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Wer sich mit dem Kinderbuchmarkt beschäftigt, findet unter den Neuerscheinungen viel häufiger als vor einigen Jahren Geschichten mit homosexuellen Elternpaaren und Patchworkfamilien. Vor zehn Jahren begannen Verleger: innen und Leser:innen über das Streichen von rassistischen und kolonialistischen Begriffen aus Klassikern wie etwa „Pippi Langstrumpf“ zu verhandeln. Heißt das, dass es für die meisten Kinder mittlerweile eine Identifikationsfigur gibt, die ihrer Lebenswelt entspringt und sie respektvoll darstellt? Und warum ist das überhaupt wichtig? Erziehungswissenschaftlerin Maisha Auma erklärte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: „Wenn Kinder nicht sehen, dass sie gesellschaftlich vorkommen und dass sie Beiträge zur Gesellschaft leisten, dann können sie gar nicht imaginieren, was sie werden können. Es verhindert, dass sie ein positives Selbstverhältnis und Weltverhältnis aufbauen können.“
Dabei ist es aber nicht nur wichtig, dass unter den Held:innen People of Colour sind und Geschlechtervorbilder abseits der heteronormativen Vorstellung überhaupt auftauchen. Sondern auch, welche Eigenschaften sie repräsentieren. Vereinfacht dargestellt kann man zwei Möglichkeiten wählen, um Menschen repräsentativ
abzubilden: In der ersten Variante erzählen Bücher Geschichten, die Kinder sensibel mit Formen der Diskriminierung vertraut machen. Das ist wichtig, kann aber den Nachteil haben, ein Denkmuster zu verstärken, Menschen jenseits der Norm würden hauptsächlich Leid erfahren. Deshalb ist es auch wichtig, die zweite Variante zu vertreten: Geschichten, in denen People of Colour, queere Menschen und verschiedene religiöse und kulturelle Hintergründe Alltag sind und die Abweichung von der vermeintlichen Norm nur Nebensache ist. Es wäre beispielsweise fatal, die jüdische Kultur nur im Zusammenhang mit dem Holocaust zu erwähnen und den Alltag von Juden und Jüdinnen heute vollkommen unerwähnt zu lassen, wenn es um Feiertage, Essgewohnheiten oder Rituale geht.
Nachgefragt
Expert*in für Genderfragen Petra* Görgen sammelt mit Leidenschaft Kinderbücher. Wir haben für Sie nachgefragt, wie die Vielfalt in Ihre Krippenbibliothek einziehen kann.
In den Medien werden erfreulicherweise immer häufiger diverse Themen aufgegriffen. Auch der Büchermarkt hat reagiert. Diversity ist schon lange kein Fremdwort mehr.
Kinderbücher müssen tatsächliche Vielfalt darstellen, dürfen aber nicht den Fehler machen, bestehende Rollenbilder komplett umzudrehen. Das Kind soll in erster Linie wahrnehmen, dass es einzigartig und damit wertvoll ist. Gute Bilderbücher beleuchten alle menschlichen Charaktere und Lebensmodelle und stellen sie als liebenswert und freudvoll dar. Das Leben ist bunt. Neben dieser Aussage gilt es aber auch aufzuzeigen, dass Menschen, die nicht in eine bestehende Norm passen, Probleme haben können. Gute diverse Bücher wecken beim Kind Unbehagen, wenn es um das Ablehnen von Andersartigkeit geht, sodass es dies als ungerecht empfindet. Der Inhalt des Buches sollte an den Reifegrad des Kindes angepasst sein.
Die Welt der Kinderbücher muss sich frei machen von unsinnigen Normen. Wir tun Kindern und Erwachsenen keinen Gefallen damit, Klischees zu bedienen. Autor*innen und Illustrator* innen, die Verlage selbst, vor allem aber die Käufer*innen haben sich dieser Verantwortung zu stellen.
Dieses Schema kann auch auf Genderstereotype bezogen werden. Es ist gut, wenn es Geschichten gibt über Hürden, die überwunden werden – wie Jungs, die sich trauen, Röcke zu tragen. Gleichzeitig sollte es nicht eine Aufteilung in zwei Sparten geben: Bücher über Vielfaltsthemen und Bücher über andere Themen, in denen der Status quo weiterhin aufrechterhalten wird. So kommt es, dass die allermeisten Kinder die Conni-Buchreihe kennen, aber keine nicht genderstereotype oder nicht weiße Figur oder Protagonist:innen mit Behinderung. Wünschenswert sind eben auch Abenteuerinnen und Erfinderinnen, die ganz selbstverständlich durch die Welt gehen. Und Jungs mit lackierten Fingernägeln, die sichtbar sind, aber nicht extra erwähnt werden.
Bücher, die sich mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen, sind auch in der aktuellen Bilderbuchlandschaft noch rar gesät. Auch hier ist es wichtig, dass es Protagonist:innen mit Behinderung gibt, die in ihrem Alltagsleben gezeigt werden. Und keine Motivationsgeschichte, die einen Unfall und dessen Überwindung in den Vordergrund rückt. Ein positives Beispiel ist hier „Ellas Elfentanz“ (Klee, 2022): Die Protagonistin sammelt Mut, um für die Hauptrolle in einem Theaterstück vorzusprechen. Dass sie einen Rollstuhl nutzt, ist nur eine ihrer Eigenschaften.
Die Neuerscheinungen sind im letzten Jahrzehnt in vielerlei Hinsicht inklusiver geworden. Dennoch erfahren Autor:innen wie die deutsch-libanesische Schriftstellerin Andrea Karimé (Deutschlandfunk, 2021) weiterhin Ablehnung mit der Begründung, es gäbe keinen entsprechenden Markt, während Leser:innen nach repräsentativen Büchern für etwa People of Colour immer noch gezielt Ausschau halten müssen. Aber es gibt Bücher auch für Krippenkinder, in denen vieles richtig gemacht wurde.
www.deutschlandfunkkultur.de/diversitaetmehrvielfaltinkinderbuechern100.html (Stand: 02/2023)
Klee, A.: Ellas Elfentanz. Jupitermond 2022
„Conni“-Bücher: www.conni.de (Stand 02/2023)
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