15.07.2020
Tassilo Knauf ©cisale/GettyImages
Redaktion

Kita-Öffnung in Italien: Auf in den Park …

Wer sagt denn, dass die Kita in der Kita stattfinden muss? In Italien sieht das Konzept zur Kita-Öffnung ganz besondere Lernorte vor. Warum das in Italien gar nicht so ungewöhnlich ist, erklärt der Erziehungswissenschaftler Tassilo Knauf.

Text: Tassilo Knauf
Bild: ©cisale/GettyImages

Wir alle erinnern uns an die Bilder aus dem italienischen Bergamo. Särge der Opfer der Corona-Pandemie wurden in Konvois von Militärfahrzeugen transportiert. Der Anblick ging unter die Haut. Berührt haben uns auch die Videos, die Menschen zeigten, die auf Balkonen sangen und mit Schrifttafeln dem Krankenhauspersonal für seinen Einsatz dankten. Jetzt gibt es in Italien die schrittweise Lockerung des sehr harten Lockdowns.
Aber wie wird nun die Öffnungspraxis bei den Kitas realisiert? Dazu gibt es nun ein Konzept, das von der italienischen Erziehungsministerin Lucia Azzolina gemeinsam mit Ministerpräsident Giuseppe Conte vorgestellt wurde.

In diesem von einer Expertengruppe vorbereiteten Konzept wird ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem italienischen und dem deutschen System deutlich: In Italien sind Kitas Teil des landesweiten Bildungssystems, in dem auch Kitas als Schulen und pädagogische Fachkräfte als Lehrerinnen und Lehrer bezeichnet werden. Daher gibt es weitgehend identische Regeln für Kitas, Grundschulen und die schulische Mittelstufe, die sich erst ab September schrittweise für alle Kinder öffnen sollen.

Die Vision: zehn Kinder pro Gruppe

Hauptregel ist die das Abstandsgebot von einem Meter zwischen den Aktionsbereichen der einzelnen Kinder. Plexiglasscheiben sollen das Einhalten der Abstände erleichtern. Für entsprechende bauliche Maßnahmen werden bis Ende Juni 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Gruppen sollen getrennt den Tag verbringen. Für die täglichen Ankunftszeiten und für die Mahlzeiten ist eine Zeitstaffelung vorgesehen.

Die Ministerin hatte vor einem Monat die Zukunftsvision beschrieben, Gruppen- und Klassenstärken von zehn Kindern anzustreben. Aktuell sollen erst einmal die Regionen, vergleichbar den Bundesländern in Deutschland, über Einzelmaßnahmen entscheiden. Kriterien sollen dabei die regional sehr unterschiedlichen Infektionsraten sein. Diese werden auch bei der Entscheidung über eine Maskenpflicht herangezogen.

Überregional soll eine schon im Mai vorgestellte Idee umgesetzt werden: Die Ministerin wünscht, dass Kitas und Schulen sich zum Nahbereich öffnen, um auf Plätzen, in Parks und in der Natur außerhalb der Orte, aber auch in Museen, Theatern und Kinos Lern- und Entdeckungsorte zu nutzen. Diese in Deutschland kaum diskutierte Idee lässt eine deutliche Nähe zur Reggio-Pädagogik erkennen.

Und noch eine italienische Besonderheit: Eine große Zahl von Pädagoginnen und Pädagogen erklären sich bereit, bis zur Wiedereröffnung von Kitas und Schulen Förder- und Betreuungsmaßnahmen in Kleingruppen oder für einzelne Kinder zu übernehmen.

Tassilo Knauf war Professor für Erziehungswissenschaften. Er ist ausgewiesener Experte für die Reggio-Pädagogik und arbeitet heute als Fortbildner und Berater.

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