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Beginnen wir ganz von vorn: Was sind überhaupt Regenbogenfamilien? Das sind Familien, in denen mindestens ein Elternteil schwul, lesbisch oder bi ist. Dasselbe gilt für Familien, in denen mindestens ein Elternteil trans* oder inter* ist. Trans* ist ein Oberbegriff für Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Inter* wiederum sind Menschen mit Geschlechtsmerkmalen, die man nicht nur als männlich oder weiblich einordnen kann. Daneben gibt es Regenbogenfamilien mit Kindern aus früheren heterosexuellen Beziehungen. Immer öfter entscheiden sich jedoch homosexuelle und queere Eltern dafür, selbst Kinder zu bekommen, zu adoptieren oder Pflegekinder aufzunehmen. Queer ist ein Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche und/oder sexuelle Orientierung nicht der zweigeschlechtlichen und/oder heterosexuellen Norm entspricht.
Eine Familie muss zudem nicht immer aus zwei Elternteilen bestehen. Zum Beispiel kann auch ein lesbisches Paar gemeinsam mit einem Samenspender ein Kind bekommen und jenen danach als sozialen Vater integrieren. Oder eine Mutter zieht zusammen mit einem schwulen Mann ein Kind groß. Und natürlich gibt es auch hier Trennungen und Patchworkfamilien mit Kindern von verschiedenen Elternteilen und neuen Partner:innen. Kurz gesagt: Regenbogenfamilien sind eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Themen.
Regenbogenfamilien sehen sich mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Sie leben nicht anders als andere Familien, doch es fehlt die öffentliche Sichtbarkeit. Bei Familienangeboten finden sich Bilder von klassischen Familienformen – ein Mann, eine Frau und Kinder. Zu Geburtsvorbereitungskursen können Frauen gerne „ihren Partner“ mitbringen. Selbstverständlich geht man davon aus, dass zu einem Mann mit einem Kind eine Frau gehört und in der Kita gibt es überwiegend Kinderbücher, die ebenfalls die klassische Familie als Thema haben.
Das führt zu Unsicherheiten: Werden wir als Regenbogenfamilie akzeptiert? Wie werden die anderen Eltern schauen, wenn mein Mann und ich unser Kind gemeinsam von der Kita abholen? Werden die Erzieher:innen die Schwierigkeiten mit meiner Tochter darauf schieben, dass es „keinen Mann“ im Haus gibt, sondern eine zweite Mama?
Studienergebnisse zeigen, dass Kindern aus Regenbogenfamilien erst bewusst wird, wie besonders die eigene Familienform ist, wenn sie in die Kita kommen (vgl. Rupp 2005). Denn das ist – nach Großeltern oder anderen nahen Verwandten – oft der erste soziale Außenraum, den Kinder betreten – und das auch noch ohne ihre Eltern. Für Einrichtungen und pädagogische Fachkräfte ist es dementsprechend umso wichtiger, diese Erfahrung für Regenbogenfamilien positiv zu gestalten und die Kinder zu empowern.
Auf der institutionellen Ebene ist es wichtig, Regenbogenfamilien gezielt anzusprechen. Verschiedene Familienformen in Flyern oder auf der Webseite transportieren eine grundsätzliche Offenheit gegenüber allen Familien. Geht man in einem Leitbild auf homosexuelle oder queere Eltern ein, fühlen sich Familien erstmal sicher, dass sie willkommen sind und sie ihre Familienform nicht sofort umständlich erklären müssen. Aus unserem Beratungsalltag bei der BerTA, einer Anlaufstelle für Regenbogenfamilien, wissen wir: Regenbogeneltern beschäftigen sich bereits lange vor der Anmeldung im Kindergarten mit diesen und ähnlichen Themen. Anmeldeformulare mit „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“ helfen, sich angenommen zu fühlen. Da Regenbogenfamilien gewohnt sind, dass man sie nicht anspricht, können diese kleinen Änderungen viel bewirken. Auch ein Regenbogenaufkleber auf der Tür oder sogar eine Regenbogenflagge vor der Einrichtung erhöht die Sichtbarkeit.
Als pädagogische Fachkraft ist es zudem wichtig, sich mit eigenen Stereotypen, Vorurteilen und Annahmen auseinanderzusetzen. So meint man viel zu oft, dass alle Kinder einer Kita heterosexuelle Eltern haben oder selbst heterosexuell sind. Diversitätsbezogene Fortbildungen können hier helfen, sich mit verschiedenen queeren Themen, Regenbogenfamilien und geschlechtersensibler Pädagogik zu beschäftigen. In Teambesprechungen sollte Raum sein, um das Thema regelmäßig zu reflektieren.
Oft sprechen Kinder aus Regenbogenfamilien ihre Eltern unterschiedlich an, wie „Mama und Mami“ und „Papa und Papi“ – in unterschiedlichen Variationen. Mit „Mama“ oder „Papi“ ist folglich eine bestimmte Person gemeint. Es zeugt von Wertschätzung, wenn Erzieher:innen sich merken können, von wem das Kind in den einzelnen Fällen spricht. Fragen wie „Und wer von euch ist die richtige Mutter, wer von euch ist der richtige Vater?“ sollte man vermeiden.
Manche Einrichtungen haben extra Angebote für Mütter oder Väter, wie zum Beispiel einen Vater-Spielenachmittag. Solche Veranstaltungen schließen allerdings nicht nur Regenbogenfamilien aus, sondern auch Alleinerziehende und andere Betreuungspersonen wie Verwandte. Besser wäre es, diese Aktionen für alle Eltern beziehungsweise Bezugspersonen zu öffnen. Das Gleiche gilt für besondere Aktionen zum Mutter- und Vatertag. Möchte ein Kind vielleicht zwei Geschenke für seine beiden Väter basteln? Oder doch lieber eins für beide zusammen? Wichtig ist hierbei, das im Voraus mit den Kindern zu thematisieren. So haben sie die Möglichkeit, sich zu überlegen, wie sie das handhaben möchten, und man drängt die Kinder nicht in eine Außenseiter:innenrolle.
Ein einfacher Weg, um Kindern verschiedene Familienmodelle näherzubringen, sind Bücher. Finden sich Kinderbücher mit queeren Kontexten selbstverständlich im Bücherregal der Einrichtung, ist das eine gute Möglichkeit, um über Familienformen ins Gespräch zu kommen. Egal ob es Kinder aus Regenbogenfamilien in der Einrichtung gibt oder nicht. Denn diese Bücher erweitern grundsätzlich den Horizont von Kindern, die in einer klassischen, heteronormativen Familie aufwachsen. Zudem sorgen sie für Identifikationsmöglichkeiten bei Kindern, die in alternativen Familienmodellen leben. Wenn Kinder ihre Lebensrealität in den Bücherregalen ihrer Betreuungseinrichtung wiederfinden, stärkt dies das Selbstbewusstsein und stützt die Identitätsfindung. Aber auch Bücher, in denen zum Beispiel zwei Hunde mit einem Welpen vorkommen, können Erzieher:innen als etwas Anderes als die übliche „Mama-Papa-Kind“-Familienform lesen. Ebenso sollte man bei Spiel-, Bildungs- und Kreativmaterialen auf Vielfalt achten. Sei es das Malbuch, welches verschiedene Familienformen zeigt, oder das Familienmemo-Spiel. Mittlerweile gibt es viele tolle Spielsachen und Materialen die mehr als nur die heterosexuelle Kleinfamilie abbilden.
Der tägliche Morgenkreis kann das Thema Familie aufgreifen und dort jeden Tag ein anderes Familienmodell vorstellen. Wenn Kinder sich in Rollenspielen ausprobieren und zum Beispiel eine gleichgeschlechtliche Familie spielen oder als zwei Jungen Hochzeit, sollten Fachkräfte das nicht mit Sätzen wie „Ach, das geht doch gar nicht“ thematisieren. Mindestens genauso wichtig ist aber auch, Kinder aus Regenbogenfamilien nicht ständig als etwas Besonderes herauszuheben. Man sollte verschiedene Familienformen thematisieren, ohne das explizit auf das Kind zu beziehen. Denn selbst wenn Kinder aus Regenbogenfamilien in ihrer Freizeit andere Kinder mit gleicher Familienform kennen, sind sie in ihrer Kita-Gruppe oft die Einzigen. So findet man sich schnell in der Rolle wieder, die eigene Familienform erklären oder sich rechtfertigen zu müssen.
Kleine Kinder haben noch keine Vorurteile. Trotzdem registrieren sie die Unterschiede zwischen ihrer und anderen Familienformen. Um Kinder aus Regenbogenfamilien zu schützen, ist es wichtig, Fragen von anderen Kindern zu beantworten. Dabei geht es gar nicht so sehr um biologische Prozesse, die Kinder im Kita-Alter noch nicht so intensiv beschäftigen. Ihnen genügen oft einfache Erklärungen, wie dass das Kind zwei Mütter oder zwei Väter hat, weil es Kinder mit verschiedenen Familien gibt. Gut sind hier positive Formulierungen. Also nicht „XY hat keine Mama, aber zwei Papas“, sondern einfach „XY hat einen Papa und einen Papi“. Wenn andere Kinder, Eltern oder Kolleg:innen sich – vielleicht auch ganz ohne böse Absicht – abschätzig über die Familienform eines Kindes äußern, muss man sofort einschreiten. Eine Angst von heterosexuellen Eltern kann sein, dass es sich um sexuelle Aufklärung handelt, wenn man gleichgeschlechtliche und queere Familien thematisiert. Erzieher:innen sollten mit skeptischen Eltern ins Gespräch gehen und ihnen erklären, dass es bei Regenbogenfamilien, genauso wenig wie bei anderen Familien, um sexuelle Themen geht.
Ebenso wie man Kinder aus Regenbogenfamilien nicht als Beispiel- oder Erklärperson benutzten soll, sollten auch Eltern aus Regenbogenfamilien nicht dafür verantwortlich sein. Bei Vorurteilen oder Unsicherheiten kann man einen Info- oder Elternabend veranstalten, zu dem man bei Bedarf externe Fachkräfte oder Beratungsstellen für Regenbogenfamilien einlädt.
Ganz egal, ob man Regenbogenfamilien durch Aufkleber, Bücher oder Sprache und Gesten sichtbar macht– eines ist allem gemein: Basis sollte immer eine akzeptierende Grundhaltung und der reflektierte Umgang miteinander sein. So ist es nicht die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Ausprägung der Menschen, die im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Beziehung und die ehrliche, authentische Begegnung miteinander. Diese lässt Kinder wachsen und lehrt sowohl ein gutes Miteinander als auch Sozialverhalten.
Toleranz und Akzeptanz von queeren Lebensweisen und Regenbogenfamilien ist hier genauso ein Querschnittsthema wie Kultur, Religion, Behinderung, soziale Unterschiede sowie viele weitere Themen mehr. Bestehende Konzepte und Haltungen kann man davon übernehmen und übertragen – das beste Konzept taugt jedoch nichts, wenn es nicht gelebt wird. Eines ist dabei klar: Der Regenbogen ist bunt und Vielfalt bereichert unser Leben.
Rebecca Rottler ist Sozialarbeiterin (B. A.) bei BerTA. Kontakt: rebecca.rottler@regenbogenfamilien-stuttgart.de
BerTa ist Beratung, Treffpunkt und Anlaufstelle für Regenbogenfamilien in Stuttgart. Die Einrichtung bietet darüber hinaus Informationen und Schulungen für Angehörige, Fachkräfte, Erzieher:innen, Multiplikator:innen und alle Interessierten. www.regenbogenfamilien-stuttgart.de
Familien- und Sozialverein des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland e.V. (Hg., 2014): Regenbogenfamilien – alltäglich und doch anders. Köln, 2. Auflage. Kostenloser Download unter: www.regenbogenkompetenz.de/products-page/frei-zugaenglich/regenbogenfamilien-alltaeglich-und-doch-anders/ (Stand 06/2022)
Gerlach, Stephanie: Regenbogenfamilien. Ein Handbuch. 3. Auflage, Querverlag 2016
Rupp, Marina (Hrsg.): Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Bundesanzeiger 2005
Ein Buch über vielfältige Familienformen und die unterschiedlichen Wege, auf denen ein Kind entsteht. Toll illustriert und in einfacher Sprache.
Greener, Rachel/Owen, Clare:
Ein Baby! Wie eine Familie entsteht
Penguin Junior 2021
Ab 5 Jahren
288 Seiten
Preis: 14,00 €
www.penguinrandomhouse.de
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