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„Du Clown!“
Was macht es mit Kindern, wenn sie als „Quatschkopf “, „Clown“, „Transuse“, „Prinzessin“, „Hexe“ oder Ähnliches tituliert werden? Überlegen Sie einen Moment, welche Gedanken Ihnen durch den Kopf gehen, wenn Sie diese Begriffe hören. Wahrscheinlich fallen Ihnen auch direkt passende Kinder dazu ein. Das Problem ist, dass man schnell in eine Spirale der sich selbst erfüllenden Prophezeiung gerät. Wenn die Kinder erstmal für sich den „Clown“ verinnerlicht haben, ist es schwer auszusteigen. Sie möchten die Erwartungen erfüllen, freuen sich, dass sie Aufmerksamkeit bekommen und wahrgenommen werden, denn das schafft Sicherheit.
„Ich lach' mich tot!“
Neben diesen erworbenen Attributen gibt es in der deutschen Sprache auch Aussprüche oder Redewendungen, die viele von uns so verinnerlicht haben, dass man o_ gar nicht merkt, wenn man sie benutzt. So kabbelte sich eine Kollegin mit einem Kind und rief übermütig: „Du Hexe!“. Ich konnte beobachten, wie ein anderes Kind, das die Situation beobachtete, riesige Augen bekam und sowohl fasziniert als auch schockiert schaute. Glücklicherweise bemerkten wir dies und konnten im Gespräch klären, dass es natürlich keine Hexen gibt. Auch Metaphern wie „Ich lach' mich tot.“ können Kinder verunsichern und ein verkrampftes Verhalten auslösen. Es ist unter sprachförderlichen Aspekten durchaus legitim, dass Kinder auch mit solchen Redewendungen in Kontakt kommen. Wichtig ist aber, dass man sich bewusst ist, dass es nicht jede:r auf Anhieb versteht und man unter Umständen aufklären muss
„Das war der Justus!“
Eine weitere Situation, die hellhörig machen sollte und die so oder so ähnlich immer wieder vorkommt, ist folgende: In der Kita wird ein kaputtes Spielzeug gefunden. Auf die Frage, ob jemand eine Idee hat, wie das passiert sein könnte, rufen mehrere Kinder im Chor: „Das war der Justus!“ Justus ist aber seit einer Woche im Urlaub… Anscheinend haben die Kinder abgespeichert, dass Justus schon oft für solche Dinge verantwortlich war. Es kann aber auch positive Rollenzuschreibungen geben, die für die betreffenden Kinder genauso belastend sein können: „Ich brauche Hilfe beim Aufräumen, da frag ich die Susi. Die ist doch so vernünftig und hilft immer gerne!“ Kinder würden einer Fachkraft, die sie mögen, einen solchen Wunsch nie abschlagen, auch wenn sie eigentlich gerade lieber spielen würden.
„Tims Mutter hat sich heute wieder aufgeführt!“
Auch das kurze Gespräch unter Kolleg:innen über Kinder oder Familien wird häufig von Kindern aufgeschnappt, entweder „aus Versehen“ oder spielerisch („Detektivspiel“). Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass kein unbefugtes Ohr mithört, da auch das den Respekt vor den Kindern widerspiegelt. Die Kinder sollten sich gewiss sein: „Die Erzieher:innen achten mich und reden nicht vor anderen über mich!“
„Wer kommt mit raus, Jungs?“
Im Sinne einer vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung lohnt es sich immer wieder, sich seiner eigenen Klischees bewusst zu werden. Welche Kinder frage ich, ob sie mir beim Aufräumen helfen? Sind es vielleicht eher die Mädchen? Welche Kinder frage ich, ob sie einen Regenspaziergang machen möchten? Sind das vorrangig die Jungs? Welche Kinder lade ich zur Vorleserunde ein? Vor allem die Kinder mit Sprachförderbedarf? Wir sollten uns auch ab und zu kritisch hinterfragen, welche Themen wir mit welchen Kindern erforschen. Auch hier gilt es, Bilder, die wir von einzelnen Kindern haben, mal bewusst zu durchbrechen
„Du hörst nie zu!“
Es gibt keine Kinder, die „immer“ laut sind, die „nie“ mitmachen, die „nur“ Quatsch machen. Sicher gibt es Gruppen, die gewisse Tendenzen zeigen. Aber indem wir es sprachlich so manifestieren, nehmen wir den Kindern die Chance, auszusteigen. Oft hilft es, bewusst auf das Gegenteil zu achten, um das eigene Bild neu zu justieren.
All diese Fallstricke sind menschlich, so sind wir sozialisiert. Professionalität bedeutet aber, sich immer wieder zu hinterfragen und sich weiterzuentwickeln.
Übernehmen Sie Verantwortung und weisen Sie Kolleg:innen ggf. auf die gemeinsame Verantwortung hin. Im Team sollte ein Klima herrschen, welches erlaubt, dass man sich gegenseitig sein Verhalten spiegelt. Auch Absprachen sind hilfreich: In einer Kita war beispielsweise das Wort „Rhabarber“ das Codewort für mögliche Mithörer (wegen Rhabarberohren) und ein deutliches Zeichen, das Gespräch sofort zu beenden.
Wo schnappen Sie Fetzen von wertschätzender Kommunikation auf? Machen Sie sich Notizen und teilen Sie diese in der nächsten Teamsitzung.
Geben Sie Kindern Spitznamen? Was könnte das mit den Kindern machen? Und was könnte das mit den Kindern machen, die keine haben? Glauben Sie, die Kinder wehren sich gegen Spitznamen, die sie nicht mögen?
Überlegen Sie beispielsweise: Was können Sie einer „Prinzessin“ zutrauen, damit sie sich selbst auch mal „anders“ erleben kann? Wie können Sie einem kleinen „Professor“ Räume zum Quatschmachen eröffnen? Können Sie einem „Perfektionisten“ vermitteln, dass man durch Fehler lernt?
Kindern immer auf Augenhöhe im Dialog zu begegnen, ist im trubeligen Alltag nicht immer leicht. Wichtig ist aber, es immer zu tun, wenn es gerade möglich ist. Wenn die Kinder diese dialogische Grundhaltung von Ihnen kennen, akzeptieren sie auch, wenn Sie mal sagen: „Ich habe jetzt gerade keine Zeit, ich gebe dir später Bescheid“.
Miriam Eicke, Inclusive Education M.A., freiberufliche Fortbildnerin