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Ich bin schon seit mehreren Jahren im Beruf und fühle mich im Umgang mit Kindern und Eltern eigentlich fit. Vor einigen Tagen hatte ich aber eine Situation, die mich an meine Grenzen geführt hat. Beim Abholen ergab sich ein Tür- und Angel-Gespräch mit einer Mutter. Sie hat mich angesprochen und sprach zuerst über ihren Sohn und dann über andere Kinder. Sie sagte, dass die anderen Kinder ihren Sohn regelmäßig nicht mitspielen lassen. Da es Abholzeit war, kamen nach und nach andere Eltern hinzu. Zwei andere Mütter mischten sich in das Gespräch ein und wurden ziemlich aggressiv zu meiner Gesprächspartnerin. Ich stand hilflos daneben. Wie kann ich diese Situation beim nächsten Mal besser lösen?“
Tür- und Angel-Gespräche sind eine fantastische Gelegenheit, um unkompliziert miteinander ins Gespräch zu kommen und kleinere Fragen sofort zu klären. Kein Terminstress, keine Absprachen, kein langes Warten, das macht diese Gesprächsform für Eltern und Erzieher:innen so beliebt. Zwischen Tür und Angel lässt sich vor allem Organisatorisches gut klären, auch für positive Rückmeldungen ist die Gesprächsform ideal. Oft bietet das Tür-und-Angel-Gespräch auch die Möglichkeit für ein paar Worte über den Familienalltag, den letzten Urlaub oder ähnliches. So wird bei diesen Gelegenheiten auch viel Beziehungsarbeit geleistet – für die Kita eine gute Möglichkeit, mit allen Eltern ins Gespräch und in einen Austausch zu kommen.
Der informelle Charakter von Tür-und- Angel-Gesprächen, der sie so herrlich unkompliziert macht, ist gleichzeitig ihr größtes Manko. Denn vertrauliche Inhalte und schwierige Themen, Kritik oder Konfliktgespräche haben auf dem Kita-Flur zwischen Anoraks, Gummistiefeln und herumwuselnden Kindern nichts verloren. Es ist ein großer Unterschied, ob wir besprechen, dass die Wechselkleider von Jonas zu klein geworden sind und bald einmal ausgetauscht werden sollten, oder ob es im Gespräch um die Angst der Mutter geht, ihr Sohn könnte gemobbt und ausgegrenzt werden. Leider lässt sich diese Grenze nicht immer so klar ziehen. Und manchmal verändert sich ein Gespräch, das ganz unverfänglich begonnen hat, vom lockeren Austausch zu einer Beratungssituation.
Genau das ist hier passiert: Die Unterhaltung zwischen Mutter und Erzieherin fand im „öffentlichen Raum“ (dem Flur) statt, wo jederzeit andere Eltern und Kolleg:innen vorbeikommen konnten. Für all diese Personen ist natürlich nicht klar, ob es sich um ein „privates“, vertrauliches Beratungsgespräch oder um eine „öffentliche“ Unterhaltung handelt. In dieser Situation ist es nur verständlich, dass sich die anderen Elternteile eingeschaltet haben, als sie gehört haben, dass es um die Gruppe bzw. ihre eigenen Kinder ging. Schwierigkeit eins war also der Rahmen der Unterhaltung, der plötzlich nicht mehr passte.
Die zweite Schwierigkeit betrifft den Inhalt. Beschwerden über (echtes oder vermeintliches) Fehlverhalten, Klagen über Streitereien in der Gruppe und vieles mehr sind an der Tagesordnung. Für solche Inhalte gilt: Sie werden besser unter vier Augen als in der Gruppe besprochen und stellen das Kind, um das es geht, ins Zentrum – nicht die anderen.
Dass es, wie im geschilderten Fall, so weit kam, dass zwischen den Beteiligten ein regelrechter Streit ausbrach, machte die Situation noch schwieriger. Die Erzieherin befand sich plötzlich in der Rolle der Streitschlichterin in einer Auseinandersetzung zwischen wütenden Eltern.
Größter Problempunkt war der falsche Ort. Sobald sich zeigt, dass ein Gespräch Beratungscharakter hat oder es um eine Beschwerde, ein Problem oder einen Konflikt geht, ist eine ruhige und geplante Gesprächssituation angebracht. In dem Fall sollte die/der Erzieher:in am besten sofort vorschlagen, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt oder – wenn es möglich ist – auch gleich an einem anderen Ort fortzuführen.
Beschwerden über andere Kinder, Familien, Erzieher:innen, das Küchenteam oder weitere Beteiligte im Kosmos Kita sind nichts Ungewöhnliches. Im Beratungsgespräch gelingt es leichter als in der Gruppe, den Blick der Eltern auf das eigene Kind und dessen Situation zu lenken und nach Lösungen zu suchen. Spekulationen oder gar vertrauliche Informationen über andere Familien sollten im Elterngespräch dagegen kein Thema sein.
Wenn es doch einmal zum Streit zwischen Eltern kommt, ergreifen Sie auf keinen Fall Partei, sondern bleiben ruhig und neutral. In der geschilderten Situation zum Beispiel so: „Ich möchte das Gespräch hier abbrechen. Mit gegenseitigen Anschuldigungen kommen wir an dieser Stelle nicht weiter. Ich stehe für jede:n von Ihnen gern für ein Gespräch zur Verfügung, um Ihre Anliegen zu klären. Wie wäre es zum Beispiel gleich morgen (nächste Woche oder am Freitag)?“ Möglich ist auch ein moderiertes Gespräch mit mehreren Beteiligten, zu dem eventuell auch eine weitere Kollegin oder ein weiterer Kollege hinzugezogen wird – jedoch nicht zwischen „Tür und Angel“.
Ulrike Lindner, Diplom-Kommunikationswirtin und Fachbuch-Autorin. Sie bietet Fortbildungen und Studientage für Kita-Teams an und hat mehrere Bücher über Gesprächsführung, Eltern- und Öffentlichkeitsarbeit veröffentlicht.
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