien die Kommunikation von lästigem Nachfragen oder Hinterhertelefonieren und schaffen Platz für fachliche Inhalte und pädagogische Anliegen.
Franziska Schubert-Suffrian ist stellvertretende Geschäftsführerin des Verbandes Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein und leitet Fortbildungen zum Thema digitale Medienkompetenz in der Kita.
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