04.02.2021
Eva Spalke, TPS Redaktion

Berufsstart mitten in der Corona-Krise

Wieder Lockdown, Kitaschließung, Distanzunterricht: Die Ausbildung zur Erzieherin hat sich Tamara Schmid auch anders vorgestellt. Wie die aktuelle Situation ihren Ausbildungsalltag in Kita und Berufsschule beeinflusst und was sie daraus für die Zukunft mitnimmt, hat sie uns in einem Interview erzählt.

Frau Schmid, als Auszubildende ist es am Anfang oft schwierig, sich in ein neues Arbeitsumfeld und in die dazugehörigen Abläufe einzufinden. Bei Ihnen kam hinzu, dass die Welt, wie wir sie kannten, mit Corona eine andere wurde. Auch die Kitas und Schulen sind jüngst wieder von neuen Regelungen betroffen. Gibt es bei Ihnen im Moment so etwas wie einen Ausbildungsalltag?

Tamara Schmid (TS): Von jeglichem Alltagswunsch habe ich mich längst verabschiedet. Die neuen Beschlüsse für Kitas und Schulen treffen uns Auszubildende doppelt. Zum einen hat meine Kita auf Notbetreuung umgestellt, zum anderen setzt meine Berufsschule nun auf Distanzunterricht. Die für Januar anstehenden Prüfungen wurden in letzter Minute verschoben und einige Erzieher meiner Einrichtung sind jetzt in Kurzarbeit. Keiner weiß genau, wie es weitergehen wird. Es ist ein dauerndes Auf und Ab und wenn man derzeit nicht flexibel und anpassungsfähig ist, hat man eigentlich schon verloren.

Ihre Einrichtung bietet derzeit eine Notbetreuung an. Wie wirkt sich das auf den praktischen Teil Ihrer Ausbildung aus?

TS: Mein ursprünglicher Plan war, dass ich das erste Jahr meiner Ausbildung in einer Krippe hospitiere, die darauffolgenden Jahre dann im Kindergarten und Hort. Durch Corona und die Notbetreuung hat sich die Einteilung der Gruppen bei unserem Träger allerdings komplett verschoben. Die Kinder werden nicht mehr nach Alter getrennt, sondern es wird darauf geachtet, dass Geschwisterkinder zusammen in eine Gruppe kommen. So will man auch hier die Kontaktbeschränkung berücksichtigen. Für Einzelkinder gibt es wieder andere Gruppen. Durch diese Änderung lässt sich der ursprüngliche Ausbildungsplan nicht mehr umsetzen. Jetzt betreue ich im ersten Jahr nicht nur Krippenkinder, sondern alle Altersstufen auf einmal.

Wie ist das für Sie als Berufseinsteigerin, eine so große Altersspanne zu betreuen?

TS: Krippenkinder haben natürlich andere Interessen als Vorschulkinder und es ist für mich und auch für die anderen Erzieher nicht immer einfach, allen gerecht zu werden. Manchmal gibt es Unstimmigkeiten zwischen den Kindern, weil die älteren von den jüngeren genervt sind und alleine spielen möchten. Es liegt an uns Erziehern, Aktivitäten zu finden, die allen Spaß machen und die alle Altersgruppen gleichermaßen fördern. Bei der Themenfindung steht mir zum Glück mein Team mit Rat und Tat zur Seite und ich fühle mich gut aufgehoben. Oft führen wir auch verschiedene Angebote für Krippen- und Kindergartenkinder parallel durch und holen alle in ihrer Altersstufe ab. Das ist im Moment möglich, weil die Anzahl der Kinder in der Notbetreuung deutlich geringer ist als im Regelbetrieb.

Welche anderen Aufgaben haben Sie als Auszubildende in der Notbetreuung?

TS: Ich bin aktiv in den Tagesablauf eingebunden. Das beginnt schon morgens, wenn wir dieKinder an den Pforten der Einrichtung entgegen nehmen. Ich begrüße sie, helfe mit den Hausschuhen und wir gehen gemeinsam in unsere Räume. Nach dem Frühstück gibt es Freispiel oder verschiedene Projekte, bei denen ich Ideen einbringen kann. Es gibt allerdings auch Einschränkungen, wir dürfen zum Beispiel nicht mehr mit Lebensmitteln arbeiten. Das Plätzchenbacken an Weihnachten fiel deshalb aus. Ansonsten haben wir in der Kita auf den ersten Blick einen ganz normalen Alltag, in dem ich viel Neues lernen und die Theorie aus der Schule in die Praxis umsetzen kann. Auf den zweiten Blick kommen dann aber noch die ganzen Corona-Regeln dazu, die den Ablauf verkomplizieren. Wir müssen häufiger mit den Kindern Händewaschen, regelmäßig stoßlüften, die Handtücher ständig waschen, das Spielzeug desinfizieren – und natürlich Masken tragen.

Wie ist es für Sie, mit Maske zu arbeiten?

TS: Anfangs war es eine große Umstellung. Es fängt damit an, dass nach einer gewissen Zeit die Konzentration viel schneller schwindet als gewöhnlich. Und auch für die Arbeit mit den Kindern sind die Masken eine Herausforderung. Zwar müssen nur die Erzieher Masken tragen, aber sie verdecken eben doch einen ziemlich großen und ausdrucksstarken Teil des Gesichts. Die ganze Mimik wird verhüllt, man sieht nicht, ob der Gegenüber lacht oder womöglich verärgert ist. In der Ausbildung lernen wir, dass es speziell für die Kleinen in ihrer Entwicklung sehr wichtig ist, die Mimik ihrer Erzieher zu sehen und spiegeln zu können. Kinder orientieren sich im Alltag am Gesichtsausdruck des Gegenübers und erkennen, ob sie gerade etwas angestellt haben oder weiterspielen dürfen. Das Mimiklesen fällt mit der Maske weg und da passiert es schon mal, dass jüngere Kinder überfordert sind und nicht verstehen, was man von ihnen will.

Wie verhalten Sie sich in einer solchen Situation?

TS: Ich bin als Auszubildende im ersten Jahr relativ neu im Team und manche Kinder kennen mich noch nicht gut. Deshalb kann es vorkommen, dass ein Kind wegen der Maske nicht versteht, was ich von ihm möchte. Nach Absprache im Team haben wir uns in solchen Situationen für folgende Lösung entschlossen: Ich entferne mich ein paar Schritte vom Kind, damit der Mindestabstand gegeben ist, überprüfe, dass auch kein anderes Kind und kein Erzieher in unmittelbarer Nähe sind und ziehe für einen Moment die Maske vom Gesicht. So kann das Kind wenigstens kurz meinen ganzen Gesichtsausdruck sehen. Im Einzelfall wiederhole ich dann auch noch einmal, was ich gesagt habe. Ich habe das Gefühl, dass dieses Vorgehen hilft und den Kindern die Unsicherheit nimmt. In anderen Fällen, wenn es zum Beispiel ums Aufräumen geht, behelfe ich mir mit stärkerer Gestik oder mache den Kindern vor, was sie zu tun haben. Das funktioniert auch mit Maske gut.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Ausbildungszeit unter Corona zurückblicken, welches Fazit können Sie ziehen?

Das Virus und die Regelungen haben meine Ausbildung ziemlich beeinflusst. In der Praxis merke ich es etwas weniger. Unsere Kita hat geöffnet, ich darf kommen, mich in der Notbetreuung einbringen und kann dabei von den Erziehern lernen. Durch Corona lerne ich im Moment vielleicht sogar mehr Praktisches, denn gefühlt jeden Monat kommen neue Änderungen hinzu. In der Schule ist es hingegen schwieriger. Während des ersten Lockdowns
im Frühjahr ist ein Teil des Unterrichts ausgefallen. Seit den Weihnachtsferien haben wir Distanzunterricht und leider funktioniert das oft nicht reibungslos. Es gibt technische Schwierigkeiten auf der Plattform oder meine Internetverbindung ist instabil. Die Lehrkräfte geben sich immer die größte Mühe, aber es ist einfach nicht das Gleiche. Man ist beim Lernen auf sich allein gestellt, die Motivation und Unterstützung durch die Mitschüler fehlen. Ich
mache mir ein bisschen Sorgen, dass meine theoretische Ausbildung unter Corona leidet. Allerdings glaube ich andererseits auch, dass die Pandemie mich sehr gut auf den Alltag im Erzieherberuf vorbereitet. Ich musste von Anfang an flexibel sein und mich auf ständig wechselnde Situationen einlassen. Das hat mich geprägt. Wenn ich in der Pandemie trotz aller Herausforderungen, Einschränkungen und Zusatzregelungen die Ausbildung zum Erzieher meistere, kann mich in Zukunft nichts mehr so leicht umhauen.

Tamara Schmid ist 29 Jahre alt und im ersten Jahr ihrer Ausbildung zur Erzieherin. Sie lebt in München und hat früher als Friseurin gearbeitet.

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