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Diesen Text habe ich in möglichst einfacher Sprache geschrieben, damit ihn so viele Menschen wie möglich verstehen. Das war eine Herausforderung für mich. Ich musste immer wieder nach passenden Worten suchen. Aber ich glaube, so funktioniert Inklusion: Am Anfang ist es ungewohnt und manchmal auch ein bisschen anstrengend, aber am Ende ist es für alle besser als vorher.
In diesem Text geht es um das Wort „Inklusion“, darum, was es bedeutet und warum es wichtig ist. Und wie Inklusion in der Kita klappen kann. Der Begriff „Inklusion“ kommt aus einer sehr alten Sprache. Sie heißt Latein. Er bedeutet Einbeziehung, Einschluss und Zugehörigkeit – in der Schule, in der Freizeit, im Beruf, in den Medien, im ganzen Leben. Es geht um die Gesellschaft und um die Menschen, die in ihr leben.
Seit dem Jahr 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Vor allem im Zusammenhang mit Behinderung wird seit diesem Gesetz von Inklusion gesprochen. Dabei meint Inklusion viel mehr. Neben einer Behinderung zählen zum Beispiel diese Eigenschaften von Menschen dazu: wen wir begehren (sexuelle Orientierung), wo wir herkommen (Herkunft), wie wir aussehen (Hautfarbe), welches Geschlecht wir haben. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Merkmale. Unabhängig davon sollen alle Menschen die gleichen Rechte und Chancen haben. Es geht um das selbstverständliche Zusammensein und Teilhabe von Anfang an. Niemand soll ausgeschlossen werden.
Zum Beispiel in der Schule. Dort bedeutet Inklusion, dass alle Kinder gleichberechtigt lernen. Ihre Unterschiedlichkeit wird als Normalfall angesehen. Damit das funktionieren kann, müssen sich Strukturen verändern. Wie Unterricht aussieht, muss sich ändern. Das passiert in Deutschland nur sehr langsam. An einigen inklusiven Schulen funktioniert das gemeinsame Lernen schon gut. Dort lernen Kinder mit und ohne Behinderungen neben- und miteinander unterschiedliche Dinge. Mohammed lernt schwierige Rechnungen, Elsa lernt das Essen mit einem Löffel. Gleichzeitig lernen alle, dass menschliche Vielfalt ein Wert ist.
Übrigens ändert sich mit dem Inklusionsbegriff auch die Bedeutung des Wortes „Behinderung“. In den 1970er-Jahren gab es die Behindertenbewegung, einen Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen. Sie haben für ein selbstbestimmtes Leben gekämpft und sagten: „Behindert ist man nicht, behindert wird man.“ Die Behinderungen von Menschen sind also nicht ihre persönlichen Probleme. Behinderungen entstehen dadurch, dass es in unserer Umwelt – also in Häusern, auf den Straßen, in Köpfen von Menschen – Barrieren gibt.
Die Behinderung ist zum Beispiel nicht, dass eine Person gehörlos ist, sondern, dass nicht alle öffentlichen Veranstaltungen in Gebärdensprache übersetzt werden. „Soziales Modell von Behinderung“, heißt das. Das bedeutet, dass die Verantwortung für die inklusive Gesellschaft nicht bei den einzelnen Menschen mit Behinderung liegt, sondern bei uns allen.
Für alle Menschen, die nicht benachteiligt werden, bedeutet das: Sie müssen über Vorteile, Benachteiligungen und Ausgrenzung nachdenken. Rebecca Maskos ist eine Journalistin, die sich viel mit Inklusion beschäftigt. Sie beschreibt das Leben in einer inklusiven Gesellschaft so: „Die inklusive Gesellschaft würde nicht mehr danach fragen, ob jemand behindert ist oder nicht. Nicht mehr einteilen in ,behindert‘ oder ,nicht behindert‘. Sondern Inklusion würde danach fragen: Welche Bedürfnisse hat eine Person? Was braucht sie, um teilhaben zu können?“ (Maskos 2017) Inklusion ist ein Menschenrecht und gilt für uns alle. Es geht darum, dass wir alle dabei sein können, wenn wir das wollen. Genau das hilft, wenn wir uns die Frage stellen, was Familien mit Kindern mit Behinderungen brauchen. Erstmal geht es darum, nicht in Frage zu stellen, ob sie dabei sein können. Im Rückbildungskurs, in der Kita, in der Schule. Es geht darum, Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was brauchst du, um dabei zu sein? Manchmal ist nicht von Anfang an klar, was gebraucht wird. Dann muss man es ausprobieren. Es ist wichtig, Fragen zu stellen. Mindestens so wichtig ist zu akzeptieren, dass es nicht auf alles Antworten gibt. Erst recht nicht leichte Antworten. Die Antworten sollten wir gemeinsam suchen.
Bei der Inklusion geht es um die Akzeptanz, dass wir einzigartig sind und gut so, wie wir sind. Dass es ein Problem der Umgebung ist, wenn etwas nicht funktioniert, und nicht das Problem des Menschen, der deshalb nicht teilhaben kann. Deshalb geht es darum, nicht den Menschen zu verändern, sondern seine Umgebung.
Oft ist das nicht nur gut für den Menschen, der auf Unterstützung angewiesen ist – sondern auch für alle anderen. Sprache, die leicht verständlich ist; barrierefreie Räume – beides ist für alle Menschen gut. Nicht nur für die, die sie brauchen. Von Kopfhörern, die Lautstärke abschirmen, profitieren nicht nur Kinder mit ADHS, sondern alle. Von Schulen mit Fahrstuhl profitieren nicht nur Kinder, die mit einem Rollstuhl mobil sind, sondern auch Eltern, die mit Kinderwagen unterwegs sind, oder Lehrende, die nicht mehr alle Treppen schaffen.
Was selbstverständlich sein sollte, wird bei Kindern mit Behinderungen oft übersehen: Sie sind in erster Linie Kinder. Und leben dann noch mit einer Behinderung. Diese steht aber nicht vor ihnen, sondern ist ein selbstverständlicher Teil.
Mareice Kaiser lebt in Berlin und im Internet. Sie schreibt als Journalistin und Autorin zu den Themen Inklusion, Vereinbarkeit und Gerechtigkeit. Ihr Essay „Das Unwohlsein der modernen Mutter" wurde zum SPIEGEL Bestseller, in ihrem aktuellen Buch „WIE VIEL" spricht sie mit verschiedenen Menschen über ihr Verhältnis zu Geld.
Maskos, Rebecca: Rede-Beitrag von der Pride Parade 2017: https://www.pride-parade.de/die-parade/parade-2017/redebeitraege/redebeitrag-rebecca-maskos
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