03.08.2023
Jens Krabel

Unterstützung aus den eigenen Reihen

Noch gelten sie als Exoten unter den Quereinsteigern: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Doch die Erfahrung zeigt: Der Kita tun sie richtig gut. Welche Aufgaben sie im Alltag übernehmen können, wie die Finanzierung geregelt ist und was man unbedingt vorab klären sollte.

Quereinsteigende gesucht! Wer hat in den letzten Jahren nicht schon mal davon gehört, dass Grafiker, Historikerinnen, Krankenpfleger, Hebammen oder andere fachnah und fachfremd ausgebildete Personen für den Quereinstieg in die Erzieherinnenausbildung oder für die Arbeit in Kitas gesucht werden? Quereinsteigende sollen den Mangel an pädagogischen Fachkräften abfedern und im besten Fall die Qualität in den Kitas verbessern, weil sie – so die häufige Erfahrung – durch ihre Erstausbildung besondere Kompetenzen in die pädagogische Arbeit mit Kindern einbringen können.

Selten denken wir an den Quereinstieg von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in das für sie noch relative neue Berufsfeld Kita. Seit ein paar Jahren gehen die ersten Träger dazu über, in ihren Einrichtungen Sozialarbeiterinnen zu beschäftigen. Sie nehmen den Fachkräften Arbeiten ab und können bei Personalmangel unterstützen. Sie übernehmen etwa einen Teil der Elternarbeit, indem sie auf Beratungsbedarfe der Eltern eingehen, Eltern externe Angebote für Kinder mit Beeinträchtigungen vermitteln oder ein Elterncafé einrichten. Sie können aber auch Ansprechpartnerinnen für Fachkräfte sein, etwa beim Thema Integration, oder die Netzwerkarbeit übernehmen und so die Interessen der Kita im Sozialraum vertreten.

Knappes Budget

Im Gegensatz zum Bereich Schule ist Sozialarbeit in Kitas bisher nur wenig etabliert. Das liegt unter anderem daran, dass es für Träger meist keine geregelte Finanzierung für die Beschäftigung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern gibt. Eine Ausnahme bildet Rheinland-Pfalz. Dort haben Träger die Möglichkeit, über das Sozialraumbudget Sozialarbeiterinnen zu beschäftigen. In anderen Bundesländern gibt es Modellprogramme, über die Kitas Sozialarbeiterinnen finanzieren können, wie etwa das sächsische Landesprogramm „Kinder stärken 2.0“. In der Regel müssen aber Träger Sozialarbeiterinnen aus ihrem meist knapp bemessenen Budget finanzieren. Die ungeregelte Finanzierung verhindert bisher, dass sich Kita-Sozialarbeit im Feld der frühen Bildung weitergehend etabliert.

Träger können bei Sozialarbeitsstellen auf unterschiedliche Konzepte zurückgreifen. So gibt es Träger, bei denen eine Sozialarbeiterin für eine einzelne Kita zuständig und damit auch Teil des Teams ist. Andere Träger beschäftigen Sozialarbeiterinnen, die gleichzeitig für mehrere Kitas zuständig sind und nur an bestimmten Tagen kommen. Bei wieder anderen können die Kitas Sozialarbeiterinnen nur auf Anfrage in Anspruch nehmen.

Auch hinsichtlich der Zuständigkeit gibt es unterschiedliche Modelle: In manchen Kitas kümmern sich die Sozialarbeiterinnen ausschließlich um die Belange von Familien. Häufig aber sollen sie im Prinzip für alle zuständig sein: für Eltern, Kinder, Leitungen und Fachkräfte und Sozialraumakteure wie Jugendämter und Grundschulen.

Genauso vielfältig wie die Zuständigkeit ist das Berufsfeld insgesamt. Das macht den Beruf von Sozialarbeiterinnen in Kitas einerseits abwechslungsreich, andererseits aber auch grenzenlos. Sie helfen Familien dabei, Förderbedarfe bei ihren Kindern wahrzunehmen und anzunehmen, Therapien bewilligt zu bekommen und ergotherapeutische oder logopädische Übungen zu Hause weiterzuführen. Kita-Sozialarbeiterinnen unterstützen Familien beim Ausfüllen von Anträgen oder bei der Kommunikation mit Ämtern und verhindern so etwa, dass Familien ihren Kita-Platz, ihre Wohnung oder ihre Aufenthaltsberechtigung verlieren. Oft unterstützen Sozialarbeiterinnen auch Leitungskräfte, indem sie die Kita im Sozialraum vernetzen, bei der Konzeptionsarbeit helfen oder die Leitungen seelsorgerisch unterstützen. Auch Teams können auf die Hilfe von Sozialarbeiterinnen zurückgreifen, etwa bei der Moderation von Teamkonflikten oder bei der Einschätzung, ob Kinder einen Integrationsstatus benötigen. Im Rahmen ihrer Netzwerkarbeit knüpfen Sozialarbeiterinnen Kontakte zu Jugendämtern, Kindergesundheitsdiensten oder Stadtteilmüttern und organisieren in der Kita externe Therapien oder Dolmetscherdienste.

Gut angekommen

Bei der Einarbeitung von Sozialarbeiterinnen, die vor Ort arbeiten, sind vor allem zwei Dinge zu beachten. Erstens: Sozialarbeit ist neues Berufsfeld in Kitas. Leitungen, Fachkräfte und Eltern kennen das Aufgabengebiet der Sozialarbeiterinnen noch nicht richtig. Deshalb herrscht im Team und bei den Eltern immer wieder Unklarheit hinsichtlich der Rolle und der Aufgaben von Sozialarbeiterinnen in der Kita.

Zweitens: Sozialarbeiterinnen haben meist ein großes Aufgabengebiet und sie sind für viele Akteure zuständig. In der Praxis heißt das zum einen: Das gesamte Team und die Sozialarbeiterin sollten frühzeitig das Aufgabengebiet der Kita-Sozialarbeit eingrenzen. Zum anderen: Personal und Zeit sind knapp. Da besteht die Gefahr, dass Sozialarbeiterinnen im Gruppendienst aushelfen sollen. Dies kann aber zur Folge haben, dass sie in Rollenkonflikte kommen und zusätzlich belastet werden. 

Damit Sozialarbeiterinnen einen klar umrissenen, transparenten und eigenständigen Arbeitsbereich einnehmen und zum Nutzen aller gut ankommen, sollte man folgende Dinge berücksichtigen:

  • Aufgaben: Bevor Träger Sozialarbeiterinnen einstellen, sollten sich Träger-Verantwortliche, am besten zusammen mit den Leitungen, ausführlich Gedanken darüber machen, welche Aufgaben Sozialarbeiterinnen übernehmen beziehungsweise nicht übernehmen sollten. Im Anschluss daran sollte die Kita eine detaillierte und ausführliche Stellenbeschreibung für die Sozialarbeiterinnen erstellen. Aus dieser Stellenbeschreibung könnte hervorgehen, dass der Beziehungsaufbau zu Eltern eine wesentliche Aufgabe von Sozialarbeit ist und Sozialarbeiterinnen ihre Arbeitszeit unter anderem damit verbringen sollen, in gutem Kontakt zu den Eltern sein, mit ihnen Kaffee zu trinken oder einfach nur zu „quatschen“. Weiterhin sollte aus der Stellenbeschreibung hervorgehen, ob Sozialarbeiterinnen bestimmte Leitungsfunktionen übernehmen sollen oder nicht.
  • Spielraum: Auch wenn eine detaillierte Stellenbeschreibung wichtig ist, sollte diese den Sozialarbeiterinnen einen gewissen Spielraum lassen, ihre Arbeit an die jeweiligen besonderen Bedingungen einer Kita anzupassen. So kann es sinnvoll sein, dass die Sozialarbeiterin oder der Sozialarbeiter aufgrund eines nur schlecht funktionierenden Übergangs von der Kita zur Grundschule einen Schwerpunkt auf den Kooperationsaufbau zu den umliegenden Grundschulen legt. In einer anderen Kita kann es dagegen mehr Sinn ergeben, dass der Schwerpunkt auf der Integrationsarbeit liegt.
  • Kommunikation: Bevor Sozialarbeiterinnen in Kitas angestellt werden, sollten die Stellenbesetzung und die Aufgabengebiete gut und transparent an die Leitungen, Fachkräfte und Eltern kommuniziert werden. Dazu eignen sich Dienstberatungen oder Elternabende, Tür-und-Angel-Gespräche hingegen weniger. Sozialarbeiterinnen haben gute Erfahrungen damit gemacht, vor der Kita oder auf Festen einen Informationsstand für Eltern aufzubauen, an dem sie mit den Eltern über ihre Arbeit ins Gespräch kommen oder sie ihnen mehrsprachige Flyer aushändigen, auf denen ihre Unterstützungsangebote beschrieben werden.
  • Erwartungen: Im Vorfeld sollte sich das Kita-Team darüber austauschen, was es sich von der Sozialarbeit erhofft, und potenzielle Unterstützungsleistungen priorisieren sowie überzogene Erwartungen überdenken.
  • Rollenklärung: Vor dem Hintergrund, dass es bei der Arbeit von Sozialarbeiterinnen zu Überschneidungen mit der Leitung, der stellvertretenden Leitung oder den Fachkräften für Integration kommen kann, ist eine Rollenklärung der Professionsgruppen wichtig. So sollten die Sozialarbeiterin oder der Sozialarbeiter, die Leitung und die Fachkraft für Integration besprechen, wer für das Schreiben der Förderpläne zuständig ist, wer den Kontakt zu den diversen Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten aufrechterhält, wer externe Therapien organisiert oder wer die Entscheidung darüber trifft, ob für ein Kind ein Integrationsstatus beantragt werden soll.
  • Sichtbarkeit: Die Kita sollte Rahmenbedingungen schaffen, die dazu beitragen, dass die Sozialarbeit in der Kita und bei den Eltern durchgehend sichtbar ist. Das gelingt, wenn die Sozialarbeit einen ständigen Tagesordnungspunkt bei den Team-Sitzungen darstellt oder die Sozialarbeiterin ein eigenes Büro im Eingangsbereich der Kita bekommt oder sie und ihre Arbeitsaufgaben auf der Webseite, auf Willkommensplakaten oder Selbstdarstellungsflyern transparent und ausführlich dargestellt wird. 

Vor dem Hintergrund, dass Teams bisher nur wenig Erfahrung mit der Beschäftigung von Sozialarbeiterinnen haben, müssen sie Themen wie „Rollen- und Aufgabenklärung“ oder potenzielle „Überlastung der Sozialarbeiterinnen“ über einen längeren Zeitraum reflektieren. Für eine gelingende mittel- und längerfristige Anbindung der Sozialarbeiterin sollte die Kita deshalb

  • Zeitressourcen zur Verfügung stellen, damit das Team und die Sozialarbeiterin in Dienstbesprechungen bisherige Rollen- und Aufgabenverteilungen immer wieder reflektieren können. Bei der Integrationsarbeit könnte man mit folgender Aufgabenverteilung experimentieren: Die Fachkräfte für Integration entscheiden darüber, ob Kinder besondere Förderbedarfe haben. Sollten die Integrationsfachkräfte bei einem bestimmten Kind unsicher sein, können sie die Sozialarbeiterin bitten, das Kind eine Zeitlang zu beobachten. Die Integrationsfachkraft und die Sozialarbeiterin entscheiden daraufhin zusammen über einen etwaigen Förderbedarf des Kindes. Anschließend skizziert die Fachkraft für Integration den Förderantrag und die Sozialarbeiterin formuliert ihn aus. Die Leitung reicht den Förderantrag an die jeweiligen Ämter weiter und ist für die Verteilung zusätzlicher Integrations-Personalstellen verantwortlich. Zusätzlich organisiert die Sozialarbeiterin einmal die Woche ein einstündiges Treffen aller Integrationsfachkräfte, bei dem offene Integrations-Fragen, Aufgabenverteilungen und kurze Fallbesprechungen erfolgen;
  • Kommunikationsprozesse innerhalb der Kita etablieren, die den Fachkräften und Sozialarbeiterinnen diese Reflexion ermöglicht. Dies könnte im Rahmen eines regelmäßigen Integrationsarbeits-Treffens oder einer Dienstbesprechung anhand bestimmter Reflexionsfragen passieren.
  • Supervision und kollegialen Fachaustausch anbieten, um den Sozialarbeiterinnen die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit und ihre Arbeitsbelastung zu reflektieren;
  • Evaluationen durchführen und vor dem Hintergrund der Ergebnisse die Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeiterin, (stellvertretender) Leitung, Fachkräften, Eltern und Netzwerkpartnern nachjustieren.

Kita-Sozialarbeit unterstützt – das zeigen erste Erfahrungen aus der Praxis – Teams, Eltern und Netzwerkpartner und erleichtert ihre Arbeit. Folgende Zitate aus der Evaluation der Kita-Sozialarbeit des Berliner Trägers „Evangelischer Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord“ bestätigen das:

  • „Was wir mittlerweile für ein gutes Standing beim Jugendamt haben. Alle wissen, hier ist jemand, der professionell ansprechbar ist.“ (Kita-Leitung)
  • „Manchmal fehlt uns die Zeit, uns um die Anliegen der Eltern zu kümmern, wie eine Sozialarbeiterin das kann. Sie kann sich auch mal spontan mit den Eltern zusammensetzen und mit ihnen Probleme klären, und dann nimmt sie auch ganz viel Ärger von den Eltern weg.“ (Kita-Fachkraft)
  • „Wenn ich Kolleginnen aus anderen Kitas von der Sozialarbeiterin erzähle, bleibt denen der Mund offen, weil die ja Arbeiten erledigt, die sonst die Fachkräfte erledigen müssten. Also, für jemanden, der am Kind arbeitet, ist diese Flut von Aufgaben aufzufangen, nicht machbar.“ (Kita-Fachkraft)
  • „Dass die Sozialarbeiterin mich bei meiner Physiotherapie unterstützt, dass sie immer den Raum in der Kita organisiert, dass immer alle wissen, dass ich komme und vorbereitet sind, das ist eine ganz große Hilfe für meine Arbeit.“ (Physiotherapeutin in einem sozialpädiatrischen Zentrum)

Wenn Träger und Kitas es ihren Teams und Sozialarbeiterinnen ermöglichen, frühzeitig ihre verschiedenen Rollen und Aufgaben auszuhandeln und zu reflektieren, dann steigen die Chancen, dass der Quereinstieg von Sozialarbeiterinnen in Kitas gelingt.

 

Jens Krabel arbeitet beim Institut für Gegenwartsfragen der frühen Bildung und ev. Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte Nord.

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