Die Behinderung ist zum Beispiel nicht, dass eine Person gehörlos ist, sondern, dass nicht alle öffentlichen Veranstaltungen in Gebärdensprache übersetzt werden. „Soziales Modell von Behinderung“, heißt das. Das bedeutet, dass die Verantwortung für die inklusive Gesellschaft nicht bei den einzelnen Menschen mit Behinderung liegt, sondern bei uns allen.
Teilhabe ist eine Gemeinschaftsaufgabe
Für alle Menschen, die nicht benachteiligt werden, bedeutet das: Sie müssen über Vorteile, Benachteiligungen und Ausgrenzung nachdenken. Rebecca Maskos ist eine Journalistin, die sich viel mit Inklusion beschäftigt. Sie beschreibt das Leben in einer inklusiven Gesellschaft so: „Die inklusive Gesellschaft würde nicht mehr danach fragen, ob jemand behindert ist oder nicht. Nicht mehr einteilen in ,behindert‘ oder ,nicht behindert‘. Sondern Inklusion würde danach fragen: Welche Bedürfnisse hat eine Person? Was braucht sie, um teilhaben zu können?“ (Maskos 2017) Inklusion ist ein Menschenrecht und gilt für uns alle. Es geht darum, dass wir alle dabei sein können, wenn wir das wollen. Genau das hilft, wenn wir uns die Frage stellen, was Familien mit Kindern mit Behinderungen brauchen. Erstmal geht es darum, nicht in Frage zu stellen, ob sie dabei sein können. Im Rückbildungskurs, in der Kita, in der Schule. Es geht darum, Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was brauchst du, um dabei zu sein? Manchmal ist nicht von Anfang an klar, was gebraucht wird. Dann muss man es ausprobieren. Es ist wichtig, Fragen zu stellen. Mindestens so wichtig ist zu akzeptieren, dass es nicht auf alles Antworten gibt. Erst recht nicht leichte Antworten. Die Antworten sollten wir gemeinsam suchen.
Bei der Inklusion geht es um die Akzeptanz, dass wir einzigartig sind und gut so, wie wir sind. Dass es ein Problem der Umgebung ist, wenn etwas nicht funktioniert, und nicht das Problem des Menschen, der deshalb nicht teilhaben kann. Deshalb geht es darum, nicht den Menschen zu verändern, sondern seine Umgebung.
Durch Inklusion gewinnen alle
Oft ist das nicht nur gut für den Menschen, der auf Unterstützung angewiesen ist – sondern auch für alle anderen. Sprache, die leicht verständlich ist; barrierefreie Räume – beides ist für alle Menschen gut. Nicht nur für die, die sie brauchen. Von Kopfhörern, die Lautstärke abschirmen, profitieren nicht nur Kinder mit ADHS, sondern alle. Von Schulen mit Fahrstuhl profitieren nicht nur Kinder, die mit einem Rollstuhl mobil sind, sondern auch Eltern, die mit Kinderwagen unterwegs sind, oder Lehrende, die nicht mehr alle Treppen schaffen.
Was selbstverständlich sein sollte, wird bei Kindern mit Behinderungen oft übersehen: Sie sind in erster Linie Kinder. Und leben dann noch mit einer Behinderung. Diese steht aber nicht vor ihnen, sondern ist ein selbstverständlicher Teil.
Mareice Kaiser lebt in Berlin und im Internet. Sie schreibt als Journalistin und Autorin zu den Themen Inklusion, Vereinbarkeit und Gerechtigkeit. Ihr Essay „Das Unwohlsein der modernen Mutter" wurde zum SPIEGEL Bestseller, in ihrem aktuellen Buch „WIE VIEL" spricht sie mit verschiedenen Menschen über ihr Verhältnis zu Geld.
Literatur:
Maskos, Rebecca: Rede-Beitrag von der Pride Parade 2017: https://www.pride-parade.de/die-parade/parade-2017/redebeitraege/redebeitrag-rebecca-maskos
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