21.07.2020
Redaktion
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„Man braucht einen Anker“: Ausbildung in der Corona-Krise

Nur Fragezeichen im Kopf: Wie geht es weiter? Lerne ich alles, was ich später brauche? Corona hat vieles verändert – auch die Ausbildung in der Kita. Wir haben Fachschülerin Nadja Hermann gefragt, wovor sie momentan am meisten Angst hat, wie der Unterricht vor dem Laptop funktioniert und warum Anleiterinnen gerade in der Krise besonders wichtig sind.

Protokoll: Lisa Martin, TPS-Redaktion
Bild: ©WichitS/GettyImages

„Als die Corona-Krise begann, war von jetzt auf gleich alles anders. Ich bin im zweiten Jahr meiner praxisintegrierten Ausbildung zur Erzieherin. Das bedeutet, dass ich zwei Tage in der Woche in einer Einrichtung bin und drei Tage Schule habe. An diesem Plan hat sich auch während der Ausbildung in der Corona-Krise nichts geändert – im Gegensatz zu vielen anderen Dingen.

In den ersten beiden Wochen der Krise fand der Unterricht nur per Mail statt. Da die Situation auch für die Lehrkräfte Neuland war, mussten sie erstmal entscheiden, wie sie den Unterricht in dieser Zeit gestalten können. Wir haben dann zunächst Aufgaben geschickt bekommen, die wir bearbeiten und anschließend zurückschicken sollten.

Danach hatten wir vereinzelt wieder Unterricht über Jitsi (Anm.d.Red.: Jitsi ist ein Programm für Videokonferenzen, ähnlich wie Skype), das über den Schulserver läuft. Die Fachschule nutzt dieses Programm, weil es datenschutzrechtlich geschützt ist. Obwohl der Unterricht ungefähr zur selben Zeit stattfand wie normalerweise auch, war er deutlich verkürzt. Das hing damit zusammen, dass wir in Gruppen aufgeteilt wurden, weil das Programm ansonsten überlastet gewesen wäre. Aus mehreren Stunden wurde dann schnell nur noch eine halbe. Beschäftigt waren wir trotzdem, wir mussten ja nach wie vor Texte lesen und Aufgaben bearbeiten. Das war für viele nicht einfach, denn man musste alles neben dem Alltag managen und einige aus unserer Klasse sind bereits Eltern. Den Lehrkräften war das allerdings bewusst, und wir haben entsprechend viel Zeit für alles bekommen.

Allgemein waren die meisten Lehrkäfte per Mail immer für uns da und haben das auch deutlich gemacht. Viele haben sehr schnell auf unsere Mails geantwortet oder uns ein sehr ausführliches Feedback zu unseren Aufgaben gegeben.

Auch wenn die Lehrkräfte alles so gut geregelt haben – Ängste habe ich dennoch. Wenn ich eine Frage habe, kann ich zum Beispiel nicht sofort nachfragen. Außerdem habe ich Bedenken, dass ich durch die Eigenarbeit nicht den gesamten Stoff bedacht oder den Schwerpunkt beim Lernen nicht richtig gesetzt habe. Was meine Bedenken außerdem noch vergrößert, ist die Tatsache, dass ich vor meinem letzten Ausbildungsjahr stehe.

Als schwierig erwies sich auch noch etwas anderes: Wir mussten unsere Hausarbeiten in der Corona-Zeit schreiben und abgeben. Es ist nicht leicht, an Informationen zu gelangen, wenn Bibliotheken und Ämter geschlossen sind. Glücklicherweise findet man heute viel über das Internet.

Seit Kurzem sind wir nun wieder in der Schule und machen ganz normal mit dem Stoff weiter – heißt: Die entfallene Zeit wird nicht nachgeholt. Wenn uns noch etwas unklar ist, müssen wir selbst die Initiative ergreifen. Wir stellen Fragen und die Lehrkräfte wiederholen einzelne Themen mit uns.

Die Tage in der Praxis waren dagegen je nach Träger und Einrichtung für jeden von uns unterschiedlich. Ich kenne Mitschüler und Mitschülerinnen, die noch bis vor zwei Wochen im Homeoffice waren. Bei mir waren es nur die ersten vier Wochen. Diese Zeit bestand aus Portfolio-Arbeit, regelmäßig Kontakt zu den Eltern herstellen, dem Basteln von Dekorationen und der Vorbereitung. Mit der Leitung und meinen Kolleginnen hatte ich telefonischen Kontakt oder wir schrieben uns privat in WhatsApp. Das war gut, denn so habe ich mich nicht allein gefühlt.

Trotz allem waren und sind in meinem Kopf viele Fragezeichen: Wie geht es weiter? Komme ich auf die Stundenzahl, die ich für meine Ausbildung benötige? Es fehlt mir ja auch noch praktische Erfahrung, zum Beispiel bei Elternbriefen oder bei der Planung von größeren Projekten mit den Kindern. Man lernt das zwar alles in der Schule, aber in der Praxis ist es doch etwas anderes. Da kommt dann die Angst, dass dieses Wissen irgendwann in der beruflichen Laufbahn fehlen wird.

Wegen meiner Bedenken habe ich den privaten Kontakt zu meiner Anleiterin gesucht und wir haben sehr lange Telefonate geführt. Ohne sie hätte ich mich sicher verloren gefühlt. Anleiterinnen sind meiner Meinung nach wie Anker, an die wir Auszubildenden uns immer festhalten können. Seit wir wieder in der Einrichtung arbeiten, besprechen wir meine Ängste in den regelmäßigen Anleitergesprächen. Gemeinsam haben wir meine Bedenken notiert und bestimmte Themen nochmal intensiv aufgearbeitet, etwa die Verfahren zur Beobachtung von Kindern. Letztendlich waren es gar nicht so viele Punkte, aber ich bin trotzdem froh, dass jemand da ist und meine Bedenken ernst nimmt.

Als nach fünf Wochen wieder die ersten Kinder in die Kita kamen, standen wir als Auszubildende vor einem neuen Problem. Am Anfang galt die Regel, dass so wenig Kontakt wie möglich stattfindet. Also haben nur die Vollzeitkräfte die Kinder betreut. Wir durften erst später wieder mit den Kindern arbeiten, weil es ansonsten einen zu großen Wechsel gegeben hätte. Ich war dennoch in der Einrichtung und habe Portfolio-Arbeit und ähnliches gemacht. Seit Mai etwa dürfen nun auch wir wieder mit den Kindern arbeiten und ich merke, dass gar nicht so viel verloren gegangen ist, wie ich befürchtet hatte.

Ich denke, dass sich sowieso erst mit der Zeit herausstellen wird, ob der ganze Ausbildungsstoff genauso präsent ist, wie er es ohne Corona gewesen wäre. Aber ich denke, dass einer erfolgreichen Ausbildung nichts im Weg steht.“

Nadja Hermann ist 25 Jahre alt und lebt in Stuttgart. Sie macht an der Evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik Stuttgart eine Praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin (PiA).

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