19.05.2022
Nele Trenner, Holger Klaus

Klettern in der Kita — Sie fragen, die Kitarechtler antworten

Bäume sind zum Klettern da — zu mindestens für Kinder ist der Kletterspaß im Garten das Größte. Gerade Bäume lade im Garten dazu ein. Doch wie ist die Rechtslage dabei eigentlich? Und gibt es einheitliche Regelungen, die als Kita-Leitung beachtet werden müssen? Sie fragen, die Kitarechtler antworten.

Liebe Kitarechtler,
 
so langsam kommt der Sommer und wir können wieder so oft wie möglich im Garten sein.
Da wir einen sehr alten Baumbestand haben, klettern die Kinder gerne auf Bäume, was die Kolleg:innen mit ganz unterschied­lichen Grenzen erlauben bzw. verbieten. Gibt es hier eine einheitliche Regelung, die ich als Leitung aussprechen kann?

Vielen Dank und herzliche Grüße Linda

Hallo Linda,

Klettern macht Kindern viel Spaß, keine Frage. Und gerade Bäume laden dazu regelrecht ein. Natürlich gibt es jedoch einiges zu beachten.

Baumbeschau

Zum Beispiel ist zu beachten, ob die Bäume regelmäßig sachkundig im Rahmen einer Baumbeschau geprüft werden und zum Klettern grundsätzlich geeignet wären. Dabei macht es auch keinen Unter­schied, ob auf dem Kita-Freigelände eher jüngere oder ältere Bäume wachsen. Denn Umwelteinflüsse, Krankheiten oder anderweitige Einwirkungen können die Stand- und Tragfestigkeit bzw. die „Bespielbarkeit“ von praktisch jedem Baum infrage stellen.

Zudem sollten im Rahmen einer solchen Baumbeschau auch V-förmige Öffnungen von Astgabelungen erkannt werden. Diese können dann präventiv entfernt oder durch das Anbringen von entsprechend angepassten Holzplatten so geschlossen werden, dass von ihnen keine Gefahr mehr für die Kinder aus­geht.

Weitere wichtige Faktoren

Weiter stellt sich die Frage, ob der Untergrund und der Fallraum höhere „Kletter-Abenteuer“ überhaupt zulassen. Denn zumindest ein gewisser Aufprallschutz durch z. B. lockeren Sand sollte bzw. muss (ab einer gewissen Höhe) dann vorhanden sein. Auch ist zu bedenken, dass möglichst kein Spielbereich unterhalb der kletternden Kinder zugelassen wird.

Wie sieht es mit der entsprechenden Kleidung der kletternden Kinder aus? Kordeln an Jacken oder auch Halstücher sowie Schals haben leider schon schlimme Unfälle verursacht und haben beim Klettern nichts zu suchen.

Die Kletterhöhe sollte sodann für jeden Baum individuell bestimmt werden. Aber selbst bei einem perfek­ten Kletterbaum ist gemäß den Vorgaben der Unfallkassen bei maximal 3 Metern das Klettervergnügen zu begrenzen. Entsprechende Markierungen sollten in beiden Fällen für die Kinder angebracht werden.

Gewährleistung der Aufsichtspflicht

Ungeachtet dessen ist im Rahmen der Aufsichtspflicht natürlich weiterhin ganz konkret zu prüfen, ob ein bestimmter Baum an einem bestimmten Tag in einer ganz konkreten Situation zum Klettern für die eben­so ganz konkret anvertrauten Kinder freigegeben wird. Denn natürlich spielen Faktoren wie z. B. Tages­wetter oder ein vorangegangener Sturmtag, klettertaugliche Kleidung, die individuellen Kletterfähigkeiten eines Kindes, die Gruppengröße und die Gruppendynamik stets eine wichtige Rolle. Auch ist zu prüfen, ob in der jeweiligen Situation die erhöhten Anforderungen an die Aufsichtspflicht – zum Beispiel, wenn schnelles Eingreifen oder besondere Hilfestellungen erforderlich sind – überhaupt gewährleistet werden können.

Weisung Ihres Teams

Dies alles sollte auch in die einheitliche Regelung mit einfließen, die Sie als Leitung natürlich im Rahmen Ihres Weisungsrechts vorgeben können. Dabei müssen Sie sogar die je nach Baum als vertretbar erachteten Kletterhöhen oder die maximale Kletter­höhe von 3 Metern vorgeben und die ent­sprechenden Markierungen sicherstellen.

Ob Sie zugleich auch pauschal gegenüber Ihrem Team anweisen sollten, entsprechende Kletter­höhen den Kindern jederzeit zuzugestehen, halten wir für höchst bedenklich und raten davon mit Nachdruck ab. Denn dadurch würde die Prüfung des konkreten Einzelfalls im Rahmen der genügenden Aufsicht durch Sie praktisch aufgehoben.

Sicherlich mag es angehen, dass manche der Kolleginnen und Kollegen weniger risikofreudig sind, was die von Ihnen erlaubten Kletter-Abenteuer der oder auch nur mancher Kinder angeht. Gleichwohl kann es hierfür wichtige Gründe geben, die keinesfalls pauschal für die Zukunft durch eine entsprechende ar­beitsrechtliche Weisung ignoriert werden sollten. Ein gewisser Ermessensspielraum im konkreten Ein­zelfall wird immer für die richtige Ausübung der Aufsichtspflicht verbleiben müssen. Selbst wenn sich manche Ihrer Kolleg:innen nur dahingehend offenbaren, lediglich ein wenig ängstlicher zu sein, ohne besondere Gründe hierfür angeben zu können, halten wir dies nicht per se für nachteilig. Denn dann ha­ben Sie immer noch ein gewisses Korrektiv zur vielleicht ansonsten möglichen „Betriebsblindheit“ im Team oder zumindest die Möglichkeit, individuell im Rahmen der zu verteilenden Aufsichtsaufgaben hier­auf einzugehen. Denn Angst kann sich bekanntlich auch übertragen und damit wäre niemandem gehol­fen.

Herzliche Grüße

Ihre Kitarechtler

Das Wichtigste auf einen Blick

Wenn Kinder auf die Bäume in Ihrer Kita klettern wollen, müssen diese zunächst durch eine Baumbeschau sachkundig geprüft werden. Hier wird festgestellt, ob sich der jeweilige Baum zum Klettern eignet und von ihm keine Gefahr für die Kinder ausgeht.

Das Klettern stellt zudem eine erhöhte Anforderung an Ihre Aufsichtspflicht und die Ihrer Mitarbeiter:innen dar. Überprüfen Sie im konkreten Einzelfall, ob Sie diese weiterhin gewähr­leisten können, wenn die Kinder klettern. Im Rahmen Ihres Weisungsrechts müssen Sie Ihrem Team die maximale Kletterhöhe von 3 Metern vorgeben und diese entsprechend markieren. Ihre Teammitglieder sollten es allerdings vermeiden, pauschal allen Kindern jederzeit entsprechende Kletterhöhen zuzugestehen. Es sollte immer ein gewisser Ermessensspiel­raum in der konkreten Situation verbleiben. Das Wichtigste dabei ist immer, dass die Auf­sichtspflicht gewährleistet werden kann und die Kinder keiner Gefahr ausgesetzt werden.

Die Kitarechtler: Unsere Ansprechpartner zu allen rechtlichen Fragen rund um die Kita

Nele Trenner und Holger Klaus (VEST Rechtsanwälte LLP) arbeiten eng mit zahlreichen Kita-Trägern im Rahmen einer „Externen Rechtsabteilung“ zusammen und stehen den Verantwortlichen in allen Fragen aus dem Kita-Alltag zur Seite, von A wie Aufsichtspflicht über K wie Kita-Aufsicht bis Z wie Zeugnis-Anspruch. Mit Vorliebe geben sie Leitungen und solchen, die es werden wollen, ihr Wissen in Blockseminaren weiter.

www.kitarechtler.de

Literaturtipp

Ihlenfeld, Lars/Klaus, Holger/Trenner, Nele: Was Erzieher_innen wissen wollen. 50 Fragen zu Rechten und Pflichten in der Kita. Weinheim: Beltz 2019.
Klaus, Holger/Ihlenfeld, Lars: Dienstanweisungen für Kindergarten, Krippe und Hort. Weinheim: Beltz 2017.
Klaus, Holger/Ihlenfeld, Lars: Rechte und Pflichten in der Kita: Was Kinder dürfen und Erzieher/innen müssen. Weinheim: Beltz 2014.

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