Im Spielflow spürt das Kind die Kälte nicht
Ähnliche Situationen habe ich schon häufig erlebt. Auch in unserer Kita. Haben Kinder möglicherweise eine andere Körperwahrnehmung? Merken sie nicht, dass es kalt ist und sie frieren und folglich krank werden? Haben sie keine Zeit zum Spüren, weil sie mit Spielen beschäftigt sind? Oder frieren sie nicht, weil sie sich generell mehr bewegen und die Muskelaktivität einen kleinen Körper schneller aufwärmt als einen großen? Martin Grunwald, Wahrnehmungspsychologe von der Uni Leipzig sagt dazu: „Kinder frieren und schwitzen auch, sie haben aber keine Zeit, es zu merken, weil sie mit Spielen oder Sport beschäftigt sind. Die Aufmerksamkeit ist wie im Flow auf die äußere Welt, das kindliche Abenteuer, gerichtet, da bleibt kein Raum für die Körpereigenwahrnehmung.“
Erfahrungen aus dem Waldkindergarten
Maria Rummler, Mutter von fünfjährigen Zwillingen, kam vor einigen Wochen auf eine Kollegin zu und sagte, dass ihr Sohn sich zu Hause beschwert habe, weil er im Kindergarten seine Jacke anziehen musste, obwohl ihm doch so warm war. Es folgten Gespräche und die Erkenntnis, dass wir dieses konzeptionelle Thema – auch in Bezug auf unser „Bild vom Kind“ – im Team wieder neu reflektieren müssen. Ich bat Frau Rummler, die selbst eine Ausbildung als Waldpädagogin macht, ihre Gedanken dazu aufzuschreiben. Das machte sie in der Mail, die auf Seite 40 zu lesen ist.
Gesunde Entwicklung ermöglichen
Kinder wollen lernen. Mit allen Sinnen und großer Hingabe. Unsere Verantwortung ist es, ihre Lebenswelt so zu gestalten, dass sie sich gesund entwickeln und
- die Welt in ihren Zusammenhängen erkennen lernen (Verstehbarkeit)
- Vertrauen in die eigenen wachsenden Kräfte und Fähigkeiten bekommen (Handbarkeit)
- die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns, Fühlens und Denkens entdecken (Bedeutsamkeit).
Das Konzept der Salutogenese erfordert einen Perspektivenwechsel: Weg von einer zu starken Konzentration auf Defizite und hin zu Faktoren, die gesundheitsfördernd sind. In unserem Beispiel also nicht die Konzentration darauf, wie Erwachsene verhindern können, dass ein Kind friert, sondern hin zu Widerstandsressourcen und Schutzfaktoren, die ein Kind gesund halten. Wenn es gelingt, diese Ressourcen, die jedes gesunde Kind besitzt, einzuset- zen und zu stärken, kann dies eine wertvolle Basis für Gesundheitsförderung sein. Ein Kind, das erfährt, dass es seinen eigenen Körperwahrnehmungen und Gefühlen vertrauen kann, erlebt sich selbstwirksam und selbstbewusst und wird sein ganzes Leben davon zehren.
Für Sie herausgelesen
- Eine verantwortungsvolle Pädagogik ermöglicht es Kindern, ein Bewusstsein ihrer Selbst zu entwickeln, um die Signale des eigenen Körpers wahrzunehmen.
- Mit Hilfe der Fachkräfte entwickeln Kinder ein Gespür dafür, was ihnen guttut und für ihre Gesundheit förderlich ist.
- Mit zunehmendem Alter übernehmen Kinder immer mehr Verantwortung für ihren eigenen Körper und sich selbst.
Judith Metz ist Erzieherin und Leiterin der Ev. Kita „Schatzkiste“ in Hörbach, Fortbildungsreferentin und angehende BEP-Multiplikatorin für den hessischen Bildungsplan
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