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Ilona Mlynski: Unser Zentrum liegt in Duisburg-Hochfeld. Wir haben siebzehn verschiedene Nationen in unserer Kita. Viele Eltern verstehen kein Deutsch, manche sind bildungsfern und die meisten kannten das deutsche Kindergartensystem, bevor sie zu uns kamen, nicht. Einige Eltern haben eine andere Vorstellung von Erziehung. Deshalb ist es für uns besonders wichtig, dass wir unsere Eltern durch gezielte Elternarbeit abholen.
Wir gehen auf jede Familie individuell ein. Auch, wenn wir hier alle gleichbehandeln, prüfen wir: Was braucht diese Familie gerade? Wie können wir sie unterstützen? Eine Mutter, die türkische Wurzeln hat, aber gut Deutsch spricht und hier geboren ist, benötigt andere Unterstützung als eine Familie, die erst seit einem Jahr in Deutschland lebt. In unserem Stadtteil trifft alles aufeinander. Wir bieten deshalb begleitete Elterncafés und individuelle Elternberatung an.
Nein, mit Corona hat sich das alles verändert und wir mussten die Angebote zurückfahren. Vor allem in der Zeit, als niemand die Kita betreten durfte. Wir haben von Anfang an versucht, den Eltern und den Familien beizustehen und sie nicht allein zu lassen. Das war nicht so leicht – schließlich war auch für uns Fachkräfte die Situation neu. Niemand wusste, was uns erwartet. Wir haben trotzdem gleich im ersten Lockdown telefonische Sprechstunden angeboten – eine von den Kolleginnen war immer erreichbar. Die Eltern haben diese Telefon-Sprechstunden genutzt und zu verschiedensten Themen angerufen, zum Beispiel: „Wie kann ich mein Kind sinnvoll beschäftigen? Es langweilt sich zu Hause, mir gehen die Ideen aus.“, „Meine Kinder streiten ganz oft zu Hause. Was soll ich tun?“ oder: „Wann darf mein Kind wieder in die Kita? Es ist doch ein Vorschulkind.“ Auch wir haben Eltern angerufen, um Kontakt zu halten oder auch einfach nur zu fragen: „Wie geht´s Ihnen denn?“
Nein, der Kontakt zu den Eltern war weiter stark eingeschränkt. Die Eltern durften ja lange gar nicht in die Kita kommen. Begegnungen wie Tür-und-Angel-Gespräche fielen komplett weg. Wir haben damals überlegt, wie wir trotzdem in Verbindung bleiben können. Elterncafés waren zu der Zeit nicht möglich, wir wollten unsere Arbeit aber gerade in dieser Zeit für die Eltern transparent machen. Wir haben deshalb eine Whatsapp-Gruppe gegründet. In dieser Gruppe konnten wir Fachkräfte Nachrichten und Videos teilen. Etwa von kleinen Theaterstücken, die wir gefilmt hatten oder Zoom-Links von unserem Morgenkreis. So konnten die Eltern – und die Kinder, die zuhause waren – uns und die Kita-Räume zumindest digital sehen.
Zumindest haben wir anfangs gedacht: Das ist eine tolle Lösung, das funktioniert gut. Aber je länger die Pandemie und die Maßnahmen dauerten, desto mehr haben wir gemerkt: Es fehlt etwas. Die Eltern wurden mit den Monaten unzufriedener – und wir selbst auch. So gut die digitale Kommunikation auch ist - sie allein reicht nicht. Wir brauchen den persönlichen Kontakt. Schriftliche oder digitale Gespräche fühlen sich immer anders an, als wenn man sich gegenübersteht, mit Mimik und Gestik.
Ja. Es gibt immer Familien, zu denen man einen engeren Kontakt hat. Bei anderen ist es schwieriger, es entstehen leichter Konflikte. Das hat sich durch die Pandemie verstärkt: Wenn es mit einer Familie schon früher schwer war, in Kontakt zu bleiben, hat es das Digitale fast unmöglich gemacht. Bei Eltern, die gerne in der Kita waren und die oft den Austausch gesucht haben, konnten wir die Zeit auch gut mit Whatsapp, Telefon und Zoom überbrücken. Aber auch wenn manche Beziehungen gelitten haben: Ich denke, das Vertrauen haben wir trotzdem nie ganz verloren.
Als es mit den Impfungen losging und die Corona-Maßnahmen angepasst wurden, haben wir kleinere Eltern-Veranstaltungen organisiert. Gruppen von fünf bis sechs Müttern und Vätern konnten sich dann in der Kita treffen – mit Abstand und geöffnetem Fenster, aber immerhin. Wir haben gemerkt: Es tut allen gut, wenn die Eltern wieder ins Haus kommen.
Unsere Kita-Eltern dürfen seit August 2022 die Einrichtung wieder betreten. Wir haben während der Pandemie umgebaut. Durch die Umbaumaßnahmen war es so eng hier drin, dass wir den Mindestabstand lange nicht gewähren konnten. Deshalb waren wir später als andere Kitas dran, die Türen wieder für die ganze Familie zu öffnen.
Man hat richtig gemerkt, wie sie aufgeatmet haben. Sie hatten Freude in ihren Augen. Viele Eltern kannten wir schon über ältere Geschwisterkinder, manche hatten wir seit dem Erstgespräch nicht mehr persönlich gesehen. Wir bieten seit Dezember 2022 auch wieder ein Elterncafé an, das wird sehr gut besucht. Jeden Morgen treffen sich hier fünf bis sechs Mütter, um sich auszutauschen. Seit Januar 2023 können wir das Elterncafé auch begleiten: Wir laden Übersetzerinnen ein, die Bulgarisch oder Türkisch sprechen, um so auch die Eltern anzusprechen, die kein oder nur wenig Deutsch können. Die Übersetzerinnen informieren dann, was in der Kita passiert, und helfen bei Sprachschwierigkeiten weiter.
Durch die Whatsapp-Gruppe haben wir gemerkt, dass wir digital mehr Eltern erreichen. Das hat sich so bewährt, dass wir die Gruppe bis heute für Informationen nutzen. Wir digitalisieren dort zum Beispiel unsere Aushänge. Was wir früher nur auf Zettel geschrieben oder ausgedruckt haben, bieten wir jetzt zusätzlich digital an. Infos wie: „Am Montag findet ein Eltern-Nachmittag statt“ oder „Holen Sie morgen ihre Kinder früher ab, ab 15 Uhr ist Teamsitzung“ veröffentlichen wir mittlerweile doppelt. Wir hängen sie nach wie vor in der Kita auf, fotografieren sie aber auch ab und schicken sie in die Whatsapp-Infogruppe. Das kommt bei den Eltern gut an. Infos auf Papier werden oft übersehen. Ein Foto, das auf dem Handy aufploppt, erreicht mehr.
Das ist ein Aspekt. Jemand, der kein oder nur wenig Deutsch spricht, kann das Foto einer Bekannten zeigen, die es dann übersetzt. Allerdings glaube ich, dass unsere gesamte Gesellschaft digitaler wird. Deshalb sind digitale Infos sicher für alle Eltern eine Erleichterung.
Es fühlt sich fast so wie vor der Pandemie an. Ein letzter negativer Diskussions-Punkt, den wir hier in der Kita haben, ist die Maskenpflicht. Bei uns müssen die Eltern noch Maske tragen. Wir haben erklärt, warum wir das möchten und warum es für uns und für die Kinder wichtig ist. Das sorgt für Diskussionen. Ich merke im Vergleich zu den letzten Jahren dabei aber auch: Konflikte und Unstimmigkeiten können wir jetzt schneller klären als noch während der Pandemie. Der persönliche Weg, etwa im Vier-Augen-Gespräch oder im Elterncafé, ist einfacher als der distanzierte über Zoom oder das Telefon. Die Eltern kommen so meist auch früher auf uns zu, noch bevor sich viel aufstauen kann.
Wir möchten nach wie vor die Familien begleiten, dazu gehört auch das Vernetzen. Und das geht über den Kindergarten hinaus. Wir haben Kooperationen mit anderen Kitas und mit den Grundschulen in der Nähe gestartet. Auch die Schulen bieten seit Kurzem Elterncafés und Begleitung an. Es hilft nichts, wenn wir in der Kita ein gutes Angebot für die Eltern auf die Beine stellen, sie aber ab der Schulzeit allein gelassen werden. An diesem Konzept arbeiten wir gerade.
Ilona Mlynski ist Einrichtungsleiterin eines DRK-Familienzentrums in Duisburg. Ihr ist wichtig, dass sich alle Eltern in der Einrichtung wohlfühlen und das Gefühl haben, ein Teil der Kita zu sein. Kinder sowie Eltern sollen am Ende eine positive Erinnerung an die Kita-Zeit haben.
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