17.01.2022
Samira Hanzen

Die innere Ruhe wiederfinden

Jede Kitaleitung kann ihre eigene Achtsamkeitspraxis entwickeln. Das tut allen Mitgliedern der Kitagemeinschaft gut.

Die Corona-Pandemie fordert die Nerven der Fachkräfte noch einmal mehr als der Alltag vorher. Es ist wichtiger denn je, dass Kitaleitungen verschiedene Techniken kennen, um zunächst zu ihrer eigenen inneren Ruhe zurückzufinden und mit einem positiven Gefühl im Kitaalltag aufzutreten. Nur so können Sie als Führungskraft Achtsamkeit und Wertschätzung in den Arbeitsalltag integrieren und Ihrem Team entsprechend begegnen. Achtsamkeit und Wertschätzung reduzieren Stress und sorgen für mehr Freude am Arbeitsplatz. Beides ist die Basis für einen gelingenden Umgang mit den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit. Das ist mittlerweile bekannt. Heikel wird es jedoch in Situationen, in denen Kitaleitungen ebenso wie ihre Mitarbeitenden sich überfordert und angespannt fühlen. Wenn die Arbeit kaum Zeit und Raum lässt, sich an den Arbeitsbereichen zu erfreuen, die sehr gut laufen, oder auch Potenziale und Stärken im Team ausreichend zu würdigen.

In diesen Momenten kann es schnell geschehen, dass Sie sich und andere überfordern, unüberlegt reden oder auch handeln.

Doch wie kann es der Kitaleitung gelingen, dem Team achtsam und wertschätzend zu begegnen und auch als Vorbild die achtsame Haltung in das Team zu tragen? Vorab sei gesagt, dass zu einer achtsamen Haltung mehr als das Wissen um Methoden gehört. Es ist eine Frage der eigenen Haltung und Erfahrung, anderen Menschen achtsam zu begegnen. Daher ist der erste Tipp, eine achtsame innere Haltung einzunehmen, bewusst zu fokussieren und wahrzunehmen. Nur so können Sie die Wahrnehmungsprozesse gezielt nutzen und achtsam kommunizieren.

Bewusst wahrnehmen

Achtsamkeit bedeutet, dass alles, was im gegenwärtigen Moment geschieht, bewusst beobachtet und wahrgenommen wird, ohne es zu beurteilen oder zu bewerten. Das ist verbunden mit einer offenen, akzeptierenden und freundlichen Art sich selbst gegenüber. Achtsamkeit als wichtige Säule fernöstlicher Meditationskultur ist bereits seit mehr als 2500 Jahren bekannt. Sie hat als „Achtsamkeits-Praxis“ ihre Wurzeln in den buddhistischen Lehren und ist verbunden mit bestimmten Geisteshaltungen. Wer Achtsamkeit praktiziert, tut deshalb mehr, als aufmerksam zu sein. Die inneren Haltungen der Achtsamkeit werden oft als sieben Qualitäten beschrieben, die je nach Übersetzung unterschiedlich benannt sein können:

  • Anfängergeist
  • Nicht-urteilen
  • Akzeptanz
  • Nicht-streben
  • Seinlassen
  • Geduld
  • Vertrauen

Jon Kabat-Zinn, der „Vater der modernen Achtsamkeitspraxis“, fügte noch zwei wesentliche Aspekte hinzu: Dankbarkeit und Großzügigkeit. Es erweist sich als hilfreich, auch die Eigenschaften Mitgefühl (inklusive Selbstmitgefühl), Humor und Freundlichkeit in die Praxis der Achtsamkeit einzubeziehen. Achtsamkeit ist also eine bestimmte Art von Aufmerksamkeit und bedeutet, dass man präsent ist und teilnimmt an den Themen, die das Team aktuell beschäftigen. So gehört zur Achtsamkeit immer auch die Wertschätzung des Augenblicks und der Ressourcen in der jeweiligen Situation.

Praxistipps für den Umgang im Team

1. Anderen grundsätzlich achtsam begegnen

Ein zentraler Aspekt einer guten Beziehung ist der achtsame Umgang mit dem anderen. Alle Mitarbeitenden wollen gesehen werden. Sie wünschen sich, dass auch auf die eigene Befindlichkeit Rücksicht genommen wird. Nehmen Sie sich daher die Zeit, am Morgen alle Fachkräfte zu begrüßen oder auch ein kurzes Gespräch zu suchen. Das fördert das Wir-Gefühl und zeigt Interesse an der Lebenswelt Ihrer Mitarbeitenden.

2. Achtsames Hinhören

Oft passiert es, dass wir unserem Gegenüber nicht richtig zuhören. In Gedanken sind wir schon bei einer passenden Antwort oder bei anderen Themen. Achten Sie auf das bewusste Hinhören mit Blickkontakt, zugewandter Körpersprache und Geduld beim Zuhören. Dadurch fühlen sich Ihre Mitarbeitenden besser wahrgenommen und wertgeschätzt. Außerdem kommt es zu weniger Missverständnissen. Versuchen Sie also Ihre Aufmerksamkeit voll auf das zu richten, was Ihr Gegenüber erzählt. Führen Sie abschweifende Gedanken wieder zurück auf die Worte Ihres Gegenübers. Bewerten Sie das Gesagte nicht, lassen Sie die Person ausreden und stellen Sie interessierte Rückfragen. Sie können das Gesagte in wenigen Worten zusammenfassen, um Ihrem Gegenüber zu signalisieren, dass Sie aufmerksam hingehört haben.

3. Präsent sein

Es kann Ihre Kolleginnen und Kollegen sehr frustrieren, wenn Sie sich während eines Gesprächs mit etwas anderem beschäftigen. E-Mails lesen, durch soziale Netzwerke scrollen, auf die Uhr oder auf das Handy schauen – all das ist wenig achtsam. Ihre mangelnde Präsenz im Dialog führt zu Distanz. Ihr Gegenüber bekommt so schnell das Gefühl, nicht genug Aufmerksamkeit zu erfahren, und fühlt sich nicht ausreichend gehört. Halten Sie daher immer einen Moment inne und legen Sie die aktuelle Tätigkeit beiseite, wenn Mitarbeitende das Gespräch mit Ihnen suchen.

4. Mehr Empathie

Achtsamkeit wirkt sich grundsätzlich positiv auf unsere Fähigkeit aus, Empathie für andere zu empfinden. Achtsames Zuhören und Kommuni zieren lässt Sie die Sichtweisen und Gefühle Ihrer Fachkräfte besser nachvollziehen und einfühlsamer argumentieren.

5. Ressourcenorientierung

Wer achtsam im Hier und Jetzt ist, begegnet anderen mit mehr Wertschätzung. Er wendet sich anderen Personen bewusst zu und erkennt diese an. Stellen Sie daher nicht die Schwächen und Fehler Ihrer Kolleginnen und Kollegen in den Mittelpunkt, sondern versuchen Sie sich auf die guten Eigenschaften zu konzentrieren. Es erfordert etwas Übung und eine bewusste Entscheidung, den Blick auf das Positive zu richten. Das ist aber mit Blick auf die Leistungsbereitschaft und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz sehr wichtig. Richten Sie also den Fokus bewusst auf das, was gut läuft.

6. Notizen

Organisieren Sie jeden Tag so gut wie möglich und schreiben Sie die wichtigsten Schritte auf. Halten Sie positive Erlebnisse kurz und knapp fest. Diese Technik schult Ihre eigene Achtsamkeit im Alltag. Sie werden feststellen, wie viel Sie schaffen und wie viele positive Erlebnisse der Alltag bringen kann. Leiten Sie auch Ihre Mitarbeitenden dazu an, sich wesentliche Aufgaben, Ziele und positive Erlebnisse gemeinsam zu merken und sich daran zu erfreuen.

7. Belohnung

Belohnung ist eine gute Methode, sich und andere in ihrem Handeln zu bestärken. Gemeint sind kleine Gesten im Alltag, keine finanziellen oder materiellen Zuwendungen. Eine gute Belohnung kann eine kleine Auszeit sein, ein kurzer Spaziergang zum Durchatmen und Abstand gewinnen in der Mittagspause, ein Cappuccino im nahe gelegenen Café oder gar im Kindergarten, ein nettes Wort oder auch eine wertschätzende Bemerkung.

8. Perspektivwechsel

Regen Sie Ihre Fachkräfte und auch sich selbst an, die Perspektive zu wechseln. Das fördert nicht nur gegenseitige Wertschätzung, sondern minimiert auch Konfliktpotenziale.

9. Rituale

Versuchen Sie kleine Rituale im Alltag zu verankern. Das können gezielte kleine Achtsamkeitsübungen sein, Stille-Momente vor dem Start der nächsten Teamsitzung, das Benennen von „Wow-Momenten“ des Tages oder auch nette Botschaften auf dem Whiteboard im Teamraum. Es gibt viele Möglichkeiten. Seien Sie mutig und kreativ auf dem Weg zur Achtsamkeit! 

Samira Hanzen ist Fachberaterin für Kitas, Erzieherin, systemische Beraterin, zertifizierte Fachkraft für Inklusion und freiberufliche Referentin in der Erwachsenenbildung. www.blickwinkel-hanzen.de

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