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Wie Krippenkinder wahrnehmen und handeln, ist gut mit dem Begriff des Anfängergeistes einzufangen. Vieles nehmen sie zum ersten Mal wahr. Vieles tun sie erstmalig. Und wenn sie etwas erneut wahrnehmen oder tun, ist es noch unvertraut. So begegnen sie jenseits von Gewohnheit alltäglichen Dingen und Situationen mit höherer Aufmerksamkeit, als dies Erwachsene in ihrer Routine tun. Außerdem sind für Krippenkinder einzeln wahrnehmbare Phänomene miteinander verbunden. Die Hand öffnen, der fallende Löffel, die jeweils neue Geräuschgestalt, wenn der Löffel auf dem Boden aufkommt, vielleicht zwei- oder dreimal weiterhüpft: Für Krippenkinder verschmelzen diese vielen Eindrücke über mehrere Sinneskanäle zu einer einzigen Situation. Krippenkinder bei ihren Geräusch- und Klangforschungen zu begleiten, erfordert daher von Ihnen als Erzieher:in einerseits, sich selbst wieder dem Anfängergeist anzunähern: Was nehmen Sie wahr, wenn Sie sich darauf einlassen, wie zum ersten Mal Sand auszuschütten? Zusätzlich ist es wichtig, dass Sie sich in der eigenen Gewissheit verunsichern lassen, dass Musik (vor allem) mit Hören und wohlgeordneten Klängen zu tun hätte: Entdecken Sie das Bausteinkiste- Ausleeren als musikalischen Moment!
Aus der Perspektive von Krippenkindern ist Sichbewegen die „Tür“ zur klingenden Lebenswelt und diese steckt voller unberechenbarer Überraschungen. Krippenkinder zu begleiten, beginnt beim Sichmitbewegen und Mitlauschen, was dabei raschelt und rauscht, klickt und klackt! Im Folgenden erhalten Sie Anregungen für Geräuschexplorationen mit Krippenkindern.
Werden Sie aufmerksam darauf, welche Geräusche Kinder mit den Materialien, die sie bespielen, erzeugen: Papier schütteln, Wasser ausschütten, Sand rieseln lassen, Äste aneinanderklopfen, durch Laubhaufen trampeln, Schuhe fallen lassen und vieles mehr. Fragen Sie sich: Erreichen die entstehenden Geräusche die Aufmerksamkeit des Kindes?
Einen ersten Zugang zur Geräuscherkundung von Kindern finden Sie, indem Sie nonverbal mittun. Erlauben Sie sich selbst den Anfängergeist beim Eintauchen der Metalldose in die Linsenwanne oder beim Hüpfen durch eine Pfütze. Dies ermöglicht Ihnen, zu erahnen, welche Erfahrungen das Kind suchen und machen könnte. Dabei steht für ein Kind eher das Hörbare im Vordergrund, für ein anderes die motorische, taktile oder die emotionale Erfahrung. Werden Sie aufmerksam, was davon das Kind und/oder Sie selbst vorwiegend beindruckt, und intensivieren Sie diesen Aspekt in Ihrem eigenen Tun.
Manchmal bietet es sich dabei an, das Tempo des Kindes in den eigenen Handlungen etwas zu verlangsamen, also ein Papier langsamer zerknüllen, als das Kind es tut. Dies ist ein Angebot an das Kind, die Knüllbewegung, die entstehenden Geräusche und die Formung des Papiers neu wahrzunehmen. Nonverbal miteinander Geräusche zu erkunden und dabei gemeinsam gelingende Interaktionen zu erleben, wirkt beziehungsstiftend.
Neben der nonverbalen Interaktion kann auch die verbale Begleitung Geräuschexperimente unterstützen. Benennen Sie dabei, was Sie hören. Benennen Sie sehr konkret die Unterschiede in den Geräuschen, die das Kind vermutlich auch selbst wahrnimmt, und/oder benennen Sie, was Ihnen selbst auffällt. Dadurch öffnen Sie die Welt der Variationen. Zwei Ahornblätter können auf viele Weisen aneinandergerieben werden. Verändern sich dabei die Reibegeräusche? Wie kann es lauter oder leiser klingen? Wie klingt es jetzt, nachdem die Blätter zerbrochen sind? Rascheln Kastanienblätter anders als die Ahornblätter?
Im Krippenalltag können mit allen zur Verfügung stehenden Materialen und Gegenständen neugierig Geräusche erkundet werden. Dieses Explorieren führt Krippenkinder und pädagogische Fachkräfte in Situationen entdeckenden Lernens. Dabei entstehen Erfahrungen und Erkenntnisse.
Musikstücke im herkömmlichen Sinn entstehen bei Geräuschexplorationen nicht. Oder besser formuliert: Die akustischen Resultate von Geräuschexperimenten sind die Musik der Krippenkinder. Diese hörbaren Ergebnisse entsprechen jedoch selten den ästhetischen Wünschen der Erwachsenen an Musikstücke. Und das sollte auch nicht erwartet werden. Es ist eben die Musik der Krippenkinder, exakt in der Gestaltungskraft, die diese sich bis dahin angeeignet haben. Und als pädagogische Fachkraft haben Sie das Privileg, das Kind in seinem Anfängergeist und seinen Explorations- und Gestaltungsideen in Aktion erleben und anregen zu dürfen. Sie werden immer wieder neu Zeug:in, wie das Kind ästhetisch-schöpferisch seinen Zugang zur (klingenden) Welt erkundet und formt – und das ist wirklich ein Privileg.
Johannes Beck-Neckermann ist Musik- und Bewegungspädagoge, Musiktherapeut (DMtG); Fortbildner und Begleiter von Musik-Projekten; Lehrbeauftragter der Ev. Fachakademie für Sozialpädagogik in Schweinfurt. www.beck-neckermann.de
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