08.09.2022
Nele Trenner, Holger Klaus

Alkoholkonsum während der Arbeitszeit – Sie fragen, die Kitarechtler antworten

Manchmal ist die Rechtslage in der Kita gar nicht so einfach. Deshalb stehen Ihnen unsere Kitarechtler in allen Fragen aus dem Kita-Alltag zur Seite, von A wie Aufsichtspflicht über K wie Kita-Aufsicht bis Z wie Zeugnis-Anspruch. Diesmal erklären Sie Ihnen alles zum Thema Alkoholkonsum während der Arbeitszeit und den rechtlichen Folgen.

Liebe Kitarechtler,

ich habe den Verdacht, dass eines meiner Teammitglieder regelmäßig während der Arbeitszeit alkoholisiert ist. Schon ein paar Mal habe ich es jetzt gerochen. Wie gehe ich damit um? Reicht es, die Person nur darauf anzusprechen, oder muss ich sie vielleicht sogar abmahnen?

Bei den Überlegungen habe ich mich außerdem gefragt, was zu tun ist, wenn ich bei den Eltern der Kinder den Verdacht auf eine Alkoholkrankheit habe. Bin ich verpflichtet, das Thema anzusprechen? Immerhin ist das Kind dann in gewisser Weise gefährdet, oder?

Danke euch für die Antwort und liebe Grüße

Franzi

 

Hallo Franzi,

Alkohol während der Arbeitszeit und erst recht bei der „Arbeit am Kind“ ist ein absolutes No-Go – das sollte insbesondere bei der Arbeit in Krippe, Kita oder Hort praktisch als Selbstverständlichkeit sofort ein­leuchten. Wie sollte allerdings reagiert werden, wenn einzelne Beschäftigte diese Regel nicht einhalten können? Hier ist in vielfacher Hinsicht zu differenzieren.

Alkoholkonsum ist beweisbar

Ist der Alkoholgenuss während der Arbeitszeit tatsächlich beweisbar, so wird es mit einer Ermahnung – zumindest im sensiblen Bereich der Kinderbetreuung – im Regelfall nicht getan sein. Denn lediglich eine Ermahnung auszusprechen, hat rechtlich wenig Wirkung. Kommt es dann aber im Wiederholungsfall infolge der Alkoholisierung zu einem Unfall, wird automatisch der Vorwurf im Raum stehen, warum nicht auch sofort mit dem gebotenen rechtlichen Nachdruck gehandelt worden ist. Und dies ist nun einmal die Abmahnung mit den (hoffentlich) weitreichenden Hinweis-, Belehrungs- und Warnfunktionen. Insofern entlastet in einem gewissen Maße eine ausgesprochene Abmahnung sowohl die Leitung als auch den Träger. Denn grundsätzlich darf durchaus davon ausgegangen werden, dass eine Abmahnung für die Zukunft die gewünschte Wirkung entfaltet und derartige arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen unterbleiben. Allerdings „blind“ darauf vertrauen dürfen weder Leitung noch Träger im Einzelfall. Stattdessen sollte für eine gewisse Zeit recht engmaschig kontrolliert werden, ob sich die betroffene Person das Gesagte zu Herzen genommen hat.

Verdacht auf Alkoholkonsum

Komplizierter wird natürlich das Vorgehen, wenn lediglich der Verdacht des Alkoholkonsums besteht. Denn dann fehlen die Beweise, um gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt die Richtigkeit einer Abmahnung nachweisen zu können. Hier bietet es sich natürlich an, zunächst auf jeden Fall eine Anhörung der betroffenen Person durchzuführen. Streitet die Person dann alles rundweg ab, wäre zu prüfen: Besteht tatsächlich nur der Verdacht oder liegen andere Tatsachen vor (etwa Riechen nach Alkohol, Lallen, andere alkoholbedingte Ausfallerscheinungen), die durch Zeugen bewiesen werden können? Meist ist Letzte­res nämlich der Fall, sodass gegebenenfalls, wie oben beschrieben, über eine Abmahnung nachgedacht werden könnte.

Alkoholkonsum während der Pausen

Häufig wird der Griff zur Flasche von der betreffenden Person jedoch damit entschuldigt, dass nicht während der Arbeitszeit etwas getrunken wurde, sondern davor oder in der Pause, und dass dies weder Leitung noch Träger angehe. Dieses Argument ist natürlich falsch. Denn zur arbeitsvertraglichen Pflicht gehört es auch, die Arbeitsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen. Natürlich gibt es kein gesetzliches Verbot, Alkohol in der Mittagspause zu trinken. Gleichwohl dürfte auf der Hand liegen, dass infolge von umfang­reichen Aufsichts- wie auch Fürsorgepflichten für die anvertrauten Kinder sich dies im Bereich der frühkindlichen Bildung absolut verbietet. Vorsorglich sollten jedoch Träger hierauf noch einmal aus­drücklich hinweisen.

Pflichten im Fall der Alkoholsucht einer Fachkraft

Im Fall einer Alkoholerkrankung, das heißt im Fall einer Alkoholsucht, werden die Pflichten eines Trägers als Arbeitgeber gleich noch einmal um einiges komplexer. Denn im Fall einer Alkoholsucht gilt das Trinken von Alkohol vor oder während der Arbeitszeit nicht unbe­dingt als steuerbares Verhalten. Nicht steuerbares Verhalten ist aber ebenso wie eine Krankheit nicht abmahnfähig! Mit einer Abmahnung und dem Aus­sprechen eines allgemeinen Alkoholverbots kommen an dieser Stelle also weder Leitung noch Träger weiter. Stattdessen hat ein Arbeitgeber aus seiner Fürsorge­verpflichtung dem Arbeitnehmer gegenüber eine gewisse Verantwortung. Er ist nämlich verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, auf die Inanspruchnahme einer Therapie hinzuwirken. Erst bei fehlender Therapiebereitschaft wird in den meisten Fällen über eine Kündigung überhaupt nachzudenken sein.

Verdacht auf Alkoholerkrankung bei Eltern

Besteht hingegen der Verdacht, dass eine Alkoholerkrankung bei Eltern oder anderen dem Kind sehr nahestehenden Personen vorliegt, so ist das weitere Vorgehen gegebenenfalls sehr individuell zu bestimmen.

Zunächst wird sich die Frage stellen, ob tatsächlich eine entsprechende Erkrankung vorliegt und ob eine solche dann auch tatsächlich negative Auswirkungen auf das Kind haben kann. Oftmals wird es, wenn lediglich der Verdacht einer solchen Erkrankung vorliegt, in den Einrichtungen womöglich am entspre­chenden Fachwissen für die richtige Einschätzung des weiteren Vorgehens fehlen.

Daher wäre zu überlegen, sowohl den Verdacht als auch das tatsächliche Wissen um eine solche Erkrankung im Einzelfall wie einen Kinderschutzfall zu behandeln. Denn das „§ 8a-Verfahren“ in § 8a Abs. 4 SGB VIII gibt vor, dass bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von der Einrichtung betreuten Kindes eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen ist. Für diese Gefährdungseinschätzung ist eine entsprechend erfahrene Fachkraft beratend hinzuzuziehen. Insofern darf in solchen Fällen darauf vertraut werden, dass diese Fachkraft kompetenten Rat für den konkreten Einzelfall beisteuern kann.

Denn eines ist klar: Die Erziehungspartnerschaft mit den betroffenen Eltern sollte keinesfalls durch zu schnelles Vorpreschen ohne vorherige Einbindung einer insoweit erfahrenen Fachkraft unnötig belastet werden. Denn am Ende steht stets das Wohl des Kindes im Mittelpunkt.

Herzliche Grüße

Ihre Kitarechtler

Das Wichtigste auf einen Blick

Wie mit Alkoholkonsum während der „Arbeit am Kind“ aus rechtlicher Sicht umgegangen werden muss, hängt davon ab, ob der Alkoholkonsum beweisbar ist oder nicht. Bei beweis­barem Alkoholkonsum sollten Sie neben weitreichenden Hinweisen, Belehrungen und Warnungen in jedem Fall eine Abmahnung aussprechen, um sich und den Träger im mög­lichen Wiederholungsfall mit Unfallfolgen zu entlasten.

Gibt es hingegen nur den Verdacht, sollten Sie die Person zunächst zur Rede stellen und sie anhören. Wenn aber zusätzliche Tatsachen bestehen, die durch Zeugen bewiesen werden können (z. B. alkoholbedingte Ausfallerscheinungen), sollten Sie genauso vorgehen wie beim beweisbaren Alkoholkonsum.

Während der Pausen ist Alkoholkonsum aus arbeitsrechtlicher Sicht ebenfalls nicht zulässig, denn die Arbeitsfähigkeit darf nicht beeinträchtigt werden. Dies hängt mit den umfangreichen Aufsichts- und Fürsorgepflichten für die Kinder zusammen.

Bei einer Alkoholerkrankung handelt es sich um nicht steuerbares Verhalten, es ist damit nicht abmahnfähig. Im Rahmen Ihrer Fürsorgeverpflichtung müssen Sie hingegen den Ver­such unternehmen, die betroffene Person zu einer Therapie zu bewegen. Nur bei fehlender Therapiebereitschaft kann eine Kündigung erst in Erwähnung gezogen werden.

Wenn wissentlich eine Alkoholerkrankung bei den Eltern vorliegt, sollte dies wie ein Kinder­schutzfall behandelt werden. § 8a Abs. 4 SGB VIII besagt, dass bei Bekanntwerden wichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines Kindes eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen ist.

Die Kitarechtler: Unsere Ansprechpartner zu allen rechtlichen Fragen rund um die Kita

Nele Trenner und Holger Klaus (VEST Rechtsanwälte LLP) arbeiten eng mit zahlreichen Kita-Trägern im Rahmen einer „Externen Rechtsabteilung“ zusammen und stehen den Verantwortlichen in allen Fragen aus dem Kita-Alltag zur Seite, von A wie Aufsichtspflicht über K wie Kita-Aufsicht bis Z wie Zeugnis-Anspruch. Mit Vorliebe geben sie Leitungen und solchen, die es werden wollen, ihr Wissen in Blockseminaren weiter.

www.kitarechtler.de

Literaturtipp

Ihlenfeld, Lars/Klaus, Holger/Trenner, Nele: Was Erzieher_innen wissen wollen. 50 Fragen zu Rechten und Pflichten in der Kita. Weinheim: Beltz 2019.

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