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Seit 2010 bieten wir als Ehepaar in unserer Großtagespflege mykidsplace Kinderbetreuung an. 2012 entschlossen wir uns gemeinsam, dieses Angebot für Kinder, die behindert und nach heutigem Sprachgebrauch frühförderbedürftig sind, zu erweitern. Dazu absolvierten wir eine Ausbildung zur Inklusionsfachkraft. Von Beginn an waren wir offen dafür, uns auf alle Krankheitsbilder einzulassen. Mit dieser Einstellung, Kinder unabhängig von ihrer Frühförderbedürftigkeit bis zu 45 Stunden wöchentlich zu betreuen, gewannen wir sehr viel Erfahrung. Bislang durften wir sieben Kinder mit den Krankheitsbildern Trisomie 21, Frühchen mit starker Entwicklungsverzögerung, Missbildung des Gehirns mit Motorik- und Sehstörung, Gehörlosigkeit, Komplette Degeneration bis Endstadium Hospiz, Kompletter Mobilitätsverlust, Klumpfuß und perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)/ Sondierung betreuen. Zu den Eltern, die sich trauten, ihr zum Teil schwerkrankes Kind tagsüber in pflegende und betreuende Hände zu geben, kamen (zu einem Drittel) Eltern, die mit unserer Erfahrung erst der Frühförderbedürftigkeit ihres Kindes gewahr wurden und deren Kinder sich teilweise sogar als schwerere Fälle herauskristallisierten.
Unser Betreuungskonzept besteht darin, die neun Plätze zu mixen und ein bestmögliches Miteinander, vor allem für die benachteiligten Kinder, zu schaffen. Dabei kommt es nicht dazu, wie später in Inklusiven Schulklassen der Eindruck entstehen kann, dass nicht frühförderbedürftige Kinder einen Lern- oder Entwicklungsnachteil durch die zeitaufwendigere Betreuung der anderen Kinder haben, denn im Alter von vier Monaten bis dreieinhalb Jahren dreht sich alles um die spielerische Entwicklung und das Lernen durch Erfahrung. Ein Frühförderkind beansprucht zwei Betreuungsplätze und wir setzen die Gruppe im Verhältnis 1 zu 7 oder 2 zu 5 oder 3 zu 3 zusammen.
Ziel der Betreuung bei mykidsplace ist es, dass sich die Kinder geborgen fühlen und sich gemäß ihrer Fähigkeiten selbstständig durch Teilhabe in der Gruppe entwickeln. Kinder, die aufgrund ihrer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind, werden durch passende Spielangebote für die Gruppe einbezogen. Die Angebote reichen von gemeinsamen Aktivitäten für alle Kinder bis hin zu Aktivitäten in Kleingruppen mit zwei bis drei Kindern. Dies ist möglich, weil wir als Inklusionsteam arbeiten. Jede der beiden Inklusionsfachkräfte beziehungsweise Tagespflegepersonen hat dabei, vertraglich festgelegt, die eigenen pädagogisch zugeordneten Kinder und vier oder fünf Plätze. Die laufende Tagesbetreuung und damit die Zusammensetzung der Kleingruppen der spielenden Kinder organisiert sich jedoch täglich fließend aufgrund vieler Faktoren: Hier spielen die Art des Angebots und die Fähigkeiten und Interessen sowie natürlich auch die jeweilige Tagesform der Kinder eine Rolle.
Die Elternarbeit unterscheidet sich bei Eltern mit frühförderbedürftigen Kindern zu der mit anderen Eltern im Wesentlichen in einem Punkt: Als dem Frühförderkind zugeordnete Tagespflegeperson erfahren wir mehr über das Familienleben und viele persönliche Dinge der Familie und deren Mitglieder, als es üblich ist. Das gegenseitige Vertrauen geht sehr viel tiefer. Der tägliche Austausch beim Bringen und Abholen ist intensiver, es gibt mehr Gesprächszeit, häufig zunächst verbunden mit dem Thema der Krankheit und deren Entwicklung. Aber auch Erlebnisse und Vorkommnisse in der Familie rund um das Kind, Arztbesuche und deren Ergebnisse und neue Erkenntnisse oder Tipps der Eltern für uns zu Umgang oder Pflege bestimmen den Austausch. So entwickelt sich schnell ein besseres Verständnis durch beiderseitige intensivere Kommunikation.
Eltern werden mit der Zeit zum Experten und Spezialisten für ihr Kind und die Krankheit – unabhängig davon, ob die Krankheit schon vor dem Betreuungsstart bei mykidsplace entdeckt wurde oder erst mit der Betreuung bei uns. Wir lernen von den Eltern, was zu Hause funktioniert und was nicht, und neue Erkenntnisse versuchen wir, wenn möglich, in die Tagesbetreuung und Pflege einzubauen.
Wir sind keine Pflegekräfte und unsere Arbeit besteht nicht darin, eine typische pflegerische Arbeit wie im Krankenhaus oder in einer Pflegestation durchzuführen. Aber die Arbeit der Kindertagespflegeperson und Inklusionsfachkraft beinhaltet Pflege, als respektvollen und helfenden und heilenden Umgang mit den Kindern im Rahmen der im eigenen Umfeld zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Dazu gehören zum Beispiel gegebenenfalls zur Verfügung gestellte oder selbst angeschaffte Hilfsmittel (z. B. Hilfsstühle), selbst hergestellte Hilfsmittel und natürlich – das Allerwichtigste – das eigene Selbstverständnis, die Kinder täglich geduldig zu betreuen und zu pflegen. Kreativität ist sehr gefragt, denn nicht alles kann von den Eltern angeschafft werden oder wird von Krankenkassen bezahlt. Für Notfälle gibt es einen Notfallplan und gegebenenfalls eine Vereinbarung und Schulung zur Medikamentenverabreichung.
In der Regel sind die spezialisierten lokalen Frühförderzentren in die Behandlung der Kinder involviert, und wir bieten den Eltern an, die meist wöchentlichen einstündigen Frühförderstunden in unseren privaten Räumen von den externen Pädagogen und Spezialisten durchführen zu lassen. Die Fähigkeit und der Wille der Tagespflegeperson, frühförderbedürftige Kinder betreuen zu wollen, ist sicherlich das große Unterscheidungsmerkmal zur normalen Kindertagespflege. Der Umgang mit Leid, Benachteiligung, Krankheit und die wichtige offenere Kommunikation mit Eltern sowie die Einbeziehung externer Dritter in Form von Frühförderspezialisten in die eigene Arbeitsumgebung ist für viele Tagespflegepersonen schwierig, aber für die Arbeit notwendig.
Die Möglichkeit inklusiver Kindertagespflege für Kinder mit Frühförderbedarf haben Kinderärzte leider häufig nicht im Blick. Ein Beispiel: Allein dass ein zweijähriges Kind ein Hörgerät trägt, kann ein ausreichender Grund sein, eine besondere Betreuungsform zu wählen. Denn ein Kind in dem Alter nimmt das Gerät ab, verlegt es womöglich, es muss gesucht und wieder eingesetzt werden … All dies erfordert erhöhte Aufmerksamkeit. Weiterhin kann der Geräuschpegel in der Gruppe wichtig sein und natürlich muss auch die Kommunikation zum Erlernen der Sprache angepasst werden. Eltern sollten sich, wenn sie einen solchen Platz für ihr Kind wünschen, nicht davon abbringen lassen und auch dafür kämpfen. Wir machen häufig die Erfahrung, dass Eltern nicht gern auf erkannte Probleme wie Entwicklungsverzögerungen angesprochen werden wollen und häufig Kinderärzte keine Zeit haben, um tiefergehende Tests zu machen. „Es wächst sich raus“ und „Das ist nur eine Phase“ sind die Standardausflüchte. Wir halten es im Sinne des Kindeswohls und angesichts der Gefahr der zu späten Behandlung von Entwicklungsstörungen für sinnvoll, bei Hinweisen oder Unsicherheit zur Entwicklung lokale Frühförderzentren oder Spezialkliniken zur Testung zu besuchen. Wenn ein Problem vorliegt, sollte es so früh wie möglich angegangen werden. Diese Verantwortung tragen die Eltern, aber wir können sie darauf hinweisen.
Eltern profitieren von der Inklusiven Tagespflege, da sie dort eine gute Betreuung für ihr Kind finden und so Zeit für sich selbst gewinnen. Die Zuwendung, die Frühförderkinder zu Hause bekommen, erhalten sie auch in der Tagespflege. Außerdem können sie hier die Abwechslung mit anderen Kindern auf ihre eigene Art genießen – und häufig vom Miteinander in ihrer eigenen Entwicklung profitieren.
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