Die Kinder beteiligen
Das Ziel sollte sein, dass alle Kinder gleichermaßen gefördert werden – egal aus welcher Lebenssituation sie kommen. Viele pädagogische Maßnahmen, die in Kitas zum Teil fest verankert sind, bieten sich sehr gut zur individuellen Förderung von Kindern mit hohen kognitiven Begabungen an. Bei allen Möglichkeiten, den Wissensdurst von Kindern zu stillen, sollte man die Partizipation des Kindes berücksichtigen. Also das Kind an seiner eigenen Lernentwicklung zu beteiligen und es direkt zu fragen: „Was interessiert dich?“, „Wie glaubst du, kannst du selbst eine Antwort auf deine Frage finden?“ oder „Wie möchtest du dabei unterstützt werden?“ Wie wir wissen, interessiert sich Lina für die Tierwelt und kann bereits lesen. Sie tritt jedoch weniger mit anderen Kindern in Kontakt. Um ihren unmittelbaren Lebenskontext einzubeziehen, könnten sich folgende Angebote gut zur partizipativen Förderung ihrer Interessen und Kompetenzen anbieten:
1. Projektarbeit
In der Projektarbeit können Fachkräfte individuelle Interessen und Kompetenzen gut fördern. Bei Linas Stärken würde sich ein Tierprojekt mit ihr und einer auch interessierten Kindergruppe eignen. Ihre Lesekompetenz kann das Projekt bereichern. Wichtig ist, dass Lina und die anderen Kinder den Projekt-Prozess selbstständig planen, die Fachkräfte sollten lediglich unterstützen und anleiten.
2. Philosophieren
Komplexe, herausfordernde philosophische Fragen von Kindern mit hoher kognitiver Begabung können Gespräche anregen. Wenn Lina Fragen wie „Kommen Tiere nach ihrem Tod in den Tierhimmel?“ mit Kindern diskutiert, bereichern sich alle Beteiligten gegenseitig und Lina kann ihr bereits erworbenes Wissen einbringen. Zudem kommt sie in Kontakt mit anderen Kindern, die sich für die gleiche Fragestellung interessieren.
3. Vorschulgruppe
Gerade für Kinder, bei denen man über eine vorzeitige Einschulung nachdenkt, kann sich ein früher Besuch der Vorschulgruppe anbieten – ebenso für Kinder, die aufgrund einer hohen kognitiven Begabung besondere Herausforderungen in der Kita benötigen. Wenn Kinder wie Lina Interesse am Lesen, Schreiben oder Rechnen haben, finden sie in der Vorschulgruppe häufig Angebote, die ihre Interessen fördern. Das Gruppengefüge kann es kontaktscheuen Kindern erleichtern, Freunde zu finden, die auf einem ähnlichen Entwicklungsstand sind und ähnliche Interessen haben, sogenannte Peers.
4. Service Learning
Beim Frühen-Service-Learning bieten Kinder freiwillig Lernangebote für andere Kinder an. Das Kind plant unter Anleitung einer pädagogischen Fachkraft die thematische und strukturelle Ausgestaltung. Selbstbestimmt und partizipativ kann Lina in einem Angebot ihr bereits erworbenes Wissen über die Tierwelt weitergeben. Pädagogische Fachkräfte begleiten die Kinder im gesamten Prozess und bieten ihnen damit Sicherheit und wenn nötig Hilfestellungen.
Es ist einfacher als gedacht: Nehmen Fachkräfte die Interessen und Perspektiven von Kindern ernst, erhöht das die Chancen, dass sie sich wohlfühlen. Im Gespräch mit Kindern erfahren die Fachkräfte, was Kindern wichtig ist, was sie tun möchten – und das reduziert Langeweile. Es ist wichtig, Kinder zu wertschätzen, das gilt auch für vielfältige Begabungen, die ein Teil von Diversität sind. Berücksichtigt man das, sind die Grundsteine einer individuellen Förderung in der Kita gelegt.
Alle können profitieren
Zur Förderung von Kindern mit hohen kognitiven Begabungen braucht es im Kita-Alltag keine speziellen Angebote. Fachkräfte sollten eher darauf schauen, inwieweit sie bereits Stärken und Interessen von Kindern aufgreifen und in welcher Form sie diese fördern können. Die oben genannten pädagogischen Maßnahmen eignen sich, um alle Kinder zu fördern und ihre unterschiedlichen Entwicklungsstände zu berücksichtigen. Jedes Kind wird dort abgeholt, wo es steht, und erfährt durch Interaktion mit Peers und durch Anleitung von pädagogischen Fachkräften eine Möglichkeit, seine Begabung zu entfalten. Wenn sich jedes Kind individuell einbringen kann, können alle Kinder davon profitieren und sich in ihren Kompetenzen weiterentwickeln. In dieser Form wird Begabungs- und Begabtenförderung ein Teil von Diversität, in dem sie Vielfalt abbildet und einen Beitrag inklusiver Arbeit in Kindertageseinrichtungen leistet.
LITERATUR
SOLZBACHER, CLAUDIA; BEHRENSEN, BIRGIT (2012): Individuelle Förderung in Kita und Grundschule. Nifbe Themenheft 5. Osnabrück: Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung.
KOOP, CHRISTINE; SEDDIG, NADINE (2020): Fragen und Antworten zu hoher kognitiver Begabung im Kita-Alter. Karg Sonderheft. Beiträge zur Begabtenförderung und Begabungsforschung. Frankfurt am Main: Karg-Stiftung.
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