16.09.2019
Yassin Samadi
SDI Productions/GettyImages

Multi-was? – Begriffe im Kontext von Vielfalt in der Kita im Überblick

Multikulturell, multinational, interkulturell … Was bedeuten die Begriffe eigentlich genau, die im Kontext von Vielfalt in der Kita im Gespräch sind? – Auf dieser Seite möchten wir etwas Licht in den Dschungel der Begriffe bringen.

Text: Yassin Samadi
Bild: ©SDI Productions/GettyImages

Multikulturell:

Multikulturell bedeutet, dass verschiedene Kulturen nebeneinander gelebt werden. Da „Kultur“ ein sehr weit gefasster Begriff ist, können sich diese kulturellen Unterschiede einerseits in Sprache, Religion oder Nationalität, andererseits aber auch sehr lebenspraktisch ausdrücken: Kinder, Fachkräfte und Eltern unterschiedlicher Kulturen zeigen beispielsweise unterschiedliche Denk- und Handlungsweisen, favorisieren verschiedene Lebensstile oder besitzen verschiedene Vorstellungen von Werten und Normen. Wichtig: „Multikulturelle Vielfalt“ betont dabei das gleichzeitige Bestehen und Ausleben dieser Aspekte nebeneinander. So sind einzelne Aspekte von Kulturen, wie verschiedene Wertesysteme nach wie vor voneinander unterscheidbar und verschmelzen nicht zu einem großen Ganzen.

Interkulturell:

Während „multikulturell“ einen Zustand bezeichnet, in dem verschiedene Kulturen nebeneinander bestehen, beschreibt „interkulturell“ das, was passiert, wenn Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen miteinander umgehen und sich gegenseitig beeinflussen.

Multireligiös:

Multireligiösität drückt sich dadurch aus, dass Kinder und Fachkräfte einer Kita verschiedenen Religionen und Traditionen angehören und diese – unterschiedlich stark – ausleben. Hier gibt es Angehörige des Christentums, Islams, Judentums, Buddhismus, Hinduismus … Durch die zunehmende multikulturelle Vielfalt fassen immer mehr religiöse Haltungen in der Gesellschaft Fuß. Doch auch innerhalb einer Religion gibt es verschiedene Ausprägungen, wie etwa Protestanten und Katholiken im Christentum oder Sunniten und Schiiten im Islam. Im Alltag drückt sich die Vielfalt von Religionen beispielsweise im Feiern von unterschiedlichen Festen oder auch in Speisevorschriften aus. Während man im Islam traditionell auf den Verzehr von Schweinefleisch verzichtet, ist im Hinduismus der Verzehr von Rindfleisch untersagt.

Multisprachlich:

Da Sprache ein wichtiger Bestandteil von Kultur ist, drückt sich multikulturelle Vielfalt in der Kita immer auch auf sprachlicher Ebene aus. Oft bedingt die Herkunft des Kindes bzw. der Eltern (oder eines Elternteils), dass Kinder neben der deutschen Sprache noch mit einer weiteren (Mutter-)Sprache aufwachsen und diese erlernen. Zu den meistgesprochenen Sprachen in Deutschland gehören neben der deutschen Sprache Türkisch, Italienisch, Polnisch, Arabisch und Französisch.

Multinational:

Multinationale Vielfalt in der Kita bedeutet schlicht und einfach, dass es Kinder und Fachkräfte gibt, die unterschiedlichen Nationalitäten angehören. Hierbei geht es ausschließlich um die pass-gebundene Zugehörigkeit zu einer bestehenden Nation (Staatszugehörigkeit) und betrifft somit nicht automatisch Aspekte wie Sprache, Religion oder Kultur. So kann ein Kind zum Beispiel in Deutschland geboren und damit deutscher Staatsbürger sein, und gleichzeitig noch eng mit der spanischen Kultur und Sprache verbunden sein, da ein Elternteil aus Spanien stammt.

Multiethnisch:

Eine Ethnie ist eine Gruppe von Menschen, denen eine gemeinsame Identität zugesprochen wird. Im zeitgemäßen Verständnis des Begriffs „Ethnie“ sind nicht mehr nur äußere Merkmale wie Haut- oder Haarfarbe von Bedeutung; auch Aspekte wie Abstammung, Kultur, gemeinsame Geschichte, Sprache und ein Gefühl der Solidarität tragen zur Zugehörigkeit zu einer Ethnie bei. Länder, oder eben auch Kitas, sind also multiethnisch, wenn Mitglieder verschiedener Ethnien Teil des Ganzen sind. Somit ist Zugehörigkeit zu einer Ethnie auch nicht an die Staatsangehörigkeit gebunden. Man kann deutscher Staatsbürger sein und einer anderen Ethnie zugehören, wenn die Eltern beispielsweise zentralafrikanischer Abstammung sind und man dadurch Zugang zu einer anderen Kultur besitzt.

Interkulturelle Pädagogik:

Interkulturelle Erziehung und Bildung ist die pädagogische Antwort auf die multikulturelle Gesellschaft. Der Begriff „Kultur“ bezieht sich hier auf alle Bereiche menschlicher Gestaltung. Es geht hier um die individuell gelebte Kultur und nicht um folkloristische Vorstellungen. Die interkulturelle Bildung im frühen Kindesalter will die multikulturelle Lebenswelt der Kinder lebenswert gestalten und diese kreativ nutzen, um Kinder in der heutigen Welt handlungsfähig zu machen. Anders als bei der früheren „Ausländerpädagogik“, der es um eine Anpassung der „Ausländerkinder“ an die Kultur der Aufnahmegesellschaft ging, rückt hier die Interaktion in den Mittelpunkt: Ausländische und einheimische Kinder werden als gemeinsame Zielgruppe betrachtet. Durch die Begegnung soll Fremdheit abgebaut und Toleranz erzeugt werden.

Integration:

Der Integration liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine Gesellschaft bzw. in unserem Kontext eine Kita-Gemeinschaft aus einer relativ homogenen Mehrheitsgruppe und einer kleineren Außengruppe besteht. Es gilt, die Kinder der letzteren in die Mehrheitsgruppe zu integrieren. Hier werden also bewusst die Unterschiede (Nationalität, Behinderung, Geschlecht…) der Kinder wahrgenommen und von den einzelnen verlangt, sich an das Mehrheitssystem anzupassen, um ein vollwertiges Mitglied der Kita-Gemeinschaft zu werden.

Inklusion:

Die Inklusion distanziert sich von dieser Zwei-Gruppen-Theorie (s. „Integration“) und betrachtet alle Kinder als gleichberechtigte Individuen, die unabhängig von persönlichen Merkmalen oder Voraussetzungen Teil des Ganzen sind. Sie betrachtet die Unterschiede völlig wertfrei und sieht die Vielfalt als Selbstverständlichkeit. Um jedem einzelnen Kind Teilhabe zu ermöglichen, müssen hier die Rahmenbedingungen in der Kita entsprechend flexibel gestaltet sein.

Anti-Bias-Ansatz:

Das englische Wort „Bias“ bedeutet „Voreingenommenheit“. Dieser pädagogische Ansatz wurde in Kalifornien entwickelt und im Rahmen des Projekts Kinderwelten für die Verhältnisse in Deutschland angepasst. Diese vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung setzt auf die bewusste Auseinandersetzung mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten und gleichzeitig auf eine deutliche Positionierung gegen Vorurteile, Diskriminierung und Einseitigkeiten. Die Methode setzt an den persönlichen Erfahrungen an. Dieses Praxiskonzept für Kindertageseinrichtungen verfolgt vier Ziele, die aufeinander aufbauen:

1. Alle Kinder sollen in ihrer Identität gestärkt werden. Hierzu gehört auch die Anerkennung ihrer Vorerfahrungen und Familienkulturen.
2. Allen Kindern sollen Erfahrungen mit Vielfalt ermöglicht werden.
3. Kritisches Denken über Vorurteile und Diskriminierung soll angeregt werden.
4. Die Kinder sollen darin darin unterstützt werden, sich gegen Diskriminierung zu wehren

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