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Ein Nachmittag im Spätsommer. Ausgelassen spielen die Kinder auf dem Außengelände der Kita. Sabine, eine Erzieherin, kommt mit hochgeschlagenem Mantelkragen nach draußen. Sie sieht die Kinder in der Sandkiste spielen und ruft: „Anton, zieh deine Jacke an. Es ist kalt. Oder willst du, dass du krank wirst?“ Sie dreht sich zu ihrer Kollegin um und sagt: „Brrr, es ist schon richtig kalt und ungemütlich geworden. Man merkt, dass der Herbst naht!“ Sie schlingt die Arme um ihren Oberkörper. Pinar, Sabines Kollegin sieht sie fragend an. „Also, mir ist gar nicht kalt. Du bist aber auch empfindlich. Lass die Kinder doch selbst entscheiden! Sie merken schon, wenn es ihnen kalt ist!“
Aber Sabine ist schon auf dem Weg zu Anton und verkündet: „Wie oft soll ich dir das denn noch sagen, Anton! Wenn du nicht sofort deine Jacke zuknöpfst und deine Mütze holst, gehst du rein. Ich muss mir dann das Gemecker von deiner Mama anhören, wenn du morgen eine Schnupfennase hast. Wer nicht hört, geht rein!“ Anton trollt sich und geht seine Jacke holen. „Mir ist überhaupt nicht kalt“, murmelt er vor sich hin. Einige Kinder beeilen sich und schließen ebenfalls ihre Jacken. Julia spielt unbeirrt weiter. „Das gilt auch für dich, junge Dame“, kommt prompt der Kommentar von Sabine. „Ich habe gar keine Jacke mit!“, flunkert Julia. Sie galoppiert gerade als Pferd mit ihrer Freundin über die Wiese und ihr ist im Moment kein bisschen kalt. „Na toll“, kommentiert Sabine in Richtung Kollegin „und ich bekomme von den Eltern Vorhaltungen, warum wir noch nicht mal dafür sorgen, dass die Kinder draußen richtig angezogen sind.“ Pinar erwidert: „Ich bin da ganz anderer Meinung. Und wer bestimmt denn, was richtig angezogen bedeutet?“ Sie hängt ihre Jacke über die Gartenbank und ruft den Kindern zu: „Wer hat Lust, mit mir eine große Sandburg zu bauen?“
Ähnliche Situationen habe ich schon häufig erlebt. Auch in unserer Kita. Haben Kinder möglicherweise eine andere Körperwahrnehmung? Merken sie nicht, dass es kalt ist und sie frieren und folglich krank werden? Haben sie keine Zeit zum Spüren, weil sie mit Spielen beschäftigt sind? Oder frieren sie nicht, weil sie sich generell mehr bewegen und die Muskelaktivität einen kleinen Körper schneller aufwärmt als einen großen? Martin Grunwald, Wahrnehmungspsychologe von der Uni Leipzig sagt dazu: „Kinder frieren und schwitzen auch, sie haben aber keine Zeit, es zu merken, weil sie mit Spielen oder Sport beschäftigt sind. Die Aufmerksamkeit ist wie im Flow auf die äußere Welt, das kindliche Abenteuer, gerichtet, da bleibt kein Raum für die Körpereigenwahrnehmung.“
Maria Rummler, Mutter von fünfjährigen Zwillingen, kam vor einigen Wochen auf eine Kollegin zu und sagte, dass ihr Sohn sich zu Hause beschwert habe, weil er im Kindergarten seine Jacke anziehen musste, obwohl ihm doch so warm war. Es folgten Gespräche und die Erkenntnis, dass wir dieses konzeptionelle Thema – auch in Bezug auf unser „Bild vom Kind“ – im Team wieder neu reflektieren müssen. Ich bat Frau Rummler, die selbst eine Ausbildung als Waldpädagogin macht, ihre Gedanken dazu aufzuschreiben. Das machte sie in der Mail, die auf Seite 40 zu lesen ist.
Kinder wollen lernen. Mit allen Sinnen und großer Hingabe. Unsere Verantwortung ist es, ihre Lebenswelt so zu gestalten, dass sie sich gesund entwickeln und
Das Konzept der Salutogenese erfordert einen Perspektivenwechsel: Weg von einer zu starken Konzentration auf Defizite und hin zu Faktoren, die gesundheitsfördernd sind. In unserem Beispiel also nicht die Konzentration darauf, wie Erwachsene verhindern können, dass ein Kind friert, sondern hin zu Widerstandsressourcen und Schutzfaktoren, die ein Kind gesund halten. Wenn es gelingt, diese Ressourcen, die jedes gesunde Kind besitzt, einzuset- zen und zu stärken, kann dies eine wertvolle Basis für Gesundheitsförderung sein. Ein Kind, das erfährt, dass es seinen eigenen Körperwahrnehmungen und Gefühlen vertrauen kann, erlebt sich selbstwirksam und selbstbewusst und wird sein ganzes Leben davon zehren.
Judith Metz ist Erzieherin und Leiterin der Ev. Kita „Schatzkiste“ in Hörbach, Fortbildungsreferentin und angehende BEP-Multiplikatorin für den hessischen Bildungsplan
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