05.05.2022
Willi Dittrich

Geimpft und getestet in die Kinder-Disco

Zwei Jahre anhaltender Ausnahmezustand liegen jetzt hinter uns. Auch wenn wir uns noch so bemüht haben, für die Kinder Regelbetrieb und Alltagsnormalität weitgehend aufrechtzuerhalten, wäre es naiv zu glauben, nur bei uns Erwachsenen lägen die Nerven blank. Denn selbstverständlich spüren die Kinder, wenn ihre Eltern und Erzieher:innen, die ihnen als wichtigste erwachsene Bezugspersonen Orientierung und Sicherheit vermitteln, zutiefst verunsichert sind.

Da war etwas Unheilvolles hereingebrochen, gegen das die Erwachsenen wehrlos zu sein schienen: Corona heißt es! Längst sind die Kinder nicht mehr nur Zuschauer, welche Erzieher:innen erlebten, die plötzlich nicht mehr vorlesen, singen oder kuscheln wollten. Oder die auf einmal wegen etwas, das Quarantäne heißt, unverhofft eine ganze Woche mit Mama und Papa zu Hause spielen durften. Inzwischen müssen sie sich als direkt Betroffene mehrmals in der Woche ein Wattestäbchen in die Nase schieben lassen, ob sie wollen oder nicht. Und nun sollen sie womöglich noch geimpft werden, damit sie die Krankheit nicht bekommen, vor der alle Angst haben.

Im ersten Pandemie-Jahr erschienen Broschüren, in denen Kindern mehr oder weniger kindgerecht beigebracht werden sollte, was Viren sind und wie man sich vor dem bösen Coronavirus z. B. durch Händewaschen und Niesen in die Armbeuge schützen kann. Die Grundstimmung war ernst und belehrend.

Wir in unserer Kita waren viel zu geschockt, um Inhalte der Pandemiebekämpfung spielerisch zu erarbeiten. Der Gedanke, es schließlich doch zu tun, kam ungeplant. Es galt, für ein Kind unserer Kita ein Abschiedsfest zu organisieren. Das Mädchen wünschte sich neben kiloweise Süßigkeiten und einem leckeren Kuchen eine Kinder-Disco.

Aber hallo, war Tanzen auf engem Raum, noch dazu für Ungeimpfte, nicht verboten?

Pandemiebekämpfung spielerisch erarbeiten

Die Idee war geboren, spielerisch dafür Sorge zu tragen, dass die Party unter Einhaltung der geltenden Bestimmungen risikofrei durchgeführt werden konnte.

Die älteren Kita-Kinder, darunter das Mädchen, dessen Abschied wir feiern wollten, stürzten sich geradezu in die Arbeit, Impfpässe mit QR-Code, Namenszug und Teststreifen herzustellen, denn selbstverständlich galt für alle Kinder über 4 Jahre die 2G+- Regel, wonach vor Betreten der Disco ein aktueller Negativtest vorgezeigt werden musste.

Es war völlig überflüssig, den Kindern zu zeigen, wie diese Teststreifen auszusehen hatten. Vielleicht war ein wenig Hilfestellung bei der Bedeutung der Buchstaben C und T nötig, aber das war's dann auch schon.

Selbstverständlich mussten alle Kinder geimpft werden. Im Handumdrehen war aus einer langen Pappröhre und einem überlangen Holzstäbchen mit spitzem Ende eine Spritze gebaut. In einem Crashkurs wurden zwei Kinder zu Sanitätern ausgebildet. Die Prüfung bestand in der korrekten Handhabung der Impfung, wonach der „Pikser" leicht gespürt werden musste, aber nicht wehtun durfte. Danach erhielten sie ein aus rotem Klebeband gefertigtes Kreuz auf den Ärmel. Wer geimpft war, erhielt seinen Impfpass. Am nächsten Tag, dem Tag der Abschiedsparty, mussten die älteren Kinder nach Verspeisen des äußerst leckeren Kuchens vor Betreten der Disco Impfpass und Negativtestergebnis vorzeigen. Ein Junge, der im Kita-Alltag sehr oft dadurch auffällt, nicht still sitzen zu können, übernahm äußerst gewissenhaft das Amt des Testers, das darin bestand, aus einer kleinen, mit Wasser gefüllten Spritze aus dem Arztkoffer für Kinder ein Tröpfchen auf den markierten Kreis des Teststreifens zu tröpfeln. Danach durfte dann ein Strich auf der Skala bei C gezogen werden. Einmal unterlief ihm der Fehler, den Strich bei T zu ziehen, was unserer Bundesfreiwillligendienstlerin bei der Einlasskontrolle auffiel.

Das betroffene Mädchen brach in Tränen aus, obwohl die Quarantäne lediglich daraus bestand, sich auf unserem Lesesofa ein Bilderbuch anzusehen. Zum Glück konnten wir feststellen, dass das Testergebnis falsch war, was ja auch in der Wirklichkeit recht häufig der Fall sein soll.

Mit Belastendem umgehen

Die ganze Aktion war mehr als nur ein Beschäftigungsangebot. Indem die Kinder etwas in der Realität Belastendes nachspielen konnten, dem sie ansonsten passiv ausgesetzt sind, erlebten sie eine Entlastung, da sie sich als Akteure des Geschehens erfahren und dabei noch Spaß haben konnten.

Willi Dittrich, Erzieher EKT Drunter & Drüber e. V. und Buchautor.

Ihnen hat der Artikel „Geimpft und getestet in die Kinder-Disco“ gefallen? Weitere Tipps, Wissenswertes und Ideen finden Sie in unserer Zeitschrift klein&groß. Hier bestellen!

Diese Produkte könnten Ihnen auch gefallen:

Bitte warten Sie einen Moment.