24.02.2021
Peggy Sarnowsky-Bresnik

Du bist fröhlich! – Emotionale Entwicklung im Kleinkindalter

In der Welt von Kindern finden fast täg­lich viele erste Male, voller spannender Erfahrungen und prägender Erlebnisse, statt. Diese täglich neuen Eindrücke und Erfahrungen bringen ein breites Spektrum an Emotionen mit sich. Die­sem steht ein Kind meist unvorbereitet gegenüber. Die große Intensität, mit der Kinder diese Momente von Emotio­nalität erleben, erstaunen uns Erwach­sene oft sehr. Um Kinder hier besser zu verstehen und ihnen Unterstützung auf ihrem Weg zur Wahrnehmung und Re­gulierung von Emotionen zu bieten, ist es wichtig, die Meilensteine in der emo­tionalen Entwicklung zu kennen.

Emotionales Lernen beginnt in den ers­ten Lebensmomenten und setzt sich ein Leben lang fort. Die Schritte emotiona­ler Entwicklung vollziehen sich am deut­lichsten in den ersten 6 Lebensjahren und umfassen den nonverbalen und verbalen Emotionsausdruck, das Emoti­onswissen (das Wissen über Auslöser bestimmter Emotionen bei sich und an­deren) und die Emotionsregulation (in­nere und äußere Strategien im Umgang mit Emotionen).

Diese Bereiche entwickeln sich parallel zueinander und beeinflussen sich wech­selseitig. Die Entwicklung des Emotions­ausdrucks geschieht im Entwicklungs­verlauf zunächst als Antwort auf die nonverbale Äußerung von grundlegen­den Gefühlen wie Freude, Traurigkeit, Ärger und Angst. In den ersten zwei Le­bensjahren lernt das Kind gleichzeitig, emotionale und emotionsrelevante Äu­ßerungen der Bezugspersonen zu er­kennen (z. B. die aufmunternde Stimme der Mutter) und darauf zu reagieren (z. B. durch ein Lächeln).

Was will sich hier entwickeln?

Schon Neugeborene sind in der Lage, 5 Vorläufer-Emotionen zu empfinden und auszudrücken. Das sind Distress, Wohlbehagen, Interesse, Ekel und Er­schrecken. Die Emotionspalette des 3-jährigen Kindes beinhaltet schon Inte­resse, Freude, Wohlbehagen, Zunei­gung, Belustigung, Ekel, Erschrecken, Überraschung, Furcht, Fremdeln, Dist­ress, Frustration, Ärger, Traurigkeit, Ver­legenheit, Trotz, Eifersucht, Stolz, Scham, Mitgefühl, Neid und Schuld (vgl. Gutknecht et al. 2017).

Regulationsstrategien und Verhaltens­weisen, mit welchen es sich z. B. in Stress-Situationen selbst beruhigen kann (z. B. durch Daumenlutschen oder mit Hilfe des Kuscheltieres), lernt das Kind in Situationen, wo es auf sich allein gestellt ist.

Verbale Gefühlsäußerungen entwickeln sich ab dem 2. Lebensjahr und erwei­tern die kindlichen Ausdrucksmöglich­keiten emotionaler Kommunikation, In­teraktion und Lernmöglichkeiten. Über Gefühle zu sprechen wird mit zuneh­mendem Alter wichtiger, der nonverba­le Emotionsausdruck ist für das Ver­ständnis von Emotionen jedoch weiterhin von großer Bedeutung.

Durch die Versprachlichung von emoti­onalem Erleben entwickelt das Kind an­hand konkreter Situationen sogenannte „emotionale Schemata“ (Ulich et al. 1999), d. h. ein stetig wachsendes Repertoire an „Allgemeinwissen“ über typische Auslöser von bestimmten Emotionen, die es in neuen Situationen anwenden kann. Auf diese Weise erwirbt das Kind die Fähigkeit, emotionale Situationen und Reaktionen bei sich und bei ande­ren vorauszusehen und entsprechend zu handeln (z. B. unangenehme emotio­nale Situationen zu meiden) (Wertfein 2020).

Emotionale und soziale Entwicklung

Im Vorschulalter lernt das Kind zuneh­mend auch komplexe Emotionen, wie z. B. Stolz, Scham, Schuld oder Neid ken­nen. Dies sind selbstbezogene und sozi­ale Emotionen, welche gewisse kogniti­ve Entwicklungsschritte und ein differenziertes Emotionsverständnis vo­raussetzen. Ein Verständnis für die Emo­tionen anderer, setzt voraus, dass das Kind erkennt, in welchen Situationen welche Gefühle bei ihm selbst ausgelöst werden.

Die Fähigkeit, eine emotionale Situation wahrzunehmen und Gefühle stellvertre­tend mit der betroffenen Person mitzu­erleben (Empathiefähigkeit) sind vor al­lem kognitive Faktoren, wie z. B. das Wissen darüber, dass der beobachtbare Emotionsausdruck und das tatsächliche Emotionserleben in sozialen Kontexten nicht immer übereinstimmen müssen (Petermann/Wiedebusch 2003/Saarni 1999). Die Entwicklung der Empathiefähigkeit lässt sich beschreiben als einen Prozess von einer selbstbezogenen Sichtweise im ersten Lebensjahr, hin zu einer kontext­bezogenen Empathie in der späteren Kindheit.

Diese Fähigkeit befähigt Kinder, in ih­rem prosozialen Handeln auch übergrei­fende Lebensbedingungen zu berück­sichtigen (Hoffman 2000).

Kinder lernen in jeder emotional erleb­ten Situation einen inneren und äuße­ren Umgang mit ihren Gefühlen. Kom­men junge Kinder in Stress-Situationen, regulieren sie ihre Emotionen interaktiv, d. h. mit Unterstützung der Bezugsper­sonen.

Mit zunehmendem Alter lernen die Kin­der, dass sie durch eine gezielte Ablen­kung ihrer Aufmerksamkeit oder Rück­zug unangenehme Situationen und Gefühle (z. B. Frust durch einen uner­reichbaren Gegenstand) vermeiden können. Zudem erfahren Kinder die Wir­kung von Selbstberuhigungsstrategien, etwa durch körperliche Beruhigung (Schaukeln, Saugen), im Vorschulalter durch beruhigende Verhaltensrituale (z. B. Durchatmen) oder Selbstgesprä­che. Schließlich wenden Kinder ab dem Vorschulalter auch kognitive Strategien an, wie gedankliche Ablenkung oder Umdeutung von emotionsauslösenden Situationen (Petermann/Wiedebusch, 2003).

Gefühle spiegeln

Emotionale Beziehungen sind die Basis für die gesamte Entwicklung des Kindes. Das Konzept der Feinfühligkeit von Ma­ry Ainsworth (1913 - 1999) beschreibt die Bedeutung der Feinfühligkeit der Mutter für einen Aufbau einer sicheren Bindung. Hierbei geht es um das Wahr­nehmen der kindlichen Signale, die kor­rekte Interpretation sowie eine prompte und angemessene Reaktion darauf. Schon bei sehr jungen Kindern wird deutlich, dass sie Emotionen häufiger zeigen, wenn sie viel emotionale Auf­merksamkeit und körperliche Zuwen­dung erfahren.

Die Herausforderung für pädagogische Fachkräfte ist ein emotionales Antwort­verhalten (Responsivität) zu entwickeln, um den Kindern die Möglichkeit zu ge­ben, ihre Gefühle wahrzunehmen, zu äußern und regulieren zu lernen.

Grundvoraussetzung für das Gelingen ist eine geschulte Wahrnehmung des Körperausdrucks und das Bemerken der individuellen Signale des Kindes. Die In­dividualität jedes Kindes ist hier zu be­achten.

Ein guter Austausch mit den Eltern ist hier von großer Bedeutung, um die indi­viduellen Ausdrucksformen der Kinder besser verstehen zu können. Eine grundlegende Haltung, die von Akzep­tanz und Wertschätzung geprägt ist, die die Vielfältigkeit und Autonomie der Kinder anerkennt, innerlich beteiligt und aufrichtig interessiert ist, ist die Ba­sis für unterstützende Interaktion zwi­schen Kind und Erwachsenen. Zugäng­lichkeit und Aufmerksamkeit signali-

sieren heißt einen deutlichen, authenti­schen und emotionalen Ausdruck, mit allen Ausdruckskanälen (Sprache, Stim­me, Gesicht und Körper), zu zeigen und in der Kommunikation emotionale Ap­pelle der Kinder, verstehen und ange­messen darauf zu reagieren. Stimulie­rend ist ein generelles emotionales Klima in der Einrichtung. Selbstreflexion und Feedback sind für die Fachkräfte unterstützend.

Für eine gute emotionale Entwicklung von Kindern braucht es Erwachsene, die die Emotionen der Kinder wahrnehmen und ihnen durch ihr Antwortverhalten die Möglichkeit geben, sich selbst und andere besser kennenzulernen. Es geht darum, sich gegenseitig kennenzuler­nen, einzuschätzen und abstimmen zu können. Dies gelingt am besten in ei­nem abgestimmten Dialog mit dem Kind, der die stimmlichen und körperli­chen Ausdruckskanäle miteinander ver­bindet.

Erst wenn Kinder das Gesagte auch kör­perlich erlebt haben, festigen sich diese Erfahrungen in ihnen. Umso jünger das Kind, umso prompter müssen die Ant­worten des Erwachsenen erfolgen. Ha­ben Kinder das Gefühl der Bedürfnisbe­friedigung oft erfahren, können sie später, in dem Bewusstsein, dass ihre Si­gnale beantwortet werden, ihre Emotio­nen besser regulieren.

Tipps für die Praxis

Überprüfen Sie Ihr Handeln in der Ge­staltung Ihrer Schlüsselsituationen:

  • Nehmen Sie die Signale der Kinder wahr und sind Sie Ausgangspunkt für Ihr Handeln?
  • Wie ist hier Ihr emotionaler Ausdruck?

Stimmen Sie sich mit Ihren Kolleg*nnen ab, schaffen Sie eine Atmosphäre, die für alle Kinder sicher und wiederkeh­rend ist. Unterstützen Sie sich gegensei­tig im Team, indem Sie sich Feedback zur Interaktionsqualität mit den Kindern geben.

Seien Sie Übersetzer*innen für die Be­dürfnisse der Kinder und verbalisieren Sie die wahrgenommenen Signal, der Kinder.

Visualisieren Sie verschiedene Gefühls­ausdrücke von Kindern mit Hilfe von Bil­dern und Fotos und schaffen Sie damit eine weitere Ausdrucksmöglichkeit für die Kinder.

Peggy Sarnowsky-Bresnik, freiberufliche Referen­tin im Bereich Bildung und Erziehung der frühen Kindheit und Kitamanagement, Coach für Einzel­personen und Teams.
Kontakt: www.kita-coaching-und-beratung.de

Literatur:
Gutknecht, Dorothee/Kramer, Maren/Daltrop, Kira: Kinder bis drei Jahre in Krippe und Kita. Kinder­garten heute praxis kompakt. Herder 2017
Hoffman, Martin L.: Empathy and moral develop­ment. Implications for caring and justice. Cam­bridge University Press 2000
Petermann, Franz/Wiedebusch, Silvia: Emotionale Kompetenz bei Kindern. Hogrefe 2003
Saarni, Carolyn: The development of emotional competence. Guilford Press 1999
Ulich, D./Kienbaum, J./Volland, C.: Emotionale Schemata und Emotionsdifferenzierung. In: Friedlmeier, Wolfgang/Holodynski, Manfred (Hrsg.): Emotionale Entwicklung. Funktion, Regu­lation und soziokultureller Kontext von Emotio­nen. Spektrum 1999
Wertfein, Monika Dr.: Emotionale Entwicklung von Anfang an. Wie lernen Kinder den kompe­tenten Umgang mit Gefühlen? (Teil 1)
Link:
www.familienhandbuch.de/babys-kinder/ bildungsbereiche/soziale/EmotionaleEntwick­lungvonAnfangan.php (Stand 12/2020)
Bilderbücher:
Van Hout, Mies: Heute bin ich. Aracari 2012
LLenas, Anna: Das Farbenmonster. Jacoby Stuart 2018

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