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klein&groß: Was liegt Ihnen bei Medienpädagogik bei jungen Kindern am Herzen?
Dr. Helen Knauf: Gelassenheit! Wir sollten gelassen auf das Thema schauen. Digitale Medien sind weder Heilsbringer noch Vorboten der Apokalypse. Sie sind vielmehr das, was wir daraus machen. Unser Anliegen muss es sein, Medien in den Dienst der pädagogischen Arbeit zu stellen. Das bedeutet, Medien sollen dort zum Einsatz kommen, wo sie ko-konstruktive Bildungsprozesse bereichern. Beispielsweise, wenn Kinder im Internet Antworten auf ihre Fragen suchen, wenn sie ihre Spiele oder Projekte mit Fotos dokumentieren oder wenn sie mit Hilfe des Tablets eine Geschichte verfilmen.
k&g: Welche Ziele sollte der Einsatz von Medien in der Kita verfolgen?
Dr. Knauf: „Das Kind hat 100 Sprachen“ schrieb Loris Malaguzzi. Und beklagte, dass den Kindern 99 davon genommen werden. Digitale Medien können Kindern eine Sprache geben. Sie können Bildungsprozesse an verschiedenen Stellen bereichern und zugleich die Möglichkeiten zur Teilhabe von Kindern erweitern. Beispielsweise, wenn sie über das Internet Informationen bekommen. Oder wenn sie mit einer App zur Pflanzenbestimmung die Antwort darauf bekommen, welcher Baum das ist. Indem sie Fotos und Videos nutzen, können Kinder ihre Perspektive einbringen, auch in Entscheidungsprozesse.
Ganz wichtig ist es mir festzuhalten, was nicht das Ziel des Einsatzes von Medien in der Kita ist: Es geht nicht darum, dass Kinder lernen, beispielsweise ein Tablet zu bedienen. Das kann ein Nebeneffekt sein, aber nicht das Ziel. Und es geht auch nicht darum, dass Kita-Kinder in der Kita Lern- und Spiele-Apps nutzen. Vielmehr sollen sie Handy, Tablet und Computer als Instrumente kennenlernen, mit denen sie ihr Wissen und ihren Handlungsspielraum erweitern können.
k&g: Sie haben sich sehr intensiv mit Medien in der Frühpädagogik beschäftigt. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse, die Sie gerne weitergeben möchten?
Dr. Knauf: Mit digitalen Medien ist unheimlich viel möglich und es ist faszinierend, was einige Einrichtungen hier auf die Beine stellen.
Aber Digitalisierung ist auch kein Wundermittel: Durch Digitalisierung wird aus einer schlechten Pädagogik keine gute. Es kommt also darauf an, wie und wo man digitale Medien einsetzt.
In den letzten Jahren habe ich mich vor allem damit befasst, welche Bedeutung digitale Medien für die pädagogischen Fachkräfte in Kitas haben.
Dabei sind verschiedene Dinge deutlich geworden: Digitale Medien können in manchen Teams einen echten Motivationsschub auslösen. Wenn alle sich für neue digitale Werkzeuge begeistern können und Ideen für kreative Projekte mit Medien liefern, kann mit viel Freude und Begeisterung gearbeitet werden. Und das strahlt dann auch in die herkömmliche pädagogische Arbeit hinein und bereichert sie.
Andererseits gibt es auch viele Hürden, wie etwa eine mangelnde Geräte- und Internetausstattung. Oder unklare Regelungen beim Datenschutz. Das verleidet vielen Fachkräften die Arbeit mit Medien. Hier sind die Träger gefragt.
Und natürlich gibt es auch viele Fachkräfte mit großen Vorbehalten. Diese Vorbehalte muss man ernst nehmen. Sie können aber auch eine positive Dynamik ausbremsen und zu Frustrationen führen. Mit einem Klischee möchte ich jedoch aufräumen: Aufgeschlossenheit bzw. Ablehnung hängen nicht automatisch mit dem Alter zusammen – es gibt 60-jährige Digitalpionier*innen in den Kitas ebenso wie 20-jährige Medienskeptiker*innen.
k&g: Haben Sie einen Praxisimpuls für unsere Leser*innen, den sie mit ihren Kita-Kindern und Medien umsetzen könnten?
Dr. Knauf: Aktuell befinden sich immer wieder Kinder und Fachkräfte in Quarantäne. Um die Verbindung nicht abreißen zu lassen, können Video-Anrufe getätigt werden. Kinder können dann einfach von zu Hause aus im Morgenkreis dabei sein. Bei einer Studie, die ich vor einigen Jahren in einem Kindergarten in den USA durchgeführt habe, wurde regelmäßig mit Kindern und Familien in anderen Ländern geskypt. So konnten die Kinder ganz unmittelbar Gespräche mit Kindern in anderen Ländern führen oder sich gegenseitig ein Spiel oder Lied zeigen, dass sie mögen. Dort wurden auch Expertinnen und Experten per Videoanruf in die Kita geholt – gerade jetzt, wo die Videotelefonie immer selbstverständlicher wird, gibt es dort viele neue Chancen. Aber gerade hier sieht man die Grenzen von digitalen Medien: Sie ersetzen nicht die reale Gemeinschaft.
Dr. Helen Knauf, Professorin für Kindheitspädagogik an der Fachhochschule Bielefeld. (Digitale) Medien waren und sind für sie schon lange ein wichtiges Thema, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. Ihre weiteren Arbeitsschwerpunkte sind Bildungsdokumentation und Familie – beides Themen, die sich durch die Digitalisierung verändern.
Kontakt: www.helen-knauf.de
Literatur: Knauf, Helen: Bildungsbereich Medien. Vandenhoek & Ruprecht 2010
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