Professionelles Ekelmanagement
Für den Berufsalltag mit Kleinkindern ist wichtig zu sehen, dass sich die in diesem Bereich arbeitenden Fachkräfte deutlich darin unterscheiden können, wie intensiv sie Sinnesreize wie üble Gerüche, unangenehme Haptik, widerwärtigen Geschmack wahrnehmen. Jede Person hat hier eine individuelle Sensitivität. Nicht nur der Umgang mit Ausscheidungen beim Wickeln, auch ein volles Töpfchen oder ein übelriechender Toilettenraum kann Ekel auslösen, ebenso wie klebrige Oberflächen oder verschmutzte Kleidung. Doch obwohl pädagogische Fachkräfte Wichtig in der Arbeit mit dem Kind ist es, sich zunächst einmal der eigenen Ekel-Reaktion bewusst zu sein – und sie nicht gegen das Kind zu wenden. Entsprechende Äußerungen („Iiiih, das stinkt aber, bäh, wie eklig …“) – womöglich verbunden mit entwürdigenden „Hosenkontrollen“ – dürfen nicht fallen (vgl. Gutknecht & Haug-Schnabel 2019). Hier bestehen auch Risiken, dass Kinder versuchen, das Ausscheiden zu vermeiden, was zu Bauchschmerzen und Verstopfungen führen kann.
Wichtig: darüber sprechen
Ein offener Austausch bei Netzwerktreffen, in Supervisionen oder ähnlichen Zusammenkünften von Kindertagespflegepersonen kann hilfreich sein – zum einen, weil deutlich wird: Es geht nicht nur mir allein so; zum anderen, weil so mögliche Umgangsweisen mit Ekelgefühlen angesprochen werden können. Auch ein gut ausgestatteter Wickelplatz mit ausreichend hohem Wickeltisch und einige Strategien, mit Ekelgefühlen angemessen und offen umzugehen (s. Kasten), können zu einem professionellen Ekelmanagement beitragen (vgl. Gutknecht 2020a). unvermeidlich Erfahrungen mit Ekel im pädagogischen Alltag machen, spricht kaum jemand darüber.
Literatur
Gutknecht, D. (2021, in Vorb.): Ekelmanagement in der Kita. In: Aspekte U3 – Frühpädagogik Netzwerk QuiKK.
Gutknecht, D. (2020a): Herausforderung Ekel in der Kita. In: Kindergarten Heute. Ausgabe 11/12 2020, S. 10 – 13.
Gutknecht, D. (2020b): 5 Strategien, um besser mit Ekelgefühlen umzugehen. Eine Arbeitshilfe fürs Team. In: Kindergarten Heute. Ausgabe 11/12 2020, S. 14 – 15.
Gutknecht, D. & Haug-Schnabel, G. (2019): Windel adé. Kinder in Krippe und Kita achtsam begleiten. Freiburg: Herder.
Gutknecht, D.; Stehmeier, S. & Daldrop, K. (2018b): Responsives Handling – Teil 1: Mehr als nur Windelwechseln. In: Kleinstkinder in Kita und Tagespflege. 6/2018, S. 8 – 11.
Izard, C.E. (1999): Die Emotionen des Menschen: Eine Einführung in die Grundlagen der Emotionspsychologie. Weinheim: Beltz.
Kállo, È. (2015): Auf dem Weg zur Sozialisation: In Frieden mit mir – in Frieden mit anderen. In: Tardos, A. & Wemer, A.: Ich, Du und Wir. Frühes soziales Lernen in Familie und Krippe. 2. überarb. Aufl. Berlin: Pikler-Gesellschaft, S. 85 – 101.
Pernlochner-Kügler, Ch. (2004): Körperscham und Ekel – wesentliche menschliche Gefühle. Münster: LIT Verlag.
Ringel, D. (2017): Ekel in der Pflege – eine ‚gewaltige‘ Emotion. Frankfurt: Mabuse.
Yoo, H. (2012): Training Materials: Targeting the big three. https://opwdd.ny.gov/opwdd_community_ connections/autism_platform/behavior_management/targeting_the_big_3.
Strategien des Ekelmanagements im pädagogischen Alltag –
- Sammeln Sie sämtliche Ekel-Situationen im Tagespflege- Alltag. Analysieren Sie dafür jeden Raum/Bereich. Beziehen Sie auch die Außenräume ein.
- Mildern Sie potenzielle Ekelsituationen über die Ausstattung ab: Achten Sie auf frische Farben, gute Belüftung, Zugänglichkeit zu Hilfsmitteln, leicht zu reinigende Oberflächen, ergonomische Optimierung.
- Konzentrieren Sie sich auf klare Abläufe und „Techniken“ (Handling), um Ekelgefühle zu minimieren, nutzen Sie die Choreografie der Pflege (das heißt: Wickeln als ein festgelegter, dabei aber in sich flexibler Ablauf, der einerseits für das Kind erwartbar ist, andererseits aber auch Spielraum für Improvisation, Eingehen auf die aktuellen Bedürfnisse des Kindes und dialogische Prozesse lässt) im Sinne der Pikler-Pädagogik (vgl. Gutknecht & Bader 2018, Kállo 2015).
- Nutzen Sie Schutzkleidung, um Ekelgefühle zu reduzieren. – Um den Geruch zu entfernen, der in der eigenen Kleidung hängen zu bleiben scheint, kann es sinnvoll sein, sich umzuziehen.
- Experimentieren Sie mit Gegengerüchen wie Raumspray und ätherischen Ölen. Aber Vorsicht bei schwierigen Geruchsmischungen!
- Typische Ekel-Antworten des Körpers, wie Abwenden etc., wenn es irgend möglich ist (auch sicherheitstechnisch), positiv bewerten und nutzen.
- Gezielte Auszeiten nach Ekel auslösenden Tätigkeiten einlegen: an die frische Luft gehen, neutralisierende Getränke wie Kaffee oder Tee trinken.
- Extrem belastende Tätigkeiten möglichst nicht allein ausführen (z. B. Reinigung einer kotbeschmierten Wand im Bad).
nach Gutknecht 2020a, b; Pernlochner-Kügler 2004
Ihnen hat diese Beitrag zum Thema "Tabuthema Ekel – Professioneller Umgang mit einem schwierigen Gefühl" gefallen? Weitere Tipps, Wissenswertes und Ideen finden Sie in unserer Zeitschrift ZeT. Hier bestellen!