04.04.2023
Anja Lacny

Muttertag – ein schwieriges Erbe

Zum Muttertag basteln die meisten Kitakinder Geschenke für ihre Mütter. Aber wollen wir eine Tradition, die Geschlechterklischees zementiert, weiterführen?

Es ist Frühling. Pastellfarbene Werbe-plakate preisen eine käufliche Lösung für so manches schlechte Gewissen an. An einem Tag im Jahr soll die gestresste Frau zum Dank Blumen, Pralinen und selbstgebastelte Karten bekommen. Ist das nicht aus der Zeit gefallen, wenn Mütter dafür kämpfen, dass Väter ihren Anteil an Familienaufgaben übernehmen? Müttern wird ein Tag geschenkt, für sich, damit sie entspannen können. Das ist auch die übergreifende Empfehlung aller Mütterratgeber: Nimm dir Zeit für dich selbst! Die übrige Zeit gehört nämlich schon anderen, selbstverständlich.

Es ist kompliziert

Den Muttertag nicht mehr zu feiern ist für viele keine Option. Aber wir können ihn Schritt für Schritt umdeuten. Der Muttertag: Tag der Care-Arbeit. Einer, der nicht mit Karten und Blumen jahrzentelange unbezahlte Arbeit aufwiegen möchte. Keiner, an dem Mama ein Kuchen gebacken wird und sie hinterher die Küche selbst aufräumt. Sondern ein politischer Tag, der weniger ein Tag der Wertschätzung – die eher eine gesellschaftliche Abspeisung ist – sondern ein Tag der Veränderung wird. Hin zu gerechter Verteilung von Fürsorge-arbeit und Loslösung des Begriffes „Mutterschaft“ von Selbstaufgabe und Armutsfalle. Wie Petra Unger (2013) schrieb: „Der Muttertag ist tot - es lebe der feministische Muttertag!“

Und was machen die Kitakinder?

Möglichkeit 1:

Jedes Kind sucht selbst aus, wofür es die Mutter wertschätzen möchte. Für die gemeinsame Zeit auf dem Spielplatz nach Arbeit und Kita oder für die spannenden Gute-Nacht-Geschichten oder etwas ganz anderes. Beim Kartenbasteln, Gedichtaufsagen und Liedersingen werden Stereotype vermieden wie „Danke Mama, dass du mich pflegst, wenn ich krank bin“ mit dem Vatertags-Pendant „Danke Papa, dass du mit mir am Wochenende Fuß-ball spielst“. Schlimmstenfalls noch mit Blumenkarte für Mama und Tonpapier-Krawatte für Papa. Ein beliebtes Muttertagsgeschenk sind weiterhin Gut-scheine für Aufräumen oder andere Haushaltsarbeiten. Mit dem Verständnis von Partizipation ist das auch wenig übereinstimmend. Und wie würde das zu Kindern passen, deren Väter Groß-teile der Care-Arbeit übernehmen? Stattdessen können die Kinder eine Karte nach ihren Wünschen gestalten.
Die Fachkräfte überlegen gemeinsam mit den Kindern: Welche fünf Dinge findet du an deiner Mutter toll? Die Ergebnisse schreiben die Erzieher:innen auf und die Kinder malen daneben für sie passende Bilder oder Symbole.

Möglichkeit 2:

Die Kinder bekommen an diesem Tag die Möglichkeit, Wertschätzung auszudrücken für die Dinge, die sie an ihren Bezugspersonen besonders schätzen. Und das kann jedes Familien-mitglied betreffen, da sowieso nicht alle Kinder eine Mutter haben. Der Tag kann dann ein Elterntag oder Familien-tag werden. Und die Geschenke oder Karten müssen nicht für eine bestimmte Person oder in einer bestimmten Anzahl gestaltet werden.

So oder ähnlich gibt es einen Kompromiss zwischen Wünschen von Eltern und Kindern und einer nicht mehr ganz in die Zeit passenden Tradition. Und das heißt ja nicht, dass es bei diesem Kompromiss bleiben muss.

Anja Lacny ist Psychologin und Redaktionsmit-glied bei der klein&groß. Sie wünscht sich für alle, die Care-Arbeit leisten, mehr als Blumen.

Literatur:

Unger, Petra (2013). Gastkommentar, Stand 03/2023 https://www.derstandard.at/story/1363710616982/muttertag---was-soll-das Hustvedt, Siri: Mütter, Väter und Täter. Essays. Die Virginia Woolf des 21. Jahrhunderts. Rowohlt 2023

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