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In unserem Team stellen wir uns oftmals die Frage: „Wie habe ich mich als Kind gefühlt?“ und „Was hat mir als Kind geholfen, mit einer bestimmten Situation besser zurechtzukommen?“ Das Instrument des Perspektivenwechsels wenden wir schon lange auch in der Zusammenarbeit mit Eltern an. Da es uns wichtig ist, dass Eltern auch die emotionale und soziale Seite ihrer Kinder sehen und nicht allein die kognitive Förderung in den Mittelpunkt stellen, schicken wir sie regelmäßig an Elternabenden gedanklich zurück in ihre eigene Kindheit.
In einer Situationsanalyse, einem wichtigen Instrument in der Arbeit nach dem Situationsansatz, fiel uns auf, dass die Geschwister- bzw. Einzelkindsituation der Kinder großen Einfluss auf ihr Verhalten hat. Viele Beobachtungen und eine intensive Literaturrecherche bestärkten uns darin, diese Schlüsselsituation in Form eines Projektes aufzugreifen. Der Arbeitstitel lautete: „Ich bin (k)ein Geschwisterkind! Ein pädagogisches Projekt, das die Absicht hat, Kindern ihre Geschwister- bzw. Einzelkindsituation und die damit verbundenen Gefühle bewusst zu machen und aufzuarbeiten.“
Wie üblich luden wir vor Beginn des Projektes die Eltern zu einem Elternabend ein, um ihnen unsere Überlegungen vorzustellen und sie einzubeziehen. Wir begannen den gut besuchten Abend mit der Vorstellung des damaligen Lieblingsbuches der Kinder: „Das will Jenny haben“ von Christine Nöstlinger. In diesem Buch werden typische Konflikte zwischen einem Jungen und seiner kleinen Schwester beschrieben. Danach schloss sich eine Murmelrunde über den Inhalt des Buches an und die Eltern waren sofort im Thema. Sie tauschten sich über ihre Kinder aus und klagten über die ewigen Zankereien ihrer Geschwisterkinder. Nachdem wir unsere Beobachtungen aus dem Alltag der Einrichtung und die Ergebnisse unserer Literaturrecherche vorgestellt hatten, forderten wir die Eltern auf, gedanklich in ihre eigene Kindheit zurückzugehen: „Wie ging es ihnen als Kind in ihrer Geschwisterkonstellation oder als Einzelkind? Welche Gefühle hatten sie? Wie hat sich das familiäre Zusammenleben subjektiv für sie gestaltet?“ Die Eltern tauschten sich in Kleingruppen darüber aus und brachten ihre Ergebnisse im Plenum ein. Hier einige Aussagen:
Durch die Erinnerung an ihre eigene Kindheit und das Vergegenwärtigen ihrer Erlebnisse als Geschwister oder Einzelkinder fiel es den Eltern teilweise wie Schuppen von den Augen. Sie verstanden Reaktionen und Verhaltensweisen ihrer Kinder besser und konnten dadurch einfühlsamer und adäquater damit umgehen. Eine gewisse Gelassenheit stellte sich ein. Eltern erkannten, dass ihre Kinder sehr wohl zukünftige Handlungspotenziale entwickeln und ihren eigenen Weg gehen würden.
Gleichzeitig wuchs die Einsicht, dass wir auf das Verhalten der Kinder durch unser Verständnis und unsere Empathie großen Einfluss nehmen können. Die Schilderung eines Gespräches einer pädagogischen Fachkraft mit einem Kind trug dazu bei.
Fachkraft: „Magst du dich zu uns setzen und auch ein Bild von unserem Ausflug malen?“ Kind: „Das kann ich nicht!“ Fachkraft: „Ich glaube, du denkst du kannst das nicht so gut, wie deine ältere Schwester.“ Schweigen. Fachkraft: „Weißt du, das kenne ich, mein Bruder konnte auch viel besser Ball spielen als ich und deswegen wollte ich es nie tun.“ Große Augen bei dem Kind.
Das Gespräch ging weiter und endete mit der Einsicht, dass jedes Geschwisterkind etwas gut kann und niemand in allem so gut sein muss, wie der andere. Das Kind fühlte sich mit seinen Gefühlen verstanden und akzeptiert. Dieses Gespräch zeigte Eltern, auf welche Weise wir Erwachsenen eine Tür zur Gefühlswelt der Kinder öffnen und mit ihnen in den Dialog treten können.
Die Methode des biographischen Arbeitens wenden wir zu vielen verschiedenen Themen an, einmal auf der Ebene der Fachkräfte, aber auch in der Zusammenarbeit mit den Eltern. An unserem traditionellen Adventselternabend wurde es bei der Beantwortung der Fragen besonders spannend: „Welche Weihnachtstraditionen gab es in Ihrer Familie? Wie fanden Sie diese als Kind?“ An einem Elternabend zur Religionspädagogik: „Wie haben Sie als Kind Religion erlebt? Was hat Ihnen gefallen? Was finden Sie bis heute positiv bzw. negativ?“ Zu Partizipation: „Wo wurden Sie als Kind beteiligt? Wo hätten Sie sich mehr Beteiligung gewünscht?“ Es gäbe noch viele Beispiele zu nennen. Die positiven Erfahrungen bei dem Rückblick in die eigene Kindheit bestärkt uns darin, diese Methode häufig anzuwenden.
Gaby Virnkaes Gaby Virnkaes, Erzieherin, Kita-Leiterin der Ev. Kita Lorsch, Expertin für Qualität im Situationsansatz, Gabriele.Virnkaes@ekhn.de
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