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Rassismus will erst mal eines: Menschen herabwürdigen. Mit konstruierten Merkmalen werden stereotype, bewertende Eigenschaften verbunden, individuelle Kriterien finden keine Beachtung. Und Abwertungen einer Gruppe dienen dann dazu, die eigene Position aufzuwerten. Rassismus stellt damit eine Hierarchie zwischen Menschen her, die ständig stabilisiert und an die nächsten Generationen weitergegeben wird. Rassismus wirkt als Alltagsrassismus etwa durch Ausgrenzung und Beleidigung eines schwarzen Kindes in einer Einrichtung. Die Bildungsbenachteiligung von Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch kann institutionellen Rassismus repräsentieren. Dabei wird nicht die Einrichtung oder Institution als rassistisch betrachtet, sondern Regeln, Normen oder Standards, die Fachkräfte, die in diesen Institutionen arbeiten, zu rassistischem Handeln anleiten. Äußern kann sich das in niedrigeren Erwartungen an Kinder aus zugewanderten Familien.
In unserer Gesellschaft besteht weitgehend Übereinstimmung bei der moralischen Verurteilung von Rassismus. In Diskussionen darüber, ob eine Aussage oder eine Handlung rassistisch ist, zeigen sich aber unterschiedliche Sichtweisen. Einerseits kann Rassismus sich deutlich in Form von Beleidigungen, etwa in der Benutzung des N-Wortes, und herabwürdigenden Handlungen zeigen, andererseits erscheint er auch ganz subtil in unbewusst geäußerten Vorurteilen, wie etwa: „In Katjas Gesicht ist deutlich ihre slawische Herkunft zu erkennen, schau dir nur die hohen Wangenknochen an.“
Aber auch im Nichtbeachten oder in einseitigen Darstellungen von People of Color kommt Alltagsrassismus zum Vorschein. In Kindertagesstätten kann sich das in einseitigem Material und Spielmitteln manifestieren: fehlende Puppen unterschiedlicher Hautschattierung oder fehlende Farbstifte, welche die Darstellung der individuellen Hautfarben von Kindern ermöglichen, oder einseitige Rollenzuschreibungen wie der schwarze Bauarbeiter und der weiße Polizist in Bilderbüchern. Gruppeneinteilung oder Zuschreibung von Merkmalen reichen jedoch nicht aus, um Rassismus zu erklären. Ein weiterer Aspekt von Rassismus ist die Abwertung von Menschen aufgrund von diesen konstruierten Zugehörigkeiten. Die sogenannten anderen stellen in Kindermedien mitunter ein einfaches, traditionelles Bild von Gruppen dar, während das Wir als fortschrittlich und modern dargestellt wird. In vielfältigen Situationen geschieht diese Einteilung unbemerkt und ohne boshafte Absicht. Ein unbedacht ausgewähltes Bilderbuch zu Afrika kann zu einer einseitigen sowie entwicklungs- und hilfsbedürftigen oder exotisierenden Vorstellung der Kinder aus einem afrikanischen Land beitragen. In solchen Büchern finden sich häufig rassifizierende Begriffe wie „fremdes Volk“ und klischeehafte Bebilderungen: schwarze Menschen mit Lendenschurz und Speer, Gesichtsbemalungen, überbetonten Lippen und in einfachsten Behausungen lebend. Der zivilisierte Westen könnte sich hingegen durch vielfältige Menschen und regional unterschiedlichen Wohnformen auszeichnen. Auch weiße Hauptfiguren, die sich durch besondere Taten hervorheben, wie in vielen klassischen Kinderbüchern, sind Folien des zivilisierten Westens. Wer kennt sie nicht, die Heldinnen und Helden der eigenen Kindheit wie Pippi Langstrumpf, das ungestüme, mutige Mädchen? Bei genauem Hinschauen zeigen sich in diesen Geschichten jedoch auch klassische Abbilder weißer Herrschender und Dominanzverhältnisse, wie Psychologin und Soziologin Maureen Maisha Eggers in ihren Kinderliteraturuntersuchungen feststellt. Pippis Vater wird weißer König auf Taka-Tuka und bezeichnet die dort lebenden Menschen als „Untertanen“, die im Buch als gesichtslose Masse dargestellt und mit kolonialistischen, rassistischen Klischees belegt werden.
Bei der Auswahl von Material, Spielen und Medien können sich pädagogische Fachkräfte fragen, ob hier Gleichwertigkeit repräsentiert und zu kritischem Denken über Privilegien angeregt wird.
Nicht nur in Medien und Material kann Rassismus in der Kita vorkommen, sondern auch zwischen den Kindern oder im Handeln von pädagogischen Fachkräften, wie folgende Szenen veranschaulichen:
Hier zeigt sich, dass rassistische Positionen häufig ganz selbstverständlich kundgetan werden. Sie können allesamt eine große Herausforderung oder gar Überforderung für Fachkräfte darstellen, und manchmal machen sie schlicht sprachlos. Bleibt allerdings eine eindeutige Reaktion der Fachkräfte aus, kommt dies einer Zustimmung gleich. Kinder lernen im Alltag, was als selbstverständlich betrachtet wird, was gesagt werden kann und scheinbar von der sozialen Gruppe mitgetragen wird. Dabei entwickeln sie ein Bewusstsein für rassistisch konstruierte Differenzen und Wertigkeiten einer Gruppe. Sie lernen, welche Gruppe zu den machtstarken zählt und welche zu den machtschwachen. Und sie verinnerlichen, welcher Gruppe sie zugeordnet werden. Jene, die selbst von solchen herabwürdigenden Äußerungen betroffen sind, verinnerlichen Minderwertigkeit, während andere Kinder in ihrem Dominanzverständnis gestärkt werden. Machen Fachkräfte hingegen deutlich, dass sie mit dem Gesagten nicht einverstanden sind, stärken sie alle Kinder darin, kompetent mit Ungerechtigkeiten umzugehen. Ein Patentrezept gibt es hier allerdings nicht. Es ist immer situationsbedingt zu entscheiden, welche Antwort passt.
Entlang der Szene im Bewegungsraum, wo das Kind die Hand des dunkelhäutigen Mädchens nicht halten will, könnte Haltung zeigen so aussehen:
Auch gegenüber Erwachsenen gilt es, Haltung zu zeigen. Das könnte am Beispiel des Gesprächs der beiden Mütter im Garderobenbereich so dargestellt werden:
Für einen bewussten Umgang mit Rassismus braucht es mutige Fachkräfte, die sich im Handeln und Sprechen hinterfragen und gemeinsam im Team eine kritische Haltung entwickeln. Es braucht den Willen und die Bereitschaft, öffentlich Haltung zu zeigen – auch dann, wenn es unbequem wird.
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