Das Entwicklungsgespräch mit Matteos Eltern ist geschafft. Doch so ganz optimal lief es nicht, denkt Erzieherin Nele. Während des ganzen Gesprächs fühlte sie sich unwohl, unsicher. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Luca reflektiert sie nun, woran dies gelegen hat und was sie nächstes Mal optimieren kann.
Was gibt dir Sicherheit?
Diese Frage stellte Luca seiner Kollegin Nele. Gemeinsam überlegten sie sich folgende Punkte.
Vorbereitung
Die Basis für Entwicklungsgespräche sind gut dokumentierte Beobachtungen. Damit sind keine Beobachtungsbögen gemeint. Vielmehr sind dies Beobachtungen, die auf einem Papier so aufgeschrieben sind, dass man diese den Eltern zeigen kann. Mit der Komplexität eines Beobachtungsbogen sind diese meist überfordert. Die Vorlage hier kann beispielsweise ein Blatt sein, das in fünf bis sieben Bereiche eingeteilt wird: z. B. in Motorik, Kognition, Sprache, Emotionalität, soziale Entwicklung, Handeln, Lebenspraxis. Hier werden dann Stichworte zu Beobachtungen eingetragen, evtl. das Datum der Beobachtung. Diese werden dann mit den Eltern besprochen. Vorsicht vor Bewertungen: Äußern Sie Ihre Beobachtungen neutral, also dass, was Sie wahrgenommen haben. Bewertungen im Sinne von: Das finde ich lobenswert oder das finde ich beängstigend, sind hier unangebracht. Wenn Eltern wissen möchten, wie Ihre Meinung dazu ist, können Sie eine wohldurchdachte Bewertung abgeben: Meiner Erfahrung nach, ist das … Eine gute Vorbereitung gibt Sicherheit. Sprechen Sie Beobachtungen unbedingt mit Kolleg:innen vorher ab. Eine 4-Augen-Beobachtung wirkt ergänzend und eröffnet neue Blickwinkel.
Transparenz
Apropos Blickwinkel: Es ist wichtig, dass Eltern wissen, was alles besprochen wird. Denn oft sind Eltern aufgeregt, schließlich geht es um ein emotionales Thema: ihr Kind. Sie befürchten, dass etwas auf sie zukommt, das für sie schwierig oder unangenehm ist, das Befürchtungen angesprochen werden oder ihnen mitgeteilt wird, dass ihr Kind Defizite hat. Je stabiler die Eltern- Erzieher:innen-Beziehung ist, desto einfacher können „schwierige“ Dinge angesprochen werden. Deshalb ist es wichtig, anhand einer wohlwollenden und zugewandten Haltung eine stabile Beziehung aufzubauen. Suchen Sie oberflächliche Gemeinsamkeiten, sprechen Sie über positive Dinge, Kleinigkeiten, die sich im Kita-Alltag ereignen: „Ich habe mich sehr gefreut, als Ihr Kind …“ oder „Sie können stolz auf Ihr Kind sein, es hat heute … geschafft.“ Eine Methode kann hier der Baum sein. Hier wird ein Foto vom Kind in die Mitte eines leeren Baumes geklebt und drum herum werden Stärken des Kindes geschrieben. In den Zweigen werden Fähigkeiten dargestellt, die das Kind erreichen soll und die es bereits erreicht hat. Die Baumkrone symbolisiert den faktische IST-Stand: Wie alt ist das Kind, wie viele Geschwister, wie ist das Umfeld, wie lange ist es im Kindergarten/ der Krippe usw. Und um den Baum können am Ende des Gesprächs Wünsche für das Kind geschrieben werden. Diesen Baum können Sie den Eltern bereits vor dem Gespräch mitgeben. So wissen die Eltern, was auf sie im Gespräch zukommt und welche Struktur das Gespräch hat. Die Struktur beim Baum ist: Erst wird der IST-Stand des Kindes besprochen, dann die Stärken des Kindes, anschließend wird über erreichte und noch zu erreichende Fähigkeiten gesprochen und am Ende über Wünsche. Ob Sie den Baum nehmen oder anhand einer anderen Gesprächsstruktur durch das Gespräch leiten: Eine gute Struktur gibt Sicherheit und lässt Sie immer wieder den roten Faden aufnehmen, auch wenn Eltern von der Thematik abschweifen.
Nimm einen Apfel
„Mein Leitfaden zu einer guten Gesprächsatmosphäre ist der Apfel“, sagt Luca zu seiner Kollegin. Anhand dieses Leitfadens bereite ich die Gesprächsatmosphäre vor und prüfe, ob alle Voraussetzungen für eine gute Atmosphäre gegeben sind.“ Die einzelnen Buchstaben des Begriffs Apfel bieten einen Leitfaden, der die Atmosphäre planen lässt.
- Abschluss: Bereiten Sie einen guten, neutralen Abschluss des Gesprächs vor. Sie können ein positives Erlebnis mit dem Kind erzählen oder gemeinsame Wünsche neben den Baum oder eine Blume für das Kind aufschreiben. Oder Sie steigen mit etwas Positivem ein und greifen dies am Ende wieder auf.
- Positive Umgebung: Wie sieht Ihr Raum aus, in dem Sie das Gespräch führen? Wichtig ist es, auf einen guten Ausblick aller Gesprächsteilnehmer: innen zu achten und jedem genügend Platz einzuräumen.
- Feinfühlig: Achten Sie auf die Körpersprache Ihrer Gesprächspartner: innen. Bei welchen Aussagen werden diese angespannt und bei welchen entspannt? Achten Sie auch bei sich auf Aussagen, bei denen Sie angespannt werden. Wann im Gespräch fühlen Sie sich wohl und kompetent? Das bedeutet nicht, dass Sie nur positive Aussagen treffen dürfen, sondern „Wie“ sie dies sagen. Können Sie Ihre Aussagen belegen und begründen? Erarbeiten Sie zielorientiert Lösungsvorschläge mit den Eltern.
- Einstellung: Think positiv! Sie kennen Ihre Ressourcen, greifen Sie auf diese zurück. Überlegen Sie sich: Welche positiven Erfahrungen habe ich in Gesprächssituationen gemacht? Was kann ich daraus in dieses Gespräch mitnehmen? Worauf freue ich mich im Gespräch, es den Eltern zu erzählen?
- Lösungsorientiert: Erarbeiten Sie in kleinen Schritten eine Lösung. Welche Handlung ist notwendig, um das Kind positiv zu fördern? Wie unterstützt hier die Kita und wie unterstützen die Eltern ihr Kind? Was ist für beide machbar und sinnvoll? Und wie lange geben wir uns Zeit, das Ergebnis umzusetzen. Notieren Sie diese Schritte, so werden diese verbindlich. „Danke fürs Zuhören und deine kollegiale Beratung“, sagt Nele zu ihrem Kollegen. „Immer wieder gerne, denn kollegiale Beratung kostet nichts und ist ein wichtiger Baustein in unserem Team“, entgegnet Luca. Und der Ausblick auf ein gutes Gespräch unter Kolleg:innen lässt so manches Elterngespräch leichter erscheinen.
Sibylle Münnich, hat viele Jahre in Kindertageseinrichtungen als Erzieherin gearbeitet und dabei unterschiedliche Elterngespräche erlebt. Als Coachin begleitete sie Kitas in verschiedenen Fragestellungen, auch wie eine gelingende Zusammenarbeit mit Eltern gestaltet werden kann.
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