04.10.2019
SUSANNE JANSEN-WALTER ©Jekaterina Nikitina/GettyImages
Redaktion

Ein krankes Kind gehört ins Bett – Doch was ist mit Grenzfällen?

Warum werden nicht ganz gesunde Kinder häufig trotzdem in die Betreuung gebracht? Wann kann eine Kindertagespflegeperson die Betreuung eines Kindes mit Anzeichen einer Erkrankung morgens ablehnen – beziehungsweise es vorzeitig abholen lassen? Und ab wann darf ein Kind nach überstandener Erkrankung wiederkommen? Viele Fragen, auf die es nicht immer eindeutige Antworten gibt – manchmal aber schon.

Text: SUSANNE JANSEN-WALTER
Bild: ©Jekaterina Nikitina/GettyImages

Krankheiten im beruflichen Kontext

Die Definition von Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation lautet: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Doch wer kann von sich denn schon über vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlergehen berichten? Ist Gesundheit
schon schwierig zu definieren, ist die Definition dessen, wer krank ist oder was Krankheit meint, noch schwerer. Dies hängt viel von eigener Erfahrung, seelischer Verfassung und Wahrnehmung ab. Das macht es häufig so kompliziert im täglichen Umgang mit Menschen um uns herum, die nicht gesund sind. Im Berufsleben ärgern sich viele über Kollegen, die schon bei jeder Kleinigkeit krank „feiern“ – dies suggeriert schon, dass sie eigentlich durchaus ihre Aufgaben erledigen könnten.

Andere kommen mit Fieber zur Arbeit, halten sich für unverzichtbar, woraufhin die Kollegen wettern, weil sie nicht angesteckt werden wollen, und den Kranken auffordern, doch endlich mal das Bett zu hüten. Noch schwieriger sind die Fälle, wo man nichts „sieht“ (keinen Husten, keinen Schnupfen) und die Kollegen dennoch zum Teil lange krank (geschrieben) sind – viele Erkrankungen und auch seelische Probleme sind von außen nicht zu erkennen.

Wann ist ein Kind krank?

Ist es schon schwierig, als Nicht-Mediziner den eigenen Gesundheits- oder Krankheitszustand und auch den anderer Erwachsener beurteilen zu können, so ist es häufig noch schwerer, den gesundheitlichen Zustand von Kindern richtig einzuschätzen. Gerade kleine Kinder können Symptome oft noch nicht genau benennen, Schmerzen noch nicht recht lokalisieren und deren Intensität angemessen wiedergeben.

Hinzu kommt, dass in vielen Familien der Tagesablauf sehr genau getaktet ist. Läuft ein Rädchen nicht rund, kann es das ganze Gefüge zum Bersten bringen. Gerade morgens müssen alle gut funktionieren, um pünktlich bei der Tagesmutter, im Kindergarten, in der Schule und am Arbeitsplatz zu erscheinen. Da kommen erste Anzeichen einer Erkrankung bei einem Kind höchst ungelegen – und werden leicht übersehen. Auch ist es häufig tatsächlich eine Frage des Ermessens sowie der eigenen Wahrnehmung und Erfahrung, ob ein Kind als so krank eingeschätzt wird, dass es zu Hause bleiben muss. Zudem ist der weitere Verlauf bei den ersten Anzeichen oft noch nicht absehbar.

Fallbeispiel

Ein Beispiel: Ein dreijähriges Kind hat nachts schlecht geschlafen und vie geweint. Morgens hat es eine leicht erhöhte Temperatur von 37,2° ansonsten wenig Infektzeichen. Das Kind geht zur Tagesmutter, hat mittags 40° Temperatur, muss frühzeitig abgeholt werden. Abends im Notdienst werden Eiterstippchen gesehen und die Diagnose Eitrige Tonsillitis gestellt. Einen Tag später kommt noch ein Ausschlag hinzu; es ist keine Allergie, sondern Scharlach! Natürlich kommt dann die Frage, warum die Eltern das Kind nicht zu Hause gelassen haben, aber diese Entwicklung war so nicht vorhersehbar.

Auch ein leicht gerötetes Auge zum Beispiel lässt sich schon mal in der Morgenroutine bei müden Kindern (und Eltern) übersehen. Wird es jedoch über Tag eitrig, muss das Kind sofort abgeholt und einem Arzt vorgestellt werden. Denn es braucht medizinische Behandlung, und die Ansteckungsgefahr ist groß.

Bei Fieber, Durchfall und Erbrechen am Morgen gilt jedoch eindeutig: Das Kind muss zu Hause bleiben! Es braucht Ruhe und liebevolle individuelle Umsorgung – und könnte ebenfalls leicht die anderen Kinder und die Tagesmutter anstecken. Grundsätzlich gilt, die Entscheidung mit gesundem Menschenverstand und im Sinne des Wohls des Kindes zu entscheiden.
Wenn ein krankes Kind zu Hause bleiben muss, haben Eltern bei Vorlage einer kinderärztlichen Bescheinigung Anspruch darauf, für die Pflege des Kindes (bis zum 12. Geburtstag) von der Arbeit freigestellt zu werden (zehn Tage im Jahr pro Elternteil pro Kind, bei Alleinerziehenden 20 Tage pro Kind; maximal jedoch 50 Tage) sowie für diesen Zeitraum Krankengeld zu erhalten.

Wann ist ein Kinder wieder gesund?

Etwas einfacher ist die Lage beim Thema „Wiederzulassung zur Gemeinschaftseinrichtung“. Dieser Frage haben sich die örtlichen Gesundheitsämter angenommen und von einigen Behörden gibt es auch die offiziellen Empfehlungen im Internet (s. auch S. 16). Angelehnt sind diese Leitlinien an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Das RKI ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention. Generell kann man sagen: Erkältungskrankheiten ohne Fieber (z. B. Husten und Schnupfen) sind kein Ausschlussgrund. Bei Fieber über 38,5 °C sollte ein fieberfreies Intervall von 24 Stunden bestehen, bevor das Kind wieder in eine Gemeinschaftseinrichtung geht.

Im Vorschulalter sollte bei einem Magen-Darm-Infekt ein beschwerdefreies
Intervall ohne Erbrechen oder Durchfall von 48 Stunden eingehalten werden. Dann werden bakterielle und virale Infekte unterschieden. Bei
bakteriellen Infekten (z. B. Scharlach oder Keuchhusten) ist eine Genesung und Wiederzulassung durch Einsatz von Antibiotika schneller möglich als ohne. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Medikamente häufig noch länger gegeben werden müssen, das heißt wenn die Kinder schon wieder die Einrichtung besuchen können. Akutmedikamente im Rahmen einer Erkrankung dürfen aber nicht von Betreuungspersonen gegeben werden.

Ist ein ärztliches Attest notwendig?

Virale Infekte lassen sich vom Verlauf her nicht beeinflussen und können nur symptomatisch behandelt werden; die Kinder müssen bis zur Genesung zu Hause bleiben. Atteste zur Wiederzulassung sind nur bei einigen wenigen Erkrankungen verpflichtend: Tuberkulose, Krätze, Meningitis, EHEC (eine sehr schwere Form einer Darmerkrankung) und Borkenflechte.
Es ist nicht notwendig, bei jedem Infekt ein ärztliches Attest einzufordern.
Manche Kindertagespflegeperson fühlt sich sicherer mit einem Papier vom Arzt in der Hand, dies ist aber meist überflüssig und auf Dauer für Eltern kostspielig. Ein Attest ist nämlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen und muss in der Regel von den Patienten deshalb privat bezahlt werden.

Gegen viele Infektionskrankheiten kann man sich übrigens aktiv durch eine Impfung schützen. Diese Möglichkeit sollte man großzügig nutzen, zum eigenen Schutz und zum Schutz derjenigen Kinder, die aufgrund von chronischen Erkrankungen nicht geimpft werden dürfen und von der Gesundheit ihrer Kontaktpersonen profitieren.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass neben der Einhaltung juristischer Vorgaben immer das Wohl aller im Mittelpunkt stehen sollte. Kranke Kinder brauchen ja nicht nur besondere Zuwendung, sondern sind auch Ansteckungsquelle für die anderen Kinder und die Betreuungspersonen – und wenn am Ende die Tagesmutter krank wird und allen absagen muss, ist niemandem gedient. Das sollten eigentlich alle Eltern einsehen. Bei absolut uneinsichtigen Eltern kann man das örtliche Gesundheitsamt um Unterstützung bitten. Aber wenn irgend möglich, sollten Konflikte mit Eltern über unterschiedliche Auffassungen zur Erkrankung eines Kindes im Gespräch geklärt werden (s. auch S. 10). Denn letztendlich wollen doch fast immer alle dasselbe: das Beste fürs Kind.

Auf www.infektionsschutz.de finden sich Informationen zu etlichen Krankheiten.

Medikamentengabe in der Kindertagespflege

Akutmedikamente im Rahmen einer Erkrankung, wie zum Beispiel
Antibiotika oder Nasentropfen, dürfen nicht von Betreuungspersonen
verabreicht werden. Anders sieht es aus, wenn einem chronisch kranken Kind durch Medikamentengabe der Besuch einer Einrichtung erst möglich wird, etwa bei einem Kind mit Diabetes mellitus oder Epilepsie. Hier sollte sich die Kindertagespflegeperson mit Eltern und Ärzten zusammensetzen, um durch klare Vorgaben zur Dosierung und Anwendung von Medikamenten im Bedarfsfall/Notfall die Teilhabe des Kindes in der Gemeinschaftsbetreuung zu ermöglichen.

Zuweilen machen hierzu Träger anders lautende Vorgaben, die aber in persönlichen Gesprächen zum Wohlergehen des Kindes verändert werden können. Hier sollte immer das Kindeswohl im Vordergrund stehen und eine altersentsprechende Förderung der Integration durch Sozialkontakte mit Gleichaltrigen unterstützt werden.

Ihnen hat dieser Artikel mit dem Titel "Ein krankes Kind gehört ins Bett – Doch was ist mit Grenzfällen?" gefallen? Weitere Tipps, Wissenswertes und Ideen finden Sie in der ZeT. Hier bestellen!

Lebensmittelallergie bei Kindern – 5 Tipps für den Kita-Alltag

Tritt ein, tritt ein, komm doch herein! – Willkommensritual

Seien Sie Zaungast! – Beobachtung und Dokumentation

Bitte warten Sie einen Moment.