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„Die ganze Familie isst vegetarisch“ kontra „Vegetarisch – geht bei kleinen Kindern gar nicht!“ – am Thema fleischlose Kost scheiden sich die Geister. Noch mehr gehen die Meinungen auseinander, wenn sogar sämtliche tierischen Produkte vom Speiseplan verbannt werden, also vegan gelebt wird. Wirft man einen Blick in Internetforen und andere Diskussionsstränge im Netz, wird schnell klar: Hier tobt teilweise ein erbitterter Schlagabtausch. Diverse Fachgesellschaften warn(t)en: Die gesunde Entwicklung der Jüngsten kann gefährdet sein, wenn nur veganes Essen auf den Tisch kommt. Andere Experten relativieren das und geben Hinweise, wie sich eventuelle Nährstofflücken ausgleichen lassen. Zeit für eine unaufgeregte Betrachtung.
Viele Eltern möchten beim Familienessen nur wenig Fleisch auf den Tisch bringen und erwarten auch ein entsprechendes Angebot, wenn das Kind außer Haus isst. Damit beherzigen sie die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE, www.dge.de) und des Netzwerks Gesund ins Leben (www.gesund-ins-leben.de) für eine ausgewogene, pflanzenbetonte Mischkost. Die besagen: Fleisch ist okay und nährstoffreich, aber wir brauchen es nicht jeden Tag und nicht in großen Mengen. Bis zu dreimal Fleisch pro Woche ist genug für Kleinkinder – am besten möglichst zart, ohne Knochen und im Wechsel mit grätenfreiem Fisch. Gemüse, Obst und Vollkornprodukte sollen den Hauptteil der Nahrung ausmachen. Eine abwechslungsreiche Auswahl (dabei hilft z.B. die Ernährungspyramide des BZfE) liefert alle lebensnotwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge.
Eine vegetarische Ernährung für kleine Kinder wird heute „milder“ bewertet als in früheren Zeiten. Laut den Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben können Eltern ihr Kleinkind ohne Fleisch und Fisch ernähren, wenn es Milch, Milchprodukte und Eier bekommt und der Speiseplan ausgewogen und abwechslungsreich zusammengestellt wird. Auf die Versorgung mit Eisen, Zink, Kalzium, Vitamin B12, Vitamin D sowie langkettigen Omega-3-Fettsäuren muss gut geachtet werden. Fleisch und Fisch können durch Eier, Hülsenfrüchte (Soja/Tofu), fettarme Milchprodukte, Vollkorn-Getreideprodukte oder gemahlene Nüsse ersetzt werden – es gibt heute zahlreiche Rezepte für leckere vegetarische Mahlzeiten.
Vegan bedeutet, ganz ohne tierische Lebensmittel (ohne Fleisch, Fisch, Eier und ohne Milch und Milchprodukte) auszukommen und auch sonst auf tierische Produkte (Honig, Leder) zu verzichten. Das ist eine Herausforderung, und die Handlungsempfehlungen von „Gesund ins Leben“ für das Kleinkindalter sind deutlich: „Von einer rein veganen Ernährung ist abzuraten. Entscheiden sich die Eltern dennoch für eine vegane Ernährung ihres Kindes, sind immer eine spezielle medizinische Beratung und die Supplementierung von Nährstoffen erforderlich, weil das Risiko für einen Nährstoffmangel groß ist.“ Das liegt daran, dass einige wichtige Nährstoffe aus tierischen Lebensmitteln nur schwer zu ersetzen sind. Wird das nicht ausgeglichen, kann dies zu einem Mangel und später zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Kind führen. Die folgenden Nährstoffe sind bei veganer Ernährung kritisch oder können kritisch sein: – Vitamin B12 – Vitamin B2 – Proteine – Langkettige Omega-3-Fettsäuren (DHA) – Kalzium – Eisen – Jod – Zink – Selen – Vitamin D Wollen Eltern ihr Kind dennoch vegan ernähren, so das Netzwerk Gesund ins Leben, müssen sie vor allem auf die Versorgung mit Vitamin B12 achten und diese mit Supplementen sicherstellen. Zusätzlich sollten sie die Nährstoffversorgung des Kindes regelmäßig ärztlich überprüfen lassen und eine qualifizierte Ernährungsberatung in Anspruch nehmen, damit eine möglichst ausgewogene Ernährung sichergestellt werden kann. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betrachtet eine vegane Ernährung für Schwangere, Stillende und Kinder heute nicht mehr als völlig ungeeignet, empfiehlt sie aber auch nicht. Fachgesellschaften anderer Länder wie die US-amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics, die American Academy of Pediatrics oder die Canadian Paediatric Society gehen einen Schritt weiter und sagen heute, dass eine „gut geplante“ vegane Ernährung geeignet sei, den Nährstoffbedarf von Kindern und Jugendlichen zu decken und eine normale Entwicklung zu fördern, sofern auf eine ausreichende Zufuhr kritischer Nährstoffe geachtet und Vitamin B12 ergänzt wird. Das erfordert allerdings sehr gutes Ernährungswissen bei Eltern, Tageseltern und sonstigen Betreuungspersonen und eine gute Absprache untereinander.
Dr. Markus Keller, Professor für vegane Ernährung und Leiter des Forschungsinstituts für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE) in Gießen, verweist auf die eigene VeChi-Diet-Studie mit 430 Kleinkindern im Alter von einem bis drei Jahren: Sie zeigt, dass eine ausreichende Zufuhr von Energie und Nährstoffen mit veganer Ernährung nicht einfach, aber machbar ist. Sie zeigt auch, dass es Nährstoffdefizite nicht nur bei vegan ernährten Kindern gibt. Auch vegetarisch und mit Mischkost ernährte Kinder lagen zum Beispiel im Mittel unter den DGE-Referenzwerten für die Kalziumzufuhr. Die vegan ernährten Kinder hatten im Vergleich jedoch die niedrigste Zufuhr. Bei Vitamin B12 sah es hingegen besser aus als von manchen gedacht, denn rund 97% aller vegan ernährten Kinder nahmen in der VeChi-Diet-Studie ein Vitamin-B12-Nahrungsergänzungsmittel ein und hatten dadurch eine rechnerisch ausreichende Zufuhr. Von den vegetarisch ernährten Kindern erreichten in der Studie etwa die Hälfte nicht den Referenzwert für Vitamin B12 – auch sie sollten laut Dr. Keller ein Präparat bekommen. Weitere kritische Nährstoffe waren Vitamin B2, bei dem die Zufuhr ebenfalls in allen drei Gruppen unter den Empfehlungen lag, sowie die langkettige Omega-3-Fettsäure DHA, die fast ausschließlich in fettreichem Meeresfisch enthalten ist. Insgesamt zeigten sich in der Studie keine Risikonährstoffe, die nur die vegan lebenden Kinder betrafen.
Es hängt weniger von der Kostform an sich ab, ob das Kind gut mit Nährstoffen versorgt ist, als vielmehr von einer cleveren Zusammenstellung des Speiseplans und bei Bedarf dem Einsatz von Nahrungsergänzungmitteln nach Rücksprache mit dem Kinder- und Jugendarzt. Einen besonderen Vorteil der veganen oder vegetarischen Kosten gegenüber einer pflanzenbetonten Mischkost gemäß den Empfehlungen gibt es aber auch nicht.
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