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Zuerst war da die Notbetreuung. Das Virus aber wütete weiter und hat noch einen oben draufgesetzt: Kitas mussten Gruppen oder die komplette Einrichtung schließen. Aber wie genau liefen die Schließungen in den Kitas ab? Welche Dynamiken hatten sie, welche Herausforderungen mussten Leitung und Trägervertreter bewältigen? Die Ergebnisse einer Interview-Studie des Deutschen Jugendinstituts zeigen: Fünf Strategien haben den Kitas in der Krise besonders geholfen. Das Interessante: Man kann die Strategien auch außerhalb der Pandemie anwenden, bei plötzlichen Veränderungen oder bedrohlichen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie wir sie nun etwa auch mit dem Krieg in der Ukraine spüren.
Wenig Informationen und keine konkreten formalen Vorschriften: Pandemie-Alltag in der Kita. Wie arbeitet man da zusammen? Bei kurzfristigen Schließungen mussten Leitende, Trägervertreterinnen und -vertreter, Eltern und zum Teil auch behördliche Mitarbeitende eigene Behelfsstrategien entwickeln. Inoffizielle Messenger-Gruppen und E-Mail-Verteiler, spontane Teamgespräche und Telefonate zwischen Leitenden und Trägervertreterinnen und -vertretern waren Wege, um sich zu den neuesten Kenntnissen und Anforderungen zu rechtlichen Aspekten oder zur Infektionsverbreitung auszutauschen. Der Austausch unterstützte die Fachkräfte auch emotional und es entwickelte sich ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Parallel zu den formalen, behördlichen Verfahrenswegen bildeten sich in den Kitas eher informelle Strukturen und persönliche Netzwerke. So konnten Fachkräfte schneller handeln und auftretende Probleme in den institutionellen Steuerungsstrukturen, wie langsame bürokratische Abläufe oder unzureichende rechtliche Regelungen, abpuffern.
Leiterinnen und Leiter konnten proaktiv die meist sehr langsamen bürokratischen Prozesse rund um die Schließung und Wiedereröffnung der Kitas überbrücken, indem sie persönliche Kontakte zu Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung und der Politik nutzten. So erhielten sie Insiderwissen, etwa welche Labore schnelle Testergebnisse lieferten oder wann Anfragen an das Gesundheitsamt gestellt wurden. Außerdem konnten sie durch Kontakte auch behördliche Vorgänge, wie die Ausstellung von Quarantänebescheiden, beschleunigen. Gute Beziehungen waren in diesem Fall nicht moralisch verwerflich, sondern äußerst wichtig, um auch an den Wochenenden Informationen zu bekommen. Kontakte halfen, in ungewissen Zeiten Entscheidungen zu treffen und deren Risiko zu minimieren.
Bei den Kita-Schließungen kam es immer wieder zu Widersprüchen. Einerseits waren offizielle Regelungen noch nicht festgelegt und bürokratische Vorgehensweisen langsam und schwerfällig, andererseits mussten Kitas schnelle Entscheidungen treffen, die rechtlich relevant waren, wie das Aussprechen eines Betretungsverbotes oder die Anordnung für das Personal, zunächst zu Hause zu bleiben. In der Studie zeigt sich außerdem: Zwischen dem eigenen moralischen Empfinden der Fachkräfte und der Logik von behördlichen Vorgehensweisen lagen oft Welten. Während Behörden den Kita-Betrieb trotz hoher Infektionszahlen wegen noch nicht valider Testergebnisse weiterführten, plädierten Leiterinnen dafür, ihre Kitas zu schließen. Stattdessen mussten sie unterschiedliche Quarantänezeiten der Teammitglieder überblicken und den Personaleinsatz koordinieren. Individuelle und subjektive Erfahrungen waren kaum mit behördlichen Vorgehensweisen zu vereinen. Die häufige Neuorientierung, Improvisation und Suche nach Informationen kosteten Kraft wie Ressourcen und bedeuteten zudem zeitlichen Mehraufwand. Allerdings kann man in einer Krise wenig daran ändern. Ungewissheit und Widersprüche müssen ausgehalten und individuell austariert werden. Eine proaktive und offene Kommunikation hilft.
Die Kita-Leitungen mussten die wenigen Informationen, die sie hatten, gegenüber den Eltern kommunizieren. Hier half vor allem eine präventive Strategie: Viele waren mit den Eltern zu Prozessen und nächsten Schritten laufend im Austausch, wie in einer Art Live-Ticker. Auch wenn zunächst kaum sachlich relevante Inhalte vermittelt werden konnten, schätzten die Eltern die Transparenz sehr und zeigten gegenüber der kurzfristigen Kita-Schließung mehr Verständnis. Sie wünschten sich genügend Informationen, um Entscheidungen treffen zu können. Nur so konnten sie abwägen, ob der Arbeitgeber vorinformiert werden muss, ob Großeltern das Kind abholen oder die Betreuung zu Hause über die Quarantäneverordnung hinaus verlängert wurde.
Durch die intensive Zusammenarbeit mit Behörden hat sich mehr Bürokratie in den Kita-Alltag eingeschlichen. Neben Anwesenheitslisten mussten Leitungen auch andere Vorgänge schriftlich erfassen und dokumentieren, wie Testergebnisse, Erkältungssymptome oder Aufenthaltszeiten des Personals in unterschiedlichen Gruppen. Das standardisierte Vorgehen entlastete bei Improvisation und Zeitverzögerung und ermöglichte Orientierung und Planbarkeit. Jedoch bemerkten einige auch, dass Qualität sowie persönliche Begegnungen im Team und mit den Kindern unter zu viel Bürokratie litten.
In der Pandemie haben Fachkräfte Strategien und Kompetenzen entwickelt, die auch in zukünftigen Krisen helfen können: Der unkonventionelle Einsatz von Kontakten über den kurzen Draht, das vorausschauende und proaktive Kommunizieren in oft undurchsichtiger Lage sowie Gelassenheit und Vermittlungsgeschick angesichts nicht vereinbarer Interessen.
Die ausführlichen Ergebnisse der Studie stehen voraussichtlich zum Ende des Jahres 2022 unter https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/soko-corona.html zur Verfügung.
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